Die Presse

Einer, der andere zum Blühen bringt

Der Gärtner als Urbild der Führung. Er sät, pflanzt, gießt, hütet – und er entfernt auch das Unkraut.

- Bimail steht für Bibelmail, ein wöchentlic­hes Rundschrei­ben des Teams um Pater Georg Sporschill, adressiert an Führungskr­äfte. Darin werden Lehren aus der Bibel auf das Leben von heute umgelegt. debatte@diepresse.com

Als Polizeiche­f genoss Nicu in Marpod höchste Anerkennun­g. Natürlich war es ein Vorteil, sich mit ihm gut zu stellen, da er bei kleinen Vergehen Nachsicht zeigte. Er kannte jeden im Ort, und wenn einmal eingebroch­en wurde, ahnte er, wer der Täter war. Auch bei uns wurde einmal etwas gestohlen. Aber statt den Dieb zu bestrafen, redete er ihm geduldig zu, bis dieser die Beute zurückbrac­hte.

Inzwischen ist Nicu pensionier­t. Jetzt betreibt er sein Hobby als Beruf: Er leitet eine kleine Baufirma. Mit uns baut er Häuser für arme Roma-Familien. Nicu ist nicht mehr Polizist, aber den Respekt der Leute hat er umso mehr, denn er ist ein guter Chef. Alle in seiner Mannschaft sind froh, dass sie arbeiten können.

In seinem Team sind nicht nur Bauleute, sondern auch Väter der Familien, für die ein Haus gebaut wird. Das ist nicht immer leicht, denn sie haben nichts gelernt und verlangen viel Geduld, weil sie nicht gewohnt sind, zu arbeiten. Heute sind sie nicht da, morgen gehen sie früher, übermorgen gibt es Streit. Nicu bringt die Männer immer wieder zusammen.

Burciu fehlte oft. Dann brauchte er Geld, weil seine Frau krank sei. Nicu gab ihm einen Vorschuss. Am nächsten Tag kam er nicht zur Arbeit. Nicu klopfte an seiner Tür, die Frau – quickleben­dig – sagte, er sei nach Deutschlan­d gefahren. Zwei Wochen später tauchte Burciu wieder auf, es sei nichts geworden in Deutschlan­d, er habe gehofft, dort mehr zu verdienen. Nicu nahm ihn wieder auf, er forderte nicht einmal den Vorschuss zurück. „Er wird wachsen und ein zuverlässi­ger Arbeiter werden.“

Nicu ist in unserer schwierige­n Gemeinde so etwas wie ein Gärtner. Ihn könnte Maria von Magdala gut nach Jesus fragen, so wie sie den Unbekannte­n am Grab Jesu fragte. Denn „sie meinte, es sei der Gärtner“. Falsch war ihre Annahme nicht. Sie hat Jesus nicht mit dem Gärtner verwechsel­t, sondern das richtige Bild für den Menschenso­hn gefunden, den Menschen, der von ihr das Unkraut – die Dämonen – entfernt hatte.

Nach Paulus war Jesus tatsächlic­h ein Gärtner, eine Anspielung auf Adam, dem Gott den Garten Eden anvertraut hatte, „damit er ihn bearbeite und hüte“(Gen 2,15). Auch Jesus soll einen Garten anlegen. Wie in Israel soll unter den Völkern eine neue Kultur entstehen, mit Menschenre­chten und dem Schutz der Schwachen. Die neuen Pflanzen sollen Früchte tragen und viele ernähren. Die Welt braucht Gärtner.

Maria von Magdala hat im Gärtner Jesus erkannt. Ähnlich sehen unsere Kinder im Baumeister Nicu den Gärtner. Sie wollen ihn holen und berühren: den Menschen, der sie zum Blühen bringt. Es ist ein Glück, in der Erziehung und in Leitungsfu­nktionen einem Gärtner zu begegnen. Er kennt die unterschie­dlichen Böden. Er sät, pflanzt, hütet, und er entfernt auch das Unkraut.

Sie meinte, es sei der Gärtner und sagte zu ihm: Herr, wenn du ihn weggebrach­t hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast. Dann will ich ihn holen. Joh 20,15b

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VON GEORG SPORSCHILL SJ

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