Alles Ausländer oder was? Warum sogar Spitzenkräfte leiden
13.000 Menschen wurden befragt: Österreich ist unter 65 Staaten der zweitgrößte Muffel. Früher Gastprofessoren, jetzt Flüchtlinge haben etwas gemeinsam.
Es ist Zeit, sich über Abschottung und Weltoffenheit zu unterhalten und nicht unfreundliche Studien zu verdrängen.
Vor einiger Zeit folgende Szene in einem Wiener Modegeschäft: Das Desinteresse der Handelsangestellten an irgendeiner Art von Kundenbetreuung provozierte die Frage: „Wann wurde in Österreich die Freundlichkeit eigentlich abgeschafft? Sie werden mir das jetzt sicherlich sagen können.“Verwunderter Blick, betretenes Schweigen, keine Antwort.
Exakt diese Frage aber drängt sich bei einer internationalen Umfrage auf, die vergangene Woche veröffentlicht wurde und offensichtlich auch nur betretenes Schweigen ausgelöst hat. Eine breite Diskussion darüber, dass Österreich punkto Freundlichkeit an vorletzter Stelle weltweit rangiert, gerade noch vor Kuwait, fand nicht statt. Auch über den Umstand, dass Österreich im allgemeinen Ranking bezüglich Zuwanderung von hochqualifizierten Ausländern innerhalb eines Jahres gleich um 20 Positionen zurückgefallen ist, wurde nicht weiter geredet.
Möchte niemand darüber nachdenken, warum nicht einmal gut verdienende, gut ausgebildete Ausländer hier willkommen sind? Warum sie keine Freunde finden und unter Verständigungsschwierigkeiten leiden? Wie es dann erst anderen nicht österreichischen Gruppen hierzulande ergehen muss, die nicht in guten Positionen und schönen Wohngegenden landen? Was die Gründe für diese generelle Ausländerfeindlichkeit sind?
Überraschen sollte die Umfrage des Netzwerks InterNations unter 13.000 Personen in Österreich eigentlich niemanden. Bereits in den 1990er-Jahren stieß eine Reform der Universitäten, die vermehrt auf Gastprofessoren setzte, auf heftigen Widerstand der Akademiker. Wer brauche schon Professoren aus dem Ausland, hieß es damals. Seither hat sich mit EU-Niederlassungsfreiheit, Migration und Flüchtlingen viel verändert.
Die kleine österreichische Welt ist nicht weltoffener geworden. Vorläufiger Höhepunkt: Die Forderung der FPÖ, Asylanten erst überhaupt nicht zu integrieren, gewisse Hilfen nur für österreichische Staatsbürger. Warum haben Ös- terreicher für all das so offene Ohren? Zum Ersten sind Wahlkampfzeiten nicht geeignet zur Selbstreflexion, zum Zweiten gilt seit Jörg Haiders Tagen die Abneigung gegen „die anderen“als politisches Erfolgsrezept, zum Dritten aber werden die Ressentiments dadurch verstärkt, dass im öffentlichen Diskurs kaum mehr zwischen ausländischen EU-Bürgern, Migranten, illegalen Migranten und Flüchtlingen unterschieden wird: Allen soll irgendetwas genommen oder verboten werden.
Zwar gibt es verschiedene Vorgehensweisen bei Kürzungen, Streichungen, Sperren, unter dem Strich aber bleibt: Österreich zuerst – und dann lang nichts. Oder: Wie können wir Österreich noch unfreundlicher machen, damit die Ausländer wegbleiben? Da sollte sich dann niemand über das internationale Image als Land der Willkommensmuffel wehleidig beklagen. Krisenfest zwar wie bei Ungarn 1956, Prag 1968 oder nicht mehr politisch, aber in der Realität, sogar während des Krieges in Bosnien in den 1990er-Jahren.
Die Verschlechterung des Ansehens innerhalb eines Jahres in der erwähnten Untersuchung kann auch nicht verwundern. Für die ÖVP hat Sebastian Kurz die Rolle des Vorurteilsbeauftragten entdeckt. So musste jüngst eine Homestory in der „Kronen Zeitung“mit seiner Oma zur Beförderung von Vorurteilen via FPÖ-Slogan herhalten: „Unser Sozialsystem muss vor zu viel Zuwanderung geschützt werden.“Der Satz hat sein Publikum. Niemand fragt: „Vor welcher Zuwanderung?“
Solche Verallgemeinerungen sind der Stoff, aus dem seit dem Anti-Ausländer-Volksbegehren der FPÖ 1992 politische Voreingenommenheit gestrickt ist. Zuerst in Blau, dann auch in Schwarz, jetzt in Türkis mit roten Einsprengseln.
Es ist Zeit, sich über Abschottung und Weltoffenheit zu unterhalten. Es ist Zeit, die Ursachen „unfreundlicher“Studien zu ergründen.