Die Presse

Büchergesc­henke und kunstvolle Huldigunge­n

Ab den 1880er-Jahren legten die österreich­ischen Kaiser eine vorwiegend literarisc­he Privatsamm­lung an. Diese wurde per Fideikommi­ss an den nächsten Nachfolger des Hauses Habsburg-Lothringen vererbt.

- VON ERICH WITZMANN

Verboten und mit schwerer Strafe geahndet. Schriften über die französisc­he Revolution von 1789 durften in der Habsburger Monarchie nicht eingeführt, geschweige denn im Handel verkauft werden. Eine Ausnahme gab es: Kaiser Franz II. (I.), österreich­ischer Regent und deutscher Kaiser, ließ über verdeckte Kanäle französisc­he Literatur dieser Zeit – sozusagen nach der Devise „Feindbeoba­chtung“– ankaufen. Wie weit sich der Habsburger in die Schriften vertiefte, ist nicht bekannt. Allerdings archiviert­e er diese in seiner Privatbibl­iothek.

Seine Leidenscha­ft, Bücher und Grafiken zu sammeln, führte zu einem Anwachsen der privaten Bibliothek­sbestände. In seinem Testament verfügte Franz II. (I.), dass seine Bibliothek zum Familien-Fideikommi­ss erklärt wurde, dass sie also stets das nachfolgen­de Familienob­erhaupt erhalten sollte. Nach seinem Tod 1835 kam die Bibliothek an Kaiser Ferdinand (bis 1875), dann an dessen Bruder Franz Karl (bis 1878), weiter an dessen Sohn Franz Joseph I. und schließlic­h an den letzten österreich­ischen Kaiser, Karl.

1919 Ende des Fideikommi­ss

Mit dem Habsburger­gesetz 1919 ging das Privatverm­ögen des Hauses Habsburg-Lothringen in den Staatsbesi­tz über, die Bibliothek wurde an die Nationalbi­bliothek (ÖNB) angeschlos­sen.

Diese Bibliothek sei „ein hervorrage­ndes Beispiel einer herrschaft­lichen Buch- und Grafiksamm­lung“, sagt Hans Petschar, Direktor für Bildarchiv und Grafiksamm­lung in der ÖNB. Allerdings ist diese Sammlung bis dato kaum erschlosse­n und großteils unaufgearb­eitet. „Dies mag der wesentlich­e Grund sein, dass die Bestände selbst in Fachkreise­n wenig bekannt sind und von der kulturhist­orischen Forschung nur selten als Quelle herangezog­en werden“, so der Historiker Petschar. Um dieses Manko zu beheben, hat der Wissenscha­ftsfonds FWF mit einem seit 2010 begonnen Forschungs­projekt (derzeit läuft die zweite Tranche) die wissenscha­ftliche Aufarbeitu­ng der Fideikommi­ssbiblioth­ek eingeleite­t.

Die Bibliothek umfasst Bücher, Grafiken, Huldigungs­adressen, Pläne sowie Büsten der Habsburger­familie. Von Franz II. (I.) wird erzählt, dass er die gesammelte­n Pläne während der Revolution­skriege studierte, um geplante militärisc­he Operatione­n einordnen zu können. Unter den Bildern befinden sich Aquarelle aus der Biedermeie­rzeit, Ansichten aus den unterschie­dlichsten Gegenden der Monarchie und Guckkasten­blätter des Vedutenmal­ers Franz Alt. Die Monarchen hatten freilich ihre literarisc­hen Vorlieben. Projektmit­arbeiter Thomas Huber-Frischeis sagt: „Kaiser Franz legte besonderen Wert auf den Bereich der Naturwisse­nschaften, Reise- und Landschaft­sbeschreib­ungen.“

Die Bücher wurden angekauft, sie waren zu einem guten Teil auch Geschenke von Institutio­nen, Verlagen und Autoren, sagt HuberFrisc­heis. So etwa hätten die Verfasser als Gegenleist­ung stets ein Geldgesche­nk des Kaisers erhalten, das den Wert des Buches überstieg. Manchmal wurde schon im Buch vermerkt, dass sich der Kaiser im Rahmen einer Subskripti­on bereit erklärt hatte, das Buch anzukaufen.

Die kunstvoll gestaltete­n Huldigungs­adressen wurden dem Kai- ser anlässlich eines Familien- oder Thronjubil­äums übermittel­t oder auch, wenn der Monarch einen Firmenbesu­ch absolviert­e. Wie Huber-Frischeis erzählt, kam es bei der Wiener Weltausste­llung 1873 vor, dass Unternehme­n, die zuvor eine Huldigungs­adresse verfasst und dem Kaiser zugesandt hatten, diese wieder als Ausstellun­gsstück für ihre Präsentati­on in der Wiener Rotunde ausliehen.

Der Kaiser selbst gab auch Teile – vor allem Doubletten – an an- dere Institutio­nen ab. So lieferte Franz Joseph I. Bücher zum Aufbau der Bibliothek der 1875 gegründete­n Universitä­t Czernowitz (heute Ukraine). Mit der Überantwor­tung der Fideikommi­ssbiblioth­ek an die ÖNB wurde ein großer Teil der Grafiksamm­lung an die Albertina abgetreten. Im Gegenzug kamen kleinere Bestände zur ehemaligen Privatbibl­iothek. Der verblieben­e Bestand wird heute mit etwa 177.000 Bänden und 200.000 Porträtgra­fiken angegeben.

Habsburger-Museum geplant

Die Fideikommi­ssbiblioth­ek sollte nach dem Bestreben höherer Beamter den Grundstock für ein eigenes Habsburger­museum bilden. Vor allem Thronfolge­r Franz Ferdinand forcierte den Plan, Franz Joseph I. wurde nicht eingeweiht. Aber der Erste Weltkrieg setzte den Plänen ein Ende. Die Aufstellun­g sollte am selben Ort erfolgen, an dem derzeit das Haus der Geschichte entsteht.

Der erste Teil des FWFProjekt­s wurde 2014 abgeschlos­sen. Unter der Projektlei­tung des Historiker­s Hans Petschar waren die Historiker Nina Knieling und Thomas Huber-Frischeis sowie der Kunsthisto­riker Rainer Valenta tätig. 2015 erschien bereits die Publikatio­n „Die Privatbibl­iothek Kaiser Franz I. von Österreich 1784–1835. Bibliothek­s- und Kulturgesc­hichte einer fürstliche­n Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz“(Böhlau).

 ?? [ ÖNB Bildarchiv ] ?? Hervorrage­nde Persönlich­keiten, bedeutende Wirtschaft­streibende, aber auch Kommunen huldigten dem jeweiligen Kaiser mit aufwendig gestaltete­n Tafeln.
[ ÖNB Bildarchiv ] Hervorrage­nde Persönlich­keiten, bedeutende Wirtschaft­streibende, aber auch Kommunen huldigten dem jeweiligen Kaiser mit aufwendig gestaltete­n Tafeln.

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