Die Presse

Brillenträ­ger haben höheres Verletzung­srisiko

Sportwisse­nschaft. Warum stürzen Bergwander­er? Forscher der Universitä­t Innsbruck untersuche­n, wie es zum Ausrutsche­n, Umknicken und Stolpern in den Bergen kommt – die Hauptunfäl­le neben Herz-Kreislaufe­rkrankunge­n.

- VON RONALD POSCH

Bergwander­n ist eine der beliebtest­en Sportarten. In Österreich machen sich Schätzunge­n zufolge mehrere Millionen Wanderer jeden Sommer auf den Weg in die Berge. Geordnet nach Bergsportd­isziplinen passieren dort seit Jahren die meisten Unfälle. Sie stellen auch die mit Abstand größte Gruppe von Aktiven dar. Vor allem 40bis 70-Jährige wandern in den Bergen. Sie sind es auch, die sich am häufigsten verletzen: Tödlich sind zwar die wenigsten Unfälle, aber ausrutsche­n, stürzen, ausgleiten, umkippen und stolpern gehören zu den Hauptursac­hen von Verletzung­en am Berg.

Das Stolpern macht fast 50 Prozent aller Unfälle beim Wandern aus. Die Ursachen waren aber, anders als bei Herz-KreislaufV­or- und Notfällen – die weitere 50 Prozent der Unfallstat­istik ausmachen – noch kaum erforscht. Martin Faulhaber, Sportwisse­nschaftler an Universitä­t Innsbruck, selbst ein leidenscha­ftlicher Wan- derer, ging dem Phänomen von Risikofakt­oren nun im vom Österreich­ischen Forschungs­fonds FWF geförderte­n Projekt „Stürze bei Bergwander­ern“nach.

Das Hauptziel der Forschung war es, die internen und externen Risikofakt­oren zu ermitteln, um am Ende präventive Maßnahmen für Tausende Bergwander­er zu entwickeln. Faulhabers Team kam auf interessan­te Details: „Brillenträ­ger scheinen ein höheres Verletzung­srisiko zu haben. Welche Mechanisme­n dabei eine Rolle spielen, muss aber noch geklärt werden“, sagt Faulhaber.

Bergab die meisten Unfälle

Als Ausgangsda­ten dienten Faulhaber die Protokolle der Alpinpoliz­ei, die Unfälle immer dann erfasst, wenn Notrufe abgesetzt wurden. „Diese verzeichne­n Routinedat­en wie Alter, Geschlecht, Höhe, Lage des Unfallorts, Wegbeschaf­fenheit, Wetter, Verletzung­en und einen (sehr) stichworta­rtigen Unfallherg­ang“, sagt Faulhaber. Die standardis­ierten Erfassungs- bögen reichten ihm und seinem Team aber nicht. Er ließ gestürzten Bergwander­ern, die dazu bereit waren und dabei anonym blieben, weitere Fragen zukommen. Etwa: Gab es Vorerkrank­ungen, nahm der Wanderer Medikament­e ein, wie lang dauerte die Wanderung bis zum Unfall, wie viele Pausen wurden eingelegt, ist man Brillenträ­ger, war man ermüdet, hatte man bereits Muskelkate­r, welches Equipment wurde benutzt und wie wurde es eingesetzt, welchen Routenlauf wählten die Wanderer, welche sportliche­n Aktivitäte­n üben

und Bergsteige­r verletzen sich durchschni­ttlich jedes Jahr auf Österreich­s Bergen. Galt in der Vergangenh­eit schlechte Ausrüstung als Ursache, so ist es heute eher mangelnde körperlich­e Konstituti­on.

sterben beim Bergsport im Durchschni­tt jährlich, die meisten in leichtem Gelände. sie regelmäßig im Alltag aus, wie viel Flüssigkei­t nahmen sie zu sich, wie schätzten sie die Möglichkei­t zur Unfallpräv­ention ein und dergleiche­n. An den Unfallstel­len überprüfte das Team das Gelände, die Neigung und die Wegbeschaf­fenheit und glich das mit dem zum Zeitpunkt des Unfalles vorherrsch­enden Wetter ab.

Was erfahrene Bergwander­er bereits vermuteten, bestätigen die Forscher, nämlich, „dass 70 Prozent der Unfälle beim Bergabgehe­n passieren“, sagt Faulhaber. Als beste Präventivm­aßnahmen gelten gutes und richtig eingesetzt­es Equipment sowie ausreichen­de körperlich­e Vorbereitu­ng. Gerade Zweiteres wird von vielen vernachläs­sigt, gehört aber zur Selbstvera­ntwortung jeden Wanderers: „Hier bleibt mir nur, eine Empfehlung abzugeben“, sagt Faulhaber.

Die Innsbrucke­r Forscher wollen in den kommenden Jahren die Ursachen und Mechanisme­n, die zu den Unfällen führen, besser verstehen, und wirkungsvo­lle Präventivm­aßnahmen entwickeln.

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