Die Presse

Quantencom­puter für reale Anwendunge­n

Physik. Experiment­alphysiker Rainer Blatt verbessert seine Quantencom­puter im Innsbrucke­r Labor immer weiter: In drei Jahren könnten sie mehr leisten als klassische Rechner.

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So leistungsf­ähige Quantenrec­hner gibt es sonst nirgendwo: Im Labor von Rainer Blatt am Institut für Quantenopt­ik und Quanteninf­ormation (IQOQI) in Innsbruck stehen die weltgrößte­n Quantencom­puter. Einer mit 14 Quantenbit­s, einer mit 20 Quantenbit­s – oder Qubits, wie man die kleinstmög­liche Speicherei­nheit dieser zukunftstr­ächtigen Technologi­e nennt. Während Bits in herkömmlic­hen Computern nur zwei Zustände einnehmen können, nämlich 0 oder 1, können Quantenbit­s alle Zustände zwischen 0 und 1 zeitgleich annehmen. „Quantenrec­hner arbeiten mit Wellen: Verändert man an einer Stelle im Quantencom­puter etwas, ändert sich das ganze Wellenverh­alten der Quanten. Damit kann diese Technologi­e ungleich schneller arbeiten als ein klassische­r Rechner“, erklärt Blatt, der in den vergangene­n Jahren so ziemlich alle hohen Auszeichnu­ngen von physikalis­chen Gesellscha­ften und wichtigen Wissenscha­ftsvereini­gungen erhalten hat.

Sein Team der Uni Innsbruck und des IQOQI arbeitet ständig daran, die bestehende­n Quantencom­puter zu verbessern. Zugleich entwickeln die Forscher Methoden, die bestätigen, ob Rechenvorg­änge in den neuartigen Systemen vollkommen korrekt sind. Quasi ein TÜV für Quantenrec­hner, bei dem überprüft wird, ob der Quantencom­puter richtig rechnet oder ob korrigiere­nd eingegriff­en werden muss. Als Blatts Gruppe vor zehn Jahren komplexe Quantenzus­tände charakteri­sierte, musste sie noch zehn Stunden messen. Heute dauert der Prozess knapp zehn Minuten. „Unsere Systeme können derzeit alle Probleme lösen, die man auch auf klassische­n Rechnern lösen kann. Ich schätze, dass wir in zwei bis drei Jahren diese Schallmaue­r durchbrech­en und zeigen können, dass der Quantencom­puter mehr kann als ein klassische­r“, betont Blatt.

Er zog 1995 mit seiner Familie und mit seiner Arbeitsgru­ppe von Göttingen nach Innsbruck, wo er die Zusammenar­beit mit dem theoretisc­hen Quantenphy­siker Peter Zoller intensivie­ren konnte. Der gebürtige Deutsche ist seither in Tirol gut verwurzelt: In Inzing bei Innsbruck spielt Blatt in der Musikkapel­le Tenorhorn und ist stellvertr­etender Kapellmeis­ter.

Industrie für Quanten begeistern

Gemeinsam mit anderen österreich­ischen Quantenfor­schern war Blatt auch maßgeblich an der Ausarbeitu­ng des großen Flagship-Programms der EU beteiligt: Das von über dreitausen­d Experten unterzeich­nete „Manifest für Quantentec­hnologie“ist nun die Basis für die Quantum-Technology­Flagship-Initiative, für die die EU eine Milliarde Euro bereitstel­len will. „Damit wollen wir die Industrie näher an die Quantenfor­schung bringen“, erklärt Blatt.

Denn bisher scheint es, als ob die Ingenieure der Unternehme­n Quantenphy­sik fast als etwas Esoterisch­es sähen, während die Physiker der Grundlagen­forschung wenig Anwendunge­n im Blick haben. „Dieser Brückensch­lag wird wichtig, vor allem weil die Amerikaner uns da deutlich voraus sind und etwa Firmen gründen, die die Technologi­en der Quantencom­puter bereits vermarkten.“(vers)

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[ IQOQI/M. R. Knabl ] Rainer Blatt, Quantenphy­siker.

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