„Man sieht genau, was der Markt wirklich hergibt“
Bieterverfahren. Die Nachfrage steigt nicht nur bei großen Deals. Wann es für Private wirklich sinnvoll ist, und welche Vorteile es dann bringt.
Verkaufen!“, raten derzeit viele Immobilienexperten: Die Preise befinden sich österreichweit nach wie vor im Dauerhoch. „Seit der Finanzkrise zu Beginn des Jahrzehnts, als viele Menschen in Immobilien investieren wollten, hat sich der Markt aber beruhigt“, sieht man bei S-Real den Preisplafond erreicht. Gerade die damalige Preisexplosion habe aber dazu geführt, dass viele Besitzer den Wert ihrer Immobilie überschätzen.
Transparent und überschaubar
„Bei überzogenen Preisvorstellungen schlagen wir häufig ein Bieterverfahren vor“, sagt Anton Nenning, Managing Director bei Re/ Max Austria. „So erkennt der Verkäufer, was der Markt wirklich hergibt.“Beim Bieterverfahren wird kein Fix-, sondern ein Mindestpreis angesetzt. Der weitere Vorgang ähnelt einer Versteigerung: Nach einer Besichtigung können alle Interessenten innerhalb einer festgesetzten Frist von meist zwei oder drei Wochen ihre Anbote abgeben. Diese Zeit benötigen die potenziellen Käufer, um ihre Finanzierungsmöglichkeiten abzuklären. In den meisten Fällen gibt es danach eine zweite Runde: Die drei Bestbieter werden vom momentanen Höchstgebot in Kenntnis gesetzt und haben die Möglichkeit, noch draufzulegen. Am Ende entscheidet der Verkäufer, wem er den Zuschlag gibt. Dieser Ablauf ist gesetzlich nicht geregelt, doch hat er sich bei den meisten renommierten Immobilienbüros als Norm herauskristallisiert. Unterschiede gibt es nur im Detail: So können alle Interessenten gleichzeitig zur Besichtigung geladen werden oder Einzeltermine bekommen.
„In Skandinavien oder England ist diese Form üblich, bei uns noch eher die Ausnahme“, beobachtet S-Real-Geschäftsführer Michael Pisecky. Grund: Viele Privatverkäufer kennen das Bieterverfahren nicht oder verwechseln es mit einer Auk- tion. Hierzulande werden derzeit etwa zehn Prozent der Immobiliendeals als Bieterverfahren abgewickelt, Tendenz steigend. „Weil sich der Markt professionalisiert und Bieterverfahren die Professionalität gewährleisten“, begründet Nikolaus Lallitsch von Raiffeisen Immobilien diesen Trend.
„Bei großen Objekten im Investmentbereich gibt es fast keine Veräußerung, die nicht so abläuft“, sagte Pisecky. Er kennt den Markt. „Und wenn der Verkäufer die öffentliche Hand ist, sorgt das Bieterverfahren für Transparenz“, ergänzt Nenning. Privatverkäufe im Bieterverfahren empfehlen sich nicht nur, wenn der Besitzer den Wert der Immobilie überschätzt, sondern „auch wenn der Wert tatsächlich schwer zu bestimmen ist, weil Vergleichs-
Bieterverfahren sollte man nicht in Eigenregie durchführen. Denn sie erfordern nicht nur Fachkenntnis, sondern auch Zeit. Ein Immobilienfachmann hat mehr Ressourcen für die Organisation und außerdem mehr Möglichkeiten, das zum Verkauf stehende Objekt zu bewerben. Je mehr Interessenten, desto höher gewöhnlich der Verkaufserlös. objekte fehlen“, sagt Nenning. „Etwa wenn es sich um kein Standardobjekt handelt, unter Denkmalschutz steht oder sanierungsbedürftig ist. Oder wenn man zum Standort keinen Bezug hat, die lokalen Preisverhältnisse nicht kennt.“
Nichts fürs schnelle Geld
Gefragt ist das Bieterverfahren darüber hinaus, wenn zu erwarten ist, dass es kaum Interessenten gibt. Denn zu den wesentlichen Aufgaben des Maklers gehört es, die zum Verkauf stehende Liegenschaft so gut wie möglich zu bewerben. Je mehr Interessenten, desto höher in der Regel der erzielbare Preis. Neben Einschaltungen in den Medien, die auch ein Privatverkäufer vornehmen kann, schreiben Makler Personen in ihrer Kundenkartei
Kaufinteressenten sind gut beraten, trotz des Jagdfiebers angesichts einer erstrebenswerten Immobilie Besonnenheit zu bewahren, was die eigenen Finanzierungsmöglichkeiten betrifft, und notfalls rechtzeitig einen Rückzieher zu machen. Experten schätzen die Gefahr des SichÜbernehmens größer ein als bei einem herkömmlichen Immobilien-Deal. an, veranlassen Postwürfe vor Ort oder kontaktieren besondere Zielgruppen. Eine Strategie der Makler besteht darin, den Startpreis unter dem vermutlichen Wert anzusiedeln. Damit lockt man Interessenten, „muss aber von Anfang an klarlegen, dass es sich um ein Bieterverfahren handelt, der endgültige Kaufpreis wohl höher liegen wird“, erklärt Lallitsch die Regeln. Das Risiko für den Verkäufer sei trotzdem gering. „Wenn der gewünschte Preis nicht erreicht wird, wäre er auch mit herkömmlicher Verkaufsmethode nicht erzielt worden. Und der Verkäufer hat die Gewissheit, das Bestmögliche versucht zu haben.“Auch der Käufer sei zufrieden, weil er sein Wunschobjekt bekommen hat. Selbst für Nicht-zum-Zug-Gekommene gibt es ein psychologisches Plus: „Sie können nicht klagen, unfair ausgebootet worden zu sein, weil die Immobilie schon vergeben war oder sie nicht die Möglichkeit hatten, einen Rivalen finanziell auszustechen“, so Nenning. Lallitsch lobt die Effizienz: „Auch wenn der eine oder andere Verkäufer seine geliebte Villa zunächst um unter einer Million auf dem Markt sieht: Aufgrund der Dynamik des Verfahrens wechselt sie dann mitunter um 1,7 Millionen den Besitzer.“
Das Bieterverfahren eignet sich grundsätzlich für alle Immobilien. Ausnahme: „Der geregelte Ablauf benötigt mindestens sechs Wochen Zeit. Für Notverkäufe, wenn man in kürzester Zeit Geld braucht, ist das daher nichts“, so Nenning.
Anders als bei einer Auktion ist der Verkäufer nicht verpflichtet, den Bestbieter zum Zug kommen zu lassen. Erscheint ihm das Angebot zu niedrig, kann er vom Verkauf absehen oder einen neuen Anlauf unternehmen. Rechtsgültig wird das Geschäft erst mit dem Kaufvertrag, egal, ob dieser das Ergebnis eines Bieterverfahrens oder eines Direktverkaufs ist.