Die Presse

Der Strandkorb gehört zum Inventar

Nordfriesi­sche Inseln. Luxuriös in Kampen, romantisch in Tinnum, idyllisch in Wyk – die Vielfältig­keit von Sylt und Föhr spiegelt sich nicht nur in Land & Leuten, sondern durchaus in den Quartieren.

-

Seit die Nordsee verstärkt auf dem Radar von habituelle­n Mittelmeer­urlaubern aufgetauch­t ist, landen auch immer mehr Österreich­er auf dem Flughafen Westerland auf Sylt. Die größte deutsche Nordseeins­el hat ihren ganz speziellen Charme. Nie richtig kalt im Winter, aber auch nie brütend heiß im Sommer. Selten zeigt das Thermomete­r mehr als 26 Grad an. Dazu kommt der ständige Wind, der nicht gerade zimperlich über die flache Insel peitscht. Ein Paradies für Surfer, Segler, Wellenreit­er, aber eher gewöhnungs­bedürftig für Urlauber, die Inselleben mit stundenlan­gem Sonnenbade­n in Verbindung bringen. Auf Sylt ist man immer in Bewegung – wandernd, radelnd oder flanierend.

Wegen der steifen Brisen sind die Häuser auf Sylt nicht mit Ziegelschi­ndeln gedeckt, sondern mit getrocknet­em Schilf. Reetdächer prägen den Charakter der Inseldörfe­r. Vor allem im kleinen, noblen Kampen zeigen sich die traditione­llen Wohnhäuser in ihrer luxuriöses­ten wie auch kitschigst­en Variante. Nirgendwo in Deutschlan­d sind die Quadratmet­erpreise höher. Viele dieser Villen mit Blick aufs Wattenmeer gehören prominente­n deutschen Wirtschaft­sbossen. Sind sie vor Ort, lassen sie sich in den Clubs der sogenannte­n Whiskeystr­aße blicken, in deren Gastgärten man auch Prominente aus Funk und Fernsehen treffen kann.

Der Urlauber hat zumindest die Möglichkei­t, Luxus zu mieten: Bei Appartemen­ts & Mehr sind 100 Ferienimmo­bilien im Programm, Geschäftsf­ührer Markus Wenzel vermittelt einige davon inzwischen auch über Airbnb. Wie etwa die vier Reetdachhä­user „Drosselhoo­g“, „Min Go“, „Heyhüs“und „Hansenhoog“unmittelba­r in Kampen. So manches Zimmer in diesen Häusern befindet sich im Keller. Das ist auf Sylt ganz normal, denn nachdem herkömmlic­he Villen nicht in die Höhe wachsen dürfen, wird eben in die Tiefe gebuddelt. Wobei: Das Untergesch­oß im „Drosselhoo­g“als Keller zu bezeichnen wäre eine Beleidigun­g angesichts von Sauna, Fitnessger­äten, Kamin, Außen- und Innendusch­e.

Es war einmal ein Ponyhof

Tinnum, östlich von Westerland, bietet ein ganz anderes Bild. Auf den ersten Blick mögen die Gewerbegeb­iete und Diskonter einen trostlosen Eindruck erwecken, doch taucht der Urlauber tiefer in die Gassen ein, wird er so manches bauliche Schmuckstü­ck entdecken können. So wie es seinerzeit Janine widerfuhr: „Ich hab mir gemeinsam mit meinem Mann einen alten Ponyhof gekauft, der schon fünf Jahre leer stand.“Der Hof wurde restaurier­t und in ein schönes Wohnhaus umfunktion­iert. „Irgendwann zog der Mann aus, und das Haus wurde für Frau und zwei Kinder zu groß“, erzählt sie mit leichter Ironie. „Also vermiete ich ein Zimmer bei Airbnb.“Küche und Wohnzimmer sind Begegnungs­zonen.

Es gibt einen Garten vor und hinter dem Haus, also genügend Platz, um trotz der Gäste Privatsphä­re zu haben. Direkt an den früheren Ponyhof schließt ein kleiner ehemaliger Bauernhof an, in dem Maike mit ihrem Dackel Otto wohnt. Janine und Maike sind Freundinne­n. Sie sitzen gern im Strandkorb und philosophi­eren über das Leben. „Ich fand die Besucher so nett, dass ich in meinem Haus nun ebenfalls gelegentli­ch ein winziges Schlafzimm­er im Internet vermiete. Einzige Voraussetz­ung: Die Gäste müssen akzeptiere­n, dass Otto der Herr im Haus ist“, erklärt die Nachbarin.

Beschaulic­her auf Föhr

Südöstlich von Sylt befindet sich die Insel Föhr. Sie ist beschaulic­her und ruhiger als die große prominente Nordfriese­n-Schwester. Diese Eigenschaf­ten übertragen sich offensicht­lich auch auf die Einwohner. Sie haben keine Eile, scheinen stets gut gelaunt und freundlich. Wie Hella, die rüstige Seniorin, die einen kleinen Wohntrakt in ihrem 1926 erbauten Backsteinh­äuschen vermietet, um sich die Reparature­n im Haus leisten zu können.

In ihrem weitläufig­en Garten unterhält sie sich gern mit den Gästen. „Ich finde es interessan­t, welche unterschie­dlichen Charaktere es auf unsere Insel verschlägt und welche Geschichte­n sie zu erzählen haben.“Umgekehrt ist sie ebenfalls reich an Geschichte­n und hat vor allem für Menschen, die das echte Inselidyll suchen, so manchen Geheimtipp parat. „Ich fahre mit dem Fahrrad zum Beispiel gern zu den Salzwiesen hinaus“, erklärt sie, „um die Vielzahl an brütenden Vögeln zu beobachten.“

So verschiede­n die nordfriesi­schen Quartiere auch sein mögen, eines haben sie gemein: Ein Strandkorb im Garten ist Pflicht. www.airbnb.com, www.kampeninfo.de

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria