Hapag-Lloyd Expedition Cruises plant jedes Jahr neue Routen. Für 2020 hat man das „heftigste Expeditionsprogramm“ever vorbereitet: Es geht erstmals nicht nur in, sondern auch rund um die ganze Arktis.
Weltpremiere.
Hamburg. Hapag-Lloyd Cruises steht für Expeditionskreuzfahrten mit zwei kleinen, komfortablen Hochseeschiffen der höchsten Eisklasse mit geringem Tiefgang, der es erlaubt, auch seichte Küstengebiete wie im kanadischen Eismeer und Flüsse wie den Amazonas zu befahren. Expeditionskreuzfahrten sind Fahrten mit Studienreisecharakter in entlegene Regionen, die Arktis, Antarktis, die Südsee, unbekannte Inseln etwa vor Japan oder den Philippinen, kleine Häfen und abgelegene Ziele, wo die Gäste mit Zodiacs anlanden können. Jedes Jahr sind neue Routen im Programm, die vom Produktteam von Hapag-Lloyd Expedition Cruises erarbeitet werden. Die Planung, das sogenannte Scouting, kann Jahre dauern. Für die Nordostpassage, für die das Schiff 23 Tage braucht, dauerte das Scouting zehn Jahre.
Am Beginn steht eine Idee für eine neue Route. Es folgen nautische Recherchen, das Studium der Seekarten, der Austausch mit den Kapitänen, Lotsen, Behörden und Agenten, wenn möglich vor Ort. Das Team prüft die beste Jahreszeit und die touristischen Gegebenheiten. Ein weiteres Scouting findet vor Ort zum geplanten Reisezeitpunkt statt, um die Wetterbedingungen und die örtlichen Gegebenheiten zu checken. Die neue Route muss sicher und logistisch erfüllbar sein, die Erreichbarkeit zu 100 Prozent gesichert sein, ebenso die Versorgung mit Treibstoff und Proviant.
Wir haben mit der Leiterin des Produktmanagements von HapagLloyd-Cruises Expedition, Isolde Susset, in Hamburg geplaudert.
Die Presse: Sie haben spannende Aufgaben. Wie kommt man zu so einem tollen Job? Isolde Susset: Viel arbeiten. Bei Hapag Lloyd bin ich seit 1988. Ich hab Touristik-Betriebswirtschaft studiert und bin dann während des Studiums und danach sechs Jahre auf verschiedenen Schiffen zur See gefahren. Von Flussschiffen bis zu Expeditionstouren, auf der Hanseatic, auf der Vorvorgängerin der Europa, auf der Arcona, der Astor . . .
Das waren noch klassische Schiffe, keine schwimmenden Städte. Ja, mit schönen Treppenhäusern, viel Messing und dunklem Holz. Heute hat sich optisch alles geändert, unsere Schiffe sind hell, luftig, klein und keine ChromGlas-Paläste mit fünftausend Betten.
Bald kommen ja noch zwei dazu. Im April 2019 die Hanseatic nature und im Oktober 2019 die Hansetic inspiration mit je 230 Betten. Unser Designkonzept ist „inspired by nature“, denn unsere Schiffe bereisen die ganze Welt, fahren ins Eis, in die unberührte Natur. Was die Leute an Land erleben, wird mit an Bord geholt. Was bedeutet Bunkerplatz? Unser Fahrplan führt in extreme Gegenden, die Südsee, PapuaNeuguinea, auf den Amazonas bis Iquitos oder auf eine Halbumrundung der Antarktis. Für solche Touren sind neben der richtigen Jahreszeit die Häfen extrem wichtig, wo wir an einer Pier anlegen können und mit hundertprozentiger Sicherheit Treibstoff bunkern und Proviant aufnehmen können. Wir sind in der Lage, 36 Tage autark unterwegs zu sein. Deswegen können wir auch die Halbumrundung fahren – in 35 Tagen von Uhuaia übers Ross-Schelfeis zur amerikanischen Station Mc Murdo und nach Neuseeland. Gebunkert werden in Ushuaia mehr als 300 Tonnen Marinegasöl. Wie ist die Halbumrundung der Antarktis gebucht? Dank der Erfahrung unserer Kapitäne, der Crews und Scouts, aber auch des Marketings können wir Routen fahren, die sehr gut angenommen werden. Die Expeditionskreuzfahrten sind zu 99 Prozent ausgebucht.
Woraus bestehen die Produktteams, die neue Routen scouten und Fahrpläne erstellen? Die „Port operation“meldet die Häfen an, kümmert sich um Schlepper und Lotsen, um alles rund um den Hafenanlauf, die Genehmigungen, die über unsere Agenten vor Ort abwickelt werden, damit wir etwa in die Antarktis fahren dürfen. Dann gibt es das „Groundhandling“, das Management der An- und Rückreisen, der Transfers und Übernachtungen und zuletzt das Produktmarketing.
Wie wird eine Route recherchiert? Das läuft sehr stark über die Menschen, die bereits in dem neuen Gebiet waren. Auch im Internet erfährt man viel, oder man schreibt Leute an. Aus eigenen Erfahrungen und jenen der anderen fügt sich eine Route zusammen. Zudem sind wir ganz ehrlich zu den Gästen. Wir sagen ihnen: Sie sind die Pioniere, die Entdecker.
Ist das Scouting schon einmal schiefgelaufen? Das beste Scouting nutzt nichts, wenn die Natur nicht mitspielt. Für eine Südseereise haben sich die Scouts für ein Picknick eine schmale, flache Insel ausgesucht. Als die Gäste tags darauf mit den Zodiacs hingefahren sind, war sie weg, nicht mehr da. Weggespült, überschwemmt, abgetragen.
Vor ein paar Jahren plante Hapag-Lloyd eine Tour nach Sibirien und schickte ein Team hin, aber der Markt hat die Fahrt nicht angenommen. So etwas passiert auch. Die Leute erwarten bei einer Expedition viel Natur, Tiere, Pflanzen, Erlebnisse. Viel Natur gibt es ja in Sibirien. Aber sonst? Und für Fahrten etwa die Lena hinauf sind die Schiffe zu groß.
Machen die Behörden manchmal Schwierigkeiten? Immer wieder. Wir waren zum Beispiel in der Tschuktschensee. Eine Woche vorher kam die E-Mail: keine Anlandungen! Dann beginnt man zu streiten, zu diskutieren, oft mit Erfolg, aber manchmal darf man bestimmte Gebiete nicht mehr anlanden. Oder Marineschiffe belegen den reservierten Liegeplatz. Es gibt immer Überraschungen. So hat man uns Bunker für Belem´ am Amazonas versprochen. Aber wir bekamen ihn nicht, wir mussten weiter nach Manaus. Aber das ist auch das Interessante. Sonst könnte man ja auch Hamburg-Hamburg fahren?
Wie lief das Scouting für die Nordostpassage, die die Hanseatic 2014 als einziges nicht russisches Kreuzfahrtschiff befahren hat? Dafür haben wir mit sehr vielen Menschen zusammengearbeitet, mit Lektoren, die bereits mit einem Eisbrecher dort waren, Leuten, die Franz-Josef-Land kennen. Nome in Alaska kannten wir ja selbst. Manche Kapitäne haben aus purem Interesse schon Jahre davor regelmäßig die Eiskarten studiert und das passende Timing für die Route und die Anlandungen überlegt. Vor allem aber ist die Nordostpassage extrem stark vom Genehmigungsverfahren der Russen abhängig.
Das kostet wahrscheinlich . . . Ja, viel. Und man muss richtig gute Kontakte haben. Für die Nordostpassage brauchst du letztlich den Stempel der Number one in Russland – man weiß ja, wer das ist. Wir haben irgendwann einmal die Schriftstücke, Stempel, Gebühren und Formulare gezählt – und kurz vor der Zahl 2000 aufgehört. Der bürokratische Auswand ist immens. Und wenn man schon 1999 Stempel hat, heißt das immer noch nicht, auch den letzten zu bekommen. Fehlt der, dann geht’s nicht. Man fährt ja auch durch russisches Militärgebiet.
Kann die Nordostpassage landschaftlich mit der Nordwestpassage mithalten? Sie ist länger, circa 5550 Seemeilen (10.278 km), und hat Strecken, die nicht ganz so attraktiv sind. Aber es ist immer eine Frage der Definition. Franz-Josef-Land zum Beispiel ist wunderschön, das Eis, die Eisbären, die geologischen Formationen. Aber es gibt auch Anlandungen, bei denen Sie nur Schrott sehen. Allerdings sind das alles historisch bedeutsame Gebiete. Auch die Nordwestpassage kann, wenn das Eis fehlt, in bestimmten Gebieten, vor allem im Westen, nicht so irre attraktiv sein. Davor aber ist sie wunderbar, etwa Gjøa Haven, wo Amundsen zweimal überwintern musste. Beechey Island, wo man die Gräber von drei Teilnehmern an der Franklin-Expedition besuchen kann. Oder die Steilküste mit den Smoking Hills. Ich glaube, wer die NW- oder NO-Passage bucht, dem geht es vor allem um die Geschichte.
Was bedeutet Eisklasse E4? Baltische Eisklasse, die höchste für Passagierschiffe. Mit E4 kann