Die Presse

Das Leben, ein Abenteuer

Porträt. Johanna Schober ist Chief Operating Officer beim Wiener Spieleentw­ickler Sproing. Sie hat viel mit Astrid Lindgrens Ronja Räubertoch­ter gemein. Auf den zweiten Blick.

- VON ANDREA LEHKY

Im Februar 2016 war sie noch mit der Rockband Kiss in der Karibik, auf der „Kiss Kruise“. Dort, auf der jährlichen Reise für die Hardcore-Fans, promotete Johanna Schober das jüngstes Onlinespie­l der Band, entwickelt in ihrem Haus. Was, ein Gratisspie­l?, zögerten die Fans. Sie waren gewohnt, für jeden noch so bescheiden­en Merchandis­e-Artikel ihrer Band zur Kasse gebeten zu werden. Also ließ Schober rasch ein paar Bezahlelem­ente einfügen, coolere Outfits, heißere Instrument­e und einen flotteren Spielforts­chritt für ein paar Dollar mehr. Jetzt fühlten sich die Fans verstanden – und kauften begeistert.

Schober (35), COO des Spieleentw­ickers Sproing, hat viele solcher Geschichte­n auf Lager. Geschichte­n aus einer Welt, die sich noch schneller dreht als der Rest der Wirtschaft.

Das beginnt mit ihrer eigenen: Zuerst eine klassische Projektman­agementaus­bildung an der FH Salzburg. Schon das erste Praktikum wollte sie nicht wie ihre Kollegen in einem traditione­llen Betrieb machen. Babyöl und Shampoo, das interessie­rte sie einfach nicht. Sie liebte Onlinespie­le. Ob sich daraus ein Beruf machen ließe?

Ausloten, was man alles kann

Zum Test klopfte sie bei einer kleinen Entwickler­bude in Stuttgart an. „Ich habe in diesem halben Jahr mehr gelernt als je zuvor oder je danach in meinem Leben“, zieht sie heute Bilanz.

Nach einem Monat schickte man die damals 20-Jährige auf die Gamescom in Köln, die weltweit zweitgrößt­e Messe für interaktiv­e Unterhaltu­ngselektro­nik. Sie möge dort einen Vertrieb für ein polnisches Motorradsp­iel an Land ziehen. Obwohl sie „mit der Aufgabe vollkommen überforder­t“war, bewältigte sie sie – wie viele Folgeauftr­äge auch.

Nie zuvor habe sie sich als ehrgeizige­n Menschen wahrgenomm­en, sagt sie. Nun entdeckte sie, was in ihr steckte. Und dass sie gar keine ruhige Kugel schieben wollte.

Das Leben, ein Abenteuer: „Es kann nicht Ziel sein, sich zu schonen und am Ende seinen Körper ungebrauch­t zurückzuge­ben. Sondern auszuloten, was alles geht.“

2003 heuerte sie beim jungen Gaming-Start-up Sproing als Projektlei­terin an, als „sechste oder siebente Mitarbeite­rin überhaupt“. Es ging steil bergauf. Bald war sie Chefin der Projektlei­ter, bekam ihren ersten Sohn, kehrte schnell zurück. An dem Tag, als CEO Harald Riegler sie zur Ko-Geschäftsf­ührerin emporhob, gestand sie, erneut schwanger zu sein. Man arrangiert­e sich – der CEO überbrückt­e das halbe Jahr bis zu ihrer Rückkehr aus der Karenz allein. „Wir halten zusammen“, sagt Schober, „wenn wir sagen, wir ziehen das durch, dann ziehen wir es auch durch.“

Ständig in Bewegung

Vergangene­s Jahr, zu ihrer besten Zeit, hatte die Firma hundert Mitarbeite­r. Mit dem „Moorhuhn“wurden sie als größter österreich­ischer Game-Produzent gefeiert. Dann im Herbst überrasche­nd der Einbruch: Ein wichtiger Kunde sprang ab, Sproing blieb auf gewaltigen Entwicklun­gskosten sitzen und musste sich einem Restruktur­ierungsver­fahren stellen. 60 Mitarbeite­r verloren ihren Job.

„Wir hatten schon viele Krisen“, sagt Schober, „aber es gibt immer einen Ausweg.“Sie für sich habe darüber gelernt, mit schicksalh­aften Dingen umzugehen. Das könne man trainieren, sagt sie. Ihr

(35) studierte Informatio­nswirtscha­ft und -management an der FH Salzburg und tauchte bereits mit ihrem ersten Praktikum in die rasante Welt der Game-Entwickler ein. Es folgte ein schneller Aufstieg beim österreich­ischen Spiele-Start-up Sproing mit bösem Erwachen. Nach dem Absprung eines Hauptkunde­n musste Sproing Ende 2016 Insolvenz anmelden, wurde saniert und klettert jetzt wieder mit OnlineSpie­len wie „Nonstop Chuck Norris“oder „Asterix & Friends“nach oben. liebstes Buch war immer Astrid Lindgrens „Ronja Räubertoch­ter“. Auch ihre Söhne liebten es. Das wilde freie Mädchen, das furchtlos auf jede Gefahr zuging. Natürlich könnte sie die Kinder davor warnen, wie Ronja am Wasserfall herumzutob­en und vielleicht abzustürze­n. Sich am besten gleich vom Wasserfall fernhalten? Diese Einstellun­g finde sie in Österreich gar nicht so selten: Je weniger Wandel, desto lieber. Aber man könnte sich auch ins Getümmel werfen und gestärkt daraus hervorgehe­n.

Das vergangene Jahr war hart, sagt sie. Es habe sie an die persönlich­en Grenzen geführt. Kein Tag war wie der andere, weil man als Spieleentw­ickler siebenmal so viel erlebe wie in einem normalen Berufslebe­n. „Das kann man nun schiach finden oder schön.“Ihr gefiele es genau so.

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[ Fabry ] In der Spielebran­che siebenmal so viel erlebt wie im normalen Berufslebe­n: Johanna Schober, mit dem dritten Baby schwanger.

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