Leviathan sucht Geschäftsideen
E-Government. Verwaltung, das klingt nach Akten, Papierbergen und Ärmelschonern. Stimmt nicht, der öffentliche Bereich ist so digital wie jede andere Betrieb. Nur spricht er wenig darüber.
Niemand vermisst sie: die Volkszähler, die jahrzehntelang an unsere Türen klopften und Menschen zählten. Ohne großes Aufsehen wurden sie abgeschafft, ersetzt durch das Zusammenführen mehrerer Register (um deren Akkuranz Österreich international beneidet wird): Personenstandsregister, Melderegister, Führerscheinregister und Finanz Online, um nur einige zu nennen. Eine klassische Datenanalysenanwendung, lautlos und unbemerkt.
Der Staat ist heute so digital wie jeder andere Betrieb. Dass er einen Ablauf nach dem anderen von Papier auf Elektronik umstellte, bemerkt der Bürger vielleicht noch (selbst wenn er sich fragt, warum Finanzämter noch immer lieber Briefe als E-Mails bekommen). Vielleicht fällt ihm auch auf, dass heute niemand mehr Familienbeihilfe beantragen muss, weil Standesamt und Finanzamt antragslos ihre Daten austauschen.
Nur mehr wenige wissen, dass das Bundesbudget mit SAP erstellt und vollzogen wird. Dabei kämpft der Staat mehr als normale Betriebe mit Systemen, die nicht so richtig miteinander reden wollen. „Schwierige Interoperabilitätsvoraussetzungen“heißt das dann. Es wird daran gearbeitet.
Und dann gibt es noch die systemimmanenten Spezialfragen. Wie die nach der Transparenz: Wie nachvollziehbar sollen staatliche Algorithmen sein? Soll jedermann sie verstehen können (so wie das Zustandekommen eines Wikipedia-Eintrags für jedermann nachvollziehbar ist)? Oder sollen nur wenige Eingeweihte durchblicken dürfen? Welche Folgen hat es, wenn irgendwann nur mehr Mathematiker in der Lage sind, diese Algorithmen zu dechiffrieren?
Was direkt zum nächsten Problemfeld führt: Menschen mögen es nicht, von Algorithmen gesteu- ert zu werden. Der digitale Leviathan ist nicht eben beliebt.
Achtung, Geschäftschancen
Noch einmal Wikipedia, diesmal als Beispiel für die Öffnung einer Personengruppe nach außen, um zusammen mit dem Rest der Welt das größte Lexikon aller Zeiten zu erstellen. Nicht dass es Staat und Stadt Wikipedia gleichtun wollen, aber man denkt über Öffnung und über neue Kollaborationsformen nach. So sammelt man wechselhafte Erfahrungen mit Bürgerbeteiligungen, etwa bei Bauprojekten (Stichworte Mariahilfer Straße und Heumarkt), veranstaltet Hackathons auf der Suche nach Innova- tionen oder stellt Fragen ins Netz und sammelt die Ideen ein.
Die Zukunft könnte Servicekooperationen zwischen Staat und findigen Wirtschaftspartnern gehören. Am Beispiel eines gewöhnlichen Umzugs: Ein Dienstleister nimmt dem Bürger die Ummeldung bei Meldeamt, Kfz-Stelle, Versicherung und Bank ab und bekommt dazu die entsprechenden Schnittstellen zugeteilt.
Digitaler Steuerberater
Oder, noch staatsnäher, ein „digitaler Steuerberater“könnte berufsbezogene Einnahmen und Ausgaben direkt vom Konto an das Finanzamt melden und nach Jahresende vollautomatisch die Steuererklärung legen. In der Gastronomie heißt die Vorstufe dazu Registrierkasse und das Konzept wird in anderen Branchen vorerst wohl auf ebenso viel Gegenliebe stoßen.
Eine Geschäftsidee für ITDienstleister ist es allemal. Es gibt genug Potenzial für Intermediäre, die digitale Prozesse zwischen Staat und Bürgern entwickeln, durchführen und überwachen. Aufzuhalten ist das ohnehin nicht.
Ideengeber für diesen Artikel, leitet an der Donau-Universität Krems das Department E-Governance in Wirtschaft und Verwaltung. Am 16. September diskutiert er ebendort am Alumni-Tag über „Big Data – Hoffnung und Herausforderung“. www.donau.uni.ac.at