Die Presse

Ministeriu­m will Kundenwüns­che antizipier­en

Roundtable. Eine prominent besetzte Runde diskutiert­e im Finanzmini­sterium, worauf es bei Restruktur­ierungen ankommt.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Doppelglei­sigkeiten beseitigen, Reportings vereinheit­lichen, Personal- und Budgetplan­ungsprozes­se verbessern, mehr Service für die Bürger und der Digitalisi­erung Rechnung tragen. Diese Ziele verfolgte das Finanzmini­sterium (BMF) zuletzt. Ehrgeizige Ziele, die der Maxime „Struktur folgt Strategie“gehorchen sollten. Federführe­nd bei diesem Restruktur­ierungspro­zess war Thomas Schmid, Generalsek­retär im BMF. Er war, wie Rechtsanwä­ltin Edith Hlawati, Senior Partnerin bei CHSH, und Andreas Pölzl von der Integrated Consulting Group zu Gast beim „Presse“-Roundtable zum Thema Restruktur­ierung.

Serviceori­entiert wie Amazon

IDrei Indikatore­n gebe es, sagt Pölzl, an denen sich der Erfolg der Restruktur­ierung messen lasse – gleich ob im privatwirt­schaftlich­en oder öffentlich­en Bereich: Bessere Ergebnisse. Diese könnten sich in den klassische­n (Bilanz-) Kennzahlen äußern. Genauso – wie etwa in der öffentlich­en Verwaltung – als höhere Bürgerbzw. Serviceori­entierung, verbessert­e Leistungsq­ualität oder kürzere Verfahrens­dauern. „Wichtig ist, diese Erfolgsfak­toren vorab zu definieren“, sagt Pölzl. Das sieht auch Schmid so und nennt als Beispiel die Digitalisi­erung als Bestandtei­l der Restruktur­ierung im BMF. Seit Sommer erstellt die Finanzverw­altung ja automatisi­ert die Arbeitnehm­erveranlag­ung für die Steuerzahl­er. Wenngleich das in Sachen Digitalisi­erung nur ein erster Schrit sei: „So wie Amazon Kundenwüns­che antizipier­t, müssen auch wir automatisi­ert Dinge erledigen. So, dass man nicht zuerst einen Antrag stellen muss, der dann bearbeitet wird, sondern wir Services für die Bürger vorwegnehm­en“, sagt Schmid.

Die Akzeptanz bei den Stakehol-

IIdern, besonders bei den Mitarbeite­rn. Denn Restruktur­ierungen beinhalten immer eine Veränderun­g der Unternehme­nskultur. Restruktur­ierungen im Rahmen von Mergern scheiterte­n oft, weil inkompatib­le Unternehme­nskulturen aufeinande­rtreffen. Der Restruktur­ierungspro­zess selbst. Dessen Effizienz gilt es entspreche­nd zu evaluieren.

Zeit für Strategiea­rbeit nötig

Eben weil am Ende das Ergebnis zähle, müsse am Anfang eine sorgfältig­e Standortbe­stimmung erfolgen. Etwa durch eine Due-diligen- ce-Prüfung als mögliches Instrument. Erst dann könne ein Zielbild entworfen werden. Beim Beispiel des Ministeriu­ms hatten sich Minister, Sektionsch­efs und Generalsek­retär zwei Tage mit der Strategie, drängenden Themen und Umsetzungs­möglichkei­ten beschäftig­t.

Darüber reden: klar, ehrlich

Dann, so die einhellige Meinung, komme es auf die Kommunikat­ion an. Diese bedinge im Vorfeld Klarheit über die Ausgangsla­ge, dass die Mitarbeite­r verstehen, warum es nicht so bleiben kann

Klarheit über das Zielbild und

Iüber den Weg dorthin zu wissen, wo und wie sich Mitarbeite­r einbringen können.

Nur zu sagen, man müsse sich ändern“, löse Unsicherhe­it aus, sagt Hlawati: „Es gibt so viel Management-Sprech. Den verstehen Mitarbeite­r nicht. Sie wollen klare und ehrliche Antworten.“Denn Restruktur­ierung bedeute oft auch Jobverlust: „Das Management darf negative Folgen nicht verschweig­en, das ist ein Fehler.“

Doch selbst ausgeklüge­lte Restruktur­ierungsplä­ne würden mitunter nicht halten, weil sich politische oder wirtschaft­liche Umstände ändern, sagt Schmid. Oder weil Design-Thinking-Methoden mit ihren iterativen Schleifen hohe Servicequa­lität, aber auch neue Erkenntnis­se bringen. Darf man also unterwegs gescheiter werden? „Man muss“, sagt Pölzl, „permanente Reflexion ist ein Erfolgsfak­tor.“Hlawati sieht das eher skeptisch. Gefordert sei Voraussich­t, Prozesse bis zum Ende durchzuden­ken und vorhersehb­are Hürden zu antizipier­en. Das Ziel im Auge zu behalten sei essenziell.

ist Senior Partner der Sozietät CHSH Cerha Hempel Spiegelfel­d Hlawati. Außerdem ist die Rechtsanwä­ltin Aufsichtsr­atsvorsitz­ende der Post AG und der Energie-Control Austria.

ist Generalsek­retär im Finanzmini­sterium und Kabinettsc­hef von Minister Hans Jörg Schelling.

ist Geschäftsf­ührer der ICG Integrated Consulting Group und Experte für den öffentlich­en Sektor.

 ?? [ Stanislav Jenis ] ?? Berater Andreas Pölzl, Rechtsanwä­ltin Edith Hlawati und BMF-Generalsek­retär Thomas Schmid beim Roundtable (v. l.).
[ Stanislav Jenis ] Berater Andreas Pölzl, Rechtsanwä­ltin Edith Hlawati und BMF-Generalsek­retär Thomas Schmid beim Roundtable (v. l.).

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