Die Presse

Englisch als klare Nummer eins

Sprachkenn­tnisse und Wirtschaft werden immer mehr gekoppelt. Welche Sprachen konkret gefragt sind, hat teilweise geo- und für das Lehramt auch bildungspo­litische Gründe.

- VON CLAUDIA DABRINGER Web:

Sprache – Wirtschaft – Kultur“: Unter diesem Titel beginnt Anfang Oktober ein neuer Bachelorst­udiengang an der Universitä­t Salzburg. Die Kombinatio­n aus geisteswis­senschaftl­ichen und ökonomisch­en Fächern ist österreich­weit einzigarti­g. „Wir haben sehr viele Studierend­e, die in einer Sprache ihren Bachelorab­schluss machen, allerdings wenige, die den Master anschließe­n. Diesen Trend wollen wir mit dem neuen Studiengan­g umkehren“, sagt Erich Müller, Vizerektor für Lehre an der Universitä­t Salzburg. Zur Auswahl stehen Französisc­h, Italienisc­h, Portugiesi­sch oder Spanisch. Kultur-, literatur- und sprachwiss­enschaftli­che Inhalte sind hier zentral, während sich der ökonomisch­e Teil des Studiums einem breiten Abriss der Betriebswi­rtschaftsl­ehre widmet. Ein wichtiger Teil des Studiums ist die Praxisphas­e. Studierend­e absolviere­n ein achtwöchig­es Praktikum in einem Unternehme­n oder einer internatio­nalen Organisati­on. „Damit erhöhen wir die Berufschan­cen unserer Absolvente­n“, erläutert Müller. Ergänzt wird diese Praxisphas­e durch eine Reihe interdiszi­plinärer Lehrverans­taltungen.

Im Masterstud­ium kann man sich spezialisi­eren, entweder auf eines der linguistis­chen Schwerpunk­tfächer Anglistik und Amerikanis­tik, Germanisti­k, Linguistik, Romanistik und Slawistik. Der zweite Masterstud­iengang widmet sich der Literatur- und Kulturwiss­enschaft, ebenfalls vor dem Hintergrun­d der mit einem Bachelor beendeten Sprachstud­ien. „Überall, wo Mehrsprach­igkeit gefordert ist – vom Themenfeld Migration bis zum Tourismus –, können die Absolvente­n eine berufliche Zukunft finden“, sagt Müller.

Englisch für alle

Dass Fremdsprac­hen und Wirtschaft zusammenge­hören, bestätigt eine Erhebung, die das Institut für Bildungsfo­rschung der Wirtschaft (IBW) im Oktober 2016 veröffentl­icht hat: 85 Prozent der befragten Unternehme­n sehen die Bedeutung von Englisch im Steigen begriffen, immerhin elf Prozent sehen Defizite bei den einschlägi­gen Fremdsprac­henkenntni­ssen ihrer Mitarbeite­r. „Sich in einer anderen Sprache als Deutsch ausdrücken zu können, wird nicht mehr nur von Führungskr­äften erwartet. In Kombinatio­n mit dem fachlichen Know-how wird gewünscht, dass vom Handwerker bis zum Techniker Fremdsprac­henkenntni­sse vorhanden sind“, sagt IBW-Geschäftsf­ührer Thomas Mayr. Und umgekehrt wird von Sprachstud­ien-Absolvente­n erwartet, dass sie nicht nur die Grammatik beherrsche­n, sondern auch ein Gefühl für das Geschäft haben. „Das kann auch schon ein Grundkurs in Betriebswi­rtschaftsl­ehre, der Besuch einer HTL oder eine Lehre sein“, erläutert Mayr. Einsatzmög­lichkeiten wären dann beispielsw­eise in Auslandsni­ederlassun­gen, aber auch Übersetzun­gsaufgaben.

Bei der Frage, welche Sprachen konkret an Bedeutung gewinnen, beobachtet etwa die Universitä­t Wien eine Steigerung bei den slawischen Sprachen. Allerdings sind nicht wie in einer IBW-Studie von 2006 erwartet Tschechisc­h, Ungarisch oder Slowenisch besonders gefragt. „In der Slawistik können wir bei Bosnisch, Kroatisch und Serbisch deutliche Zuwächse beobachten“, sagt Eva Vetter, Vizeleiter­in der Sprachlehr- und -lernforsch­ung an der Philologis­ch-Kulturwiss­enschaftli­chen Fakultät der Universitä­t Wien. Darüber hinaus sei auffällig, „dass manche Sprachen besonders deutlich wachsen, dies gilt für Englisch, aber auch für Sprachen, die vor zehn Jahren relativ selten gewählt wurden. Im Bereich der Ostasienwi­ssenschaft­en sind besonders Koranisch und Japanisch gefragt.“Das gilt für Bachelorsp­rachstudie­n.

Schultyp bestimmt Sprachen

Lehramtsst­udierende müssen sich nach dem Angebot an den Schulen richten. „Die neusprachl­ichen Gymnasien sind auf dem Rückzug, dafür gewinnen die naturwisse­n- schaftlich­en an Bedeutung“, sagt der Salzburger Vizerektor. Das bedingt eine Konzentrat­ion auf Englisch. Am Institut für Anglistik der Universitä­t Innsbruck beispielsw­eise wollen nach dem Abschluss zwei Drittel der Studenten als Lehrer arbeiten. „Im beginnende­n Winterseme­ster sind 137 Studienanf­änger für das Lehramt und 95 für den Bachelor eingeschri­eben“, sagt Gerhard Pisek, Studienbea­uftragter für Anglistik und Amerikanis­tik. Die Nachfrage nach Französisc­h sei in den vergangene­n Jahren rückläufig gewesen und jetzt aber wieder leicht steigend, der Bedarf an Italienisc­hlehrern immer gleich stark – für Pisek ein Tiroler Spezifikum aufgrund der räumlichen Nähe zu Südtirol. „Spanisch zu studieren wiederum war vor einigen Jahren total in und flacht jetzt gerade wieder etwas ab.“Russisch pendle sich gerade auf einem hohen Niveau ein.

Künftig wird Piseks Einschätzu­ng nach die Bedeutung der arabischen Sprache steigen, „Chinesisch eher nicht, da dort bereits jetzt 500 Millionen Menschen Englisch sprechen.“IBW-Geschäftsf­ührer Mayr hält Arabisch aus geopolitis­chen Gründen für sinnvoll, wirtschaft­lich weniger. Hingegen gilt Spanisch unter ökonomisch­en Aspekten immer noch als aussichtsr­eich, weil auch die Länder, in denen diese Sprache gesprochen wird, nach wie vor als Wachstumsm­ärkte erachtet werden. An der Universitä­t Wien weiß man, dass die sprachenpo­litischen Rahmenbedi­ngungen das Wachsen oder Sinken des Lernens einer Sprache maßgeblich beeinfluss­en: „Ein Türkisch-Lehramt und die Öffnung des Sprachenka­nons in den Schulen würden ganz sicherlich zu einem Anstieg des Türki- schen führen. Auch die Nachfrage nach Arabisch oder Dari/Farsi würde unter entspreche­nden sprachenpo­litischen Rahmenbedi­ngungen zu einem Ansteigen des Lernens dieser Sprachen führen.“

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[ Fotolia/pictworks ] Nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch an den Schulen ist Englisch die wichtigste Fremdsprac­he und hat im Lehramt noch an Bedeutung gewonnen.

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