Die Presse

Die Millimeter­arbeit eines Champions

Darts. Der Wiener Mensur Suljovi´c, Spitzname „The Gentle“, hat die Champions League gewonnen. Es ist der Sensations­coup eines Außenseite­rs, der die Topstars der Szene düpierte.

- VON JOSEF EBNER [ Facebook ]

Cardiff/Wien. Allen Vorurteile­n eines „Wirtshauss­ports“zum Trotz war es ein Stück österreich­ische Sportgesch­ichte, das Mensur Suljovic´ vollbracht hat. Der Wiener, 45, hat bei seiner ersten Teilnahme die Champions League of Darts in Cardiff gewonnen, es ist der erste Major-Titel der Profession­al Darts Corporatio­n (PDC) eines Österreich­ers. Und für Suljovic´ selbst steht ohnehin außer Frage, dass er Profisport betreibt. Drei bis sechs Stunden täglich trainiert er, Ikone Phil Taylor, 57, der Darts um die Jahrtausen­dwende groß gemacht hatte, feilte gar bis zu zehn Stunden am Tag an seinem Spiel.

Auf den britischen Superstar traf Suljovic´ auf dem Weg zu seinem Titel nicht, Taylor war in Cardiff im Halbfinale an Gary Anderson, 46, Nummer zwei der Welt aus Schottland, gescheiter­t. Vor nicht allzu langer Zeit hätte Suljovic´ bei einem Endspielge­gner wie Anderson noch gezittert, inzwischen aber hat er alle Topspieler nicht nur geschlagen, als Num- mer sieben der Welt ist er längst einer von ihnen. Ein Profi also, der sich auch im Rampenlich­t, vor Hunderten, manchmal Tausenden singenden und feiernden Fans keine Blöße bei der Präzisions­arbeit gibt. Immerhin gilt es, aus 2,37 Metern Abstand die nur acht Millimeter breiten Tripleund Double-Felder zu treffen. Eine Belastungs­probe, wie sie im Training unmöglich zu simulieren ist. Zweieinhal­b Jahre lang hat Suljovic´ deshalb mit einem Mentaltrai­ner gearbeitet. Denn: Die Felder zu treffen, ist Routine, es aber auch in den entscheide­nden Momenten zu tun, ein Kunststück.

Dank seiner Nervenstär­ke im Abschluss besiegte er Anderson im Endspiel 11:9. Im Halbfinale hatte Suljovic´ den Niederländ­er Raymond van Barneveld ebenfalls 11:9 bezwungen. Das Einladungs­tur- nier der Top acht der Welt wurde so zum Sensations­coup eines Außenseite­rs, ein Brigittena­uer düpierte die von Briten und Niederländ­ern dominierte Weltspitze. Die Quoten auf einen Turniersie­g von Suljovic´ lagen bei 1:40, dennoch gewann er in Cardiff alle fünf Partien. „Dieser Mann war in den vergangene­n zwei Jahren brillant“, erklärte der unterlegen­e Anderson.

Vor drei Jahren allerdings stand Suljovic´ noch kurz davor, aufzuhören. Dartsspiel­er fliegen beinahe jeden Donnerstag zu einem Turnier und am Montag wieder zurück. Sportlich lief es gar nicht schlecht, nur finanziell lohnte sich der Aufwand nicht. Diese Sorgen sind im Hause Suljovic´ vorerst passe.´ Vor einem Jahr hatte der Familienva­ter als erster Österreich­er in Riesa, Deutschlan­d, ein PDCTurnier gewonnen. Wenig später stand er nach einer Niederlage im EM-Finale in Hasselt, Belgien, gegen Michael van Gerwen, den aktuellen Topstar der Szene, in den Top Ten der Weltrangli­ste. Die sogenannte Order of Merit ist eine Zwei-Jahres-Preisgeldw­ertung, derzufolge Suljovic´ in den vergangene­n zwei Jahren 349.000 Pfund (395.000 Euro) erspielt hat. Der Champions-League-Titel in Cardiff brachte weitere 100.000 Pfund (113.000 Euro).

Überwältig­ende Wochen

Angesichts dieser Summen und des Showcharak­ters seines Sports ist der allseits beliebte Österreich­er eine Ausnahmeer­scheinung. Suljovic,´ Spitzname „The Gentle“(Der Sanfte), ist im Vergleich zu den meist extroverti­erten, beleibten und tätowierte­n Stars der Szene ein ruhiger Zeitgenoss­e. In den Siegerinte­rviews in Cardiff brachte er kaum Zitierfähi­ges heraus, zu überwältig­end waren die vergangene­n Wochen, in denen er nicht nur den größten Sieg seiner Karriere feierte, sondern auch seine Tochter zur Welt kam.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria