Der linksbürgerliche Grüne
Porträt. Kann ein grüner Rechtsanwalt, spezialisiert auf Asyl- und Fremdenrecht, bürgerliche Wähler ansprechen? Georg Bürstmayr, Platz sechs der Bundesliste, versucht es jedenfalls einmal.
Georg Bürstmayr ist schwer zu fassen. Ein Anwalt eben. Spezialisiert auf Asyl- und Fremdenrecht. Schon bisher war der Menschenrechtsanwalt eine wichtige Stimme der Grünen in diesem Bereich, nun kandidiert er auf Platz sechs für den Nationalrat.
Man könnte ihn – aufgrund seiner bisherigen Haltungen und Aussagen – als Gegenpol zu Peter Pilz beim Komplex Migration und Asyl bezeichnen. Während Pilz in dieser Frage immer mehr zum Realo wurde, hielt Bürstmayr am grünen Refugees-welcome-Dogma unbeirrt festhielt.
Waren die Grünen hier nicht zu naiv? „Nicht naiv, wir geben nur die Hoffnung nicht auf.“Wie gesagt: Bürstmayr ist schwer zu fassen. Gerade er als Anwalt, sagt er, habe immer strikt zwischen Flüchtlingen, die einen Asylgrund haben, und sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen unterschieden. Asyl müsse selbstverständlich eine Ausnahme bleiben und dürfe nicht die Regel werden.
Aber wie verträgt sich das mit seiner Forderung nach einem Abschiebestopp nach Afghanistan? Ganz grundsätzlich, sagt Bürstmayr, sollten Menschen nicht abgeschoben werden, wenn ihnen unmenschliche Behandlung drohe. Und ist das so in Afghanistan? Das würden Experten gerade klären, sagt er. In Kabul würde jedenfalls die Einwohnerzahl explodieren, und die zurückgeschickten Menschen müssten dann in Zelten und Slums hausen.
Überhaupt würden die Falschen abgeschoben: jene, die sich bestens in ländliche Gemeinden integriert hätten. Und nicht jene, mit deren Herkunftsländern es keine Rückführungsabkommen gebe. Prinzipiell, hält der Anwalt aber fest, seien Abschiebungen natürlich Teil eines funktionierenden Asylwesens. Ein typischer Bürstmayr: Er argumentiert stets vom Fundament des Rechtsstaats aus. Er interpretiert ihn nur nach seinen idealistischen Vorstellungen.
Bei seiner Präsentation als Nationalratskandidat wurde Bürstmayr als grünes Angebot für bürgerliche Wähler vorgestellt. Anzunehmen, dass gerade dieses Mal wohl nur ein geringerer Teil davon das Angebot auch annehmen wird. „Bürgerliche Wähler, die von Sebastian Kurz enttäuscht sind“, präzisiert Bürstmayr daher auch.
Er selbst kommt aus bürgerlichem Umfeld. Aufgewachsen in Maria Enzersdorf, geprägt durch die örtliche Pfarrgemeinde. In sei- ner Familie sei ÖVP gewählt worden, erinnert er sich. „Über Hausbesetzer habe ich mich damals ganz fürchterlich aufgeregt.“Heute übe er mit dem Beruf des Anwalts einen bürgerlichen Beruf par excellence aus. Allerdings: Maßgebliche Anführer der Linken während der Französischen Revolution waren auch bürgerliche Anwälte. „1848 war es bei uns ja auch so“, ergänzt Bürstmayr schmunzelnd.
Er fand dann jedenfalls über seine Pfarre zur Friedensbewegung der 80er-Jahre. Und von dort fand er wiederum zu den Grünen. „Ich war, wenn Sie so wollen, damals Berufsdemonstrant.“Nach dem Jus-Studium begann er als Konzipient in der Anwaltskanzlei von Thomas Prader. Dessen Spezialgebiet: Asyl- und Fremdenrecht. „Das hat mich sehr beeindruckt“, sagt Bürstmayr. Vor 1989 habe es in diesem Bereich nur 15 Paragrafen gegeben – „mehr wurde nicht gebraucht“. In den Jahren danach wurde die Materie zum großen Thema. „Dass das ein Vierteljahrhundert später immer noch so ist, wundert mich aber schon“, sagt der dreifache Vater.
Und was hält er nun von Peter Pilz? „Peter Pilz ist Peter Pilz.“Er, Bürstmayr, habe bei Asyl und Migration eine differenziertere, rechtlich geprägte Sicht. Auch die Zunahme der muslimischen Bevölkerung mache ihm keine Sorgen. In zehn bis 20 Jahren werde wie jetzt schon bei den Christen eine Säkularisierung einsetzen. Auf den Einwand, dass derzeit das Gegenteil der Fall sei, was nicht zuletzt die Zunahme der Kopftücher im öffentlichen Raum zeige, meint der grüne Kandidat: Er könne nicht beurteilen, ob die Zahl gestiegen sei. Jedenfalls sei die Aufmerksamkeit dafür gestiegen.