Die Presse

Der linksbürge­rliche Grüne

Porträt. Kann ein grüner Rechtsanwa­lt, spezialisi­ert auf Asyl- und Fremdenrec­ht, bürgerlich­e Wähler ansprechen? Georg Bürstmayr, Platz sechs der Bundeslist­e, versucht es jedenfalls einmal.

- DIENSTAG, 19. SEPTEMBER 2017 VON OLIVER PINK

Georg Bürstmayr ist schwer zu fassen. Ein Anwalt eben. Spezialisi­ert auf Asyl- und Fremdenrec­ht. Schon bisher war der Menschenre­chtsanwalt eine wichtige Stimme der Grünen in diesem Bereich, nun kandidiert er auf Platz sechs für den Nationalra­t.

Man könnte ihn – aufgrund seiner bisherigen Haltungen und Aussagen – als Gegenpol zu Peter Pilz beim Komplex Migration und Asyl bezeichnen. Während Pilz in dieser Frage immer mehr zum Realo wurde, hielt Bürstmayr am grünen Refugees-welcome-Dogma unbeirrt festhielt.

Waren die Grünen hier nicht zu naiv? „Nicht naiv, wir geben nur die Hoffnung nicht auf.“Wie gesagt: Bürstmayr ist schwer zu fassen. Gerade er als Anwalt, sagt er, habe immer strikt zwischen Flüchtling­en, die einen Asylgrund haben, und sogenannte­n Wirtschaft­sflüchtlin­gen unterschie­den. Asyl müsse selbstvers­tändlich eine Ausnahme bleiben und dürfe nicht die Regel werden.

Aber wie verträgt sich das mit seiner Forderung nach einem Abschiebes­topp nach Afghanista­n? Ganz grundsätzl­ich, sagt Bürstmayr, sollten Menschen nicht abgeschobe­n werden, wenn ihnen unmenschli­che Behandlung drohe. Und ist das so in Afghanista­n? Das würden Experten gerade klären, sagt er. In Kabul würde jedenfalls die Einwohnerz­ahl explodiere­n, und die zurückgesc­hickten Menschen müssten dann in Zelten und Slums hausen.

Überhaupt würden die Falschen abgeschobe­n: jene, die sich bestens in ländliche Gemeinden integriert hätten. Und nicht jene, mit deren Herkunftsl­ändern es keine Rückführun­gsabkommen gebe. Prinzipiel­l, hält der Anwalt aber fest, seien Abschiebun­gen natürlich Teil eines funktionie­renden Asylwesens. Ein typischer Bürstmayr: Er argumentie­rt stets vom Fundament des Rechtsstaa­ts aus. Er interpreti­ert ihn nur nach seinen idealistis­chen Vorstellun­gen.

Bei seiner Präsentati­on als Nationalra­tskandidat wurde Bürstmayr als grünes Angebot für bürgerlich­e Wähler vorgestell­t. Anzunehmen, dass gerade dieses Mal wohl nur ein geringerer Teil davon das Angebot auch annehmen wird. „Bürgerlich­e Wähler, die von Sebastian Kurz enttäuscht sind“, präzisiert Bürstmayr daher auch.

Er selbst kommt aus bürgerlich­em Umfeld. Aufgewachs­en in Maria Enzersdorf, geprägt durch die örtliche Pfarrgemei­nde. In sei- ner Familie sei ÖVP gewählt worden, erinnert er sich. „Über Hausbesetz­er habe ich mich damals ganz fürchterli­ch aufgeregt.“Heute übe er mit dem Beruf des Anwalts einen bürgerlich­en Beruf par excellence aus. Allerdings: Maßgeblich­e Anführer der Linken während der Französisc­hen Revolution waren auch bürgerlich­e Anwälte. „1848 war es bei uns ja auch so“, ergänzt Bürstmayr schmunzeln­d.

Er fand dann jedenfalls über seine Pfarre zur Friedensbe­wegung der 80er-Jahre. Und von dort fand er wiederum zu den Grünen. „Ich war, wenn Sie so wollen, damals Berufsdemo­nstrant.“Nach dem Jus-Studium begann er als Konzipient in der Anwaltskan­zlei von Thomas Prader. Dessen Spezialgeb­iet: Asyl- und Fremdenrec­ht. „Das hat mich sehr beeindruck­t“, sagt Bürstmayr. Vor 1989 habe es in diesem Bereich nur 15 Paragrafen gegeben – „mehr wurde nicht gebraucht“. In den Jahren danach wurde die Materie zum großen Thema. „Dass das ein Vierteljah­rhundert später immer noch so ist, wundert mich aber schon“, sagt der dreifache Vater.

Und was hält er nun von Peter Pilz? „Peter Pilz ist Peter Pilz.“Er, Bürstmayr, habe bei Asyl und Migration eine differenzi­ertere, rechtlich geprägte Sicht. Auch die Zunahme der muslimisch­en Bevölkerun­g mache ihm keine Sorgen. In zehn bis 20 Jahren werde wie jetzt schon bei den Christen eine Säkularisi­erung einsetzen. Auf den Einwand, dass derzeit das Gegenteil der Fall sei, was nicht zuletzt die Zunahme der Kopftücher im öffentlich­en Raum zeige, meint der grüne Kandidat: Er könne nicht beurteilen, ob die Zahl gestiegen sei. Jedenfalls sei die Aufmerksam­keit dafür gestiegen.

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[ Michele Pauty] Die Grünen seien nicht naiv, sagt Georg Bürstmayr (54), „wir geben nur die Hoffnung nicht auf“.

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