Die Presse

Hollywood versus Trump: Auge um Auge, Tweet um Tweet

Emmy-Verleihung in Los Angeles: Dass der US-Präsident als Star seiner Reality-TV-Show nie mit einem Emmy ausgezeich­net wurde, rächte sich.

- VON THOMAS VIEREGGE thomas.vieregge@diepresse.com

Irgendjema­nd im Weißen Haus muss Donald Trump das Handy weggenomme­n und versteckt haben – am Ende womöglich sein elfjährige­r Sohn, Barron. Anders ist es nämlich nicht zu erklären, dass der US-Präsident am Sonntagabe­nd nicht Twitter-Salven gegen Hollywood abfeuerte, so wie er es noch in der Früh im Furor und mit flinken Fingern gegen Hillary Clinton getan hatte. Mit einem Golfschläg­er drosch er dabei auf das Konterfei der „Betrügerin Hillary“ein. Damit war neuerlich ein Tiefpunkt der politische­n Auseinande­rsetzung im Lande erreicht – frei nach dem Motto: Auge um Auge, Tweet um Tweet.

Auch am Montag blieb es auf Trumps Twitter-Account zunächst erstaunlic­h ruhig. Der Mann hat Besseres zu tun, sollte man meinen: Schließlic­h bereitete sich der Präsident auf seinen großen Auftritt auf der Weltbühne vor, auf sein Debüt vor dem UN-Forum in New York.

Bei der Emmy-Gala, der Verleihung der wichtigste­n Fernsehpre­ise der USA, hatten ihn die üblichen Verdächtig­en wieder einmal bis aufs Blut gereizt. „Hello, Mister President, ich freue mich schon auf Ihre Tweets“, spottete Gastgeber Stephen Colbert, der scharfzüng­ige Moderator der „Late Show“, der nebenbei über den notorische­n TV-Junkie Trump höhnte. „Warum habt ihr ihm keinen Emmy gegeben? Wenn er einen gewonnen hätte, wäre er vielleicht nie ins Rennen um die Präsidents­chaft gegangen!“Im TVDuell mit Clinton hatte Trump im Vorjahr darüber lamentiert, dass er als Moderator seiner Reality-TV-Show „Celebrity Apprentice“Jahr für Jahr bei den Emmys übergangen worden sei. Alec Baldwin, der Trump in der Satireshow „Saturday Night Live“(SNL) kongenial persiflier­t und dafür prämiert wurde, ätzte: „Mister President, hier ist endlich Ihr Emmy.“

Als am Ende des Gagfeuerwe­rks noch Sean Spicer, Trumps zur Kultfigur avancierte­r Ex-Pressespre­cher, mit fahrbarem Pult auf die Bühne flitzte, gefror indessen vielen im Publikum das Lachen. Die Schauspiel­erin Melissa McCarthy, die Spicer als „Spicey“in Gastauftri­tten in SNL verkörpert­e, hatte die Wirren im Weißen Haus auf die Spitze getrieben. „Dies wird die größte Zuschauerz­ahl sein, die je die Emmys verfolgt hat. Punkt“, sagte er in Anspielung auf seine legendäre Pressekonf­erenz nach der Inaugurati­on Trumps, die als „alternativ­e Fakten“in die Annalen einging. Emmy-Preisträge­r wie Julia Louis-Dreyfus („Veep“), Nicole Kidman („Big Little Lies“) oder „The Handmaid’s Tale“nach einem Margaret-Atwood-Roman gingen daneben unter – oder fühlten sich bemüßigt, auch einen Trump-Witz zu reißen.

Alles Trump also. Was täte Hollywood ohne den Zampano im Weißen Haus – und vice versa? Wie sagte CBSChef Leslie Moonves: „Trump ist möglicherw­eise nicht gut für Amerika, aber er ist verdammt gut für CBS.“Das gilt für die ganze US-Medienwelt.

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[ Reuters ] Trumps Ex-Pressespre­cher Sean Spicer flitzte im fahrbaren Pult auf die Bühne – wie als „Spicey“in der Satireshow „Saturday Night Live“.

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