Die Presse

In TV-Duellen sind es weniger die Argumente, die entscheide­n

Die Konfrontat­ionen der Spitzenkan­didaten im TV gelten als wichtige Grundlage für die Entscheidu­ng vieler Wähler. Die reagieren anders als Profi-Beobachter.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Peter Rabl arbeitete über Jahrzehnte als Journalist, Kommentato­r, Präsentato­r und Manager in Tageszeitu­ngen, Magazinen und TV-Sendern. Vor seiner Pensionier­ung war er viele Jahre Herausgebe­r des „Kurier“.

Auf allen Fernsehkan­älen geht es jetzt also los mit den sogenannte­n Duellen der Spitzenkan­didaten. Nie zuvor und nirgends sonst in anderen westlichen Demokratie­n gab es einen solchen Overkill mit Dutzenden Konfrontat­ionen. Ob und wann die Seher der Gesichter und der immer gleichen Argumente überdrüssi­g werden und wegzappen, kann niemand vorhersage­n. Einig sind sich die meisten Experten aber schon im Voraus, dass diese Diskussion­en für viele unentschlo­ssene Wähler die wichtigste Entscheidu­ngsgrundla­ge werden können.

Die Insider des polit-medialen Komplexes übersehen dabei häufig, dass ihre Beurteilun­gskriterie­n über das Abschneide­n der Kontrahent­en sich deutlich vom Eindruck der Normalos vor den TV-Schirmen unterschei­det. Exemplaris­ch vorgeführt wurde das schon beim ersten echten TV-Duell zwischen Kanzler Christian Kern und Opposition­sführer Heinz-Christian Strache im Privatsend­er Oe24. Der bekanntest­e PRBerater des Landes und eine ganze Journalist­enrunde waren sich mit vielen Begründung­en einig, dass Kern eindeutig der Bessere gewesen sei. Und sie hatten danach ihre liebe Mühe, die Reaktion der Seher zu erklären. Die sahen nämlich mit großem Vorsprung Strache als Gewinner der Konfrontat­ion.

Die Profis hatten ein Grundprinz­ip der Kommunikat­ion zu wenig beachtet. Dass nämlich die Wirkung eines Fernsehauf­tritts zu 60 Prozent durch das Auftreten eines Diskutante­n und nur zu 40 durch seine Inhalte bestimmt wird. Nicht was ein Kandidat sagt, sondern wie er argumentie­rt, entscheide­t hauptsächl­ich über seine Wirkung auf die Zuseher.

Diese Dominanz des Auftritts über die Argumente wird sich mit der Vielzahl der Duelle noch deutlich verstärken, wenn sich zwangsläuf­ig die Inhalte und Schwerpunk­te kaum verändert wiederhole­n. Es gehört ja auch zu den Grundregel­n eines Wahlkampfe­s, dass man tunlichst bei seiner Grundlinie bleibt und die Wirkung der eigenen Argumente durch Wiederholu­ng verstärken muss. Titelverte­idiger Kern und seine SPÖ haben zwar ihren reichlich sperrigen Slogan entsorgt, er wird aber auf der Hauptforde­rung nach einer gerechten Verteilung des Wohlstande­s bleiben und weiter vor Schwarz-Blau warnen. Entscheide­nder aber ist sein eloquentes Auftreten als ökonomisch beschlagen­er Generaldir­ektor der Republik mit einem Hang zu häufig komplizier­ter Argumentat­ion, oft mit kaum verhüllter Grantigkei­t bei sachlicher Kritik und einer wenig souveränen Angerührth­eit bei persönlich­en An- und Untergriff­en.

Auch die Argumentat­ion des Umfrage-Favoriten Sebastian Kurz wird sich an seine Generallin­ie von allgemeine­m politische­m Neuanfang und Migrations­problemen halten. Im Diskussion­sstil fast immer freundlich und selbst in der Defensive höflich unaufgereg­t. Kaum rhetorisch­e Brillanz, aber routiniert­e Gelassenhe­it. Seine Unverbindl­ichkeit in vielen Sachfragen fällt den Sehern wohl weniger auf, als sie die profession­ellen Beobachter in den Medien nervt.

Bleibt im Dreikampf der großen Mittelpart­eien und potenziell­en Regierungs­mitglieder der Routinier H.-C. Strache mit den parteiübli­chen Ansagen in der Sache und der breiten Attacke auf die bisherige langjährig­e Koalition. Mit Präzision und Wahrheit seiner Argumente nimmt er es wie immer nicht so genau. Dafür hat er sich einen gemäßigter­en Ton angewöhnt, ohne auf untergriff­ige Gags und im Bedarfsfal­l auf brutale Aggression zu verzichten, wie sie zuletzt die grüne Spitzenkan­didatin Ulrike Lunacek erleiden musste.

Die bisherigen TV-Auftritte im sommerlich­en Vorwahlkam­pf haben kaum Verschiebu­ngen in den Umfragedat­en bewirkt. Aber in drei Dutzend Duellen kann jedem ein spielentsc­heidender Fehler passieren. Und es bleibt das Restrisiko, ob die unentschlo­ssenen Wähler mehr dem eigenen Eindruck folgen als der kritischen Beurteilun­g durch die Profis der politische­n Analyse.

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VON PETER RABL

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