In TV-Duellen sind es weniger die Argumente, die entscheiden
Die Konfrontationen der Spitzenkandidaten im TV gelten als wichtige Grundlage für die Entscheidung vieler Wähler. Die reagieren anders als Profi-Beobachter.
Auf allen Fernsehkanälen geht es jetzt also los mit den sogenannten Duellen der Spitzenkandidaten. Nie zuvor und nirgends sonst in anderen westlichen Demokratien gab es einen solchen Overkill mit Dutzenden Konfrontationen. Ob und wann die Seher der Gesichter und der immer gleichen Argumente überdrüssig werden und wegzappen, kann niemand vorhersagen. Einig sind sich die meisten Experten aber schon im Voraus, dass diese Diskussionen für viele unentschlossene Wähler die wichtigste Entscheidungsgrundlage werden können.
Die Insider des polit-medialen Komplexes übersehen dabei häufig, dass ihre Beurteilungskriterien über das Abschneiden der Kontrahenten sich deutlich vom Eindruck der Normalos vor den TV-Schirmen unterscheidet. Exemplarisch vorgeführt wurde das schon beim ersten echten TV-Duell zwischen Kanzler Christian Kern und Oppositionsführer Heinz-Christian Strache im Privatsender Oe24. Der bekannteste PRBerater des Landes und eine ganze Journalistenrunde waren sich mit vielen Begründungen einig, dass Kern eindeutig der Bessere gewesen sei. Und sie hatten danach ihre liebe Mühe, die Reaktion der Seher zu erklären. Die sahen nämlich mit großem Vorsprung Strache als Gewinner der Konfrontation.
Die Profis hatten ein Grundprinzip der Kommunikation zu wenig beachtet. Dass nämlich die Wirkung eines Fernsehauftritts zu 60 Prozent durch das Auftreten eines Diskutanten und nur zu 40 durch seine Inhalte bestimmt wird. Nicht was ein Kandidat sagt, sondern wie er argumentiert, entscheidet hauptsächlich über seine Wirkung auf die Zuseher.
Diese Dominanz des Auftritts über die Argumente wird sich mit der Vielzahl der Duelle noch deutlich verstärken, wenn sich zwangsläufig die Inhalte und Schwerpunkte kaum verändert wiederholen. Es gehört ja auch zu den Grundregeln eines Wahlkampfes, dass man tunlichst bei seiner Grundlinie bleibt und die Wirkung der eigenen Argumente durch Wiederholung verstärken muss. Titelverteidiger Kern und seine SPÖ haben zwar ihren reichlich sperrigen Slogan entsorgt, er wird aber auf der Hauptforderung nach einer gerechten Verteilung des Wohlstandes bleiben und weiter vor Schwarz-Blau warnen. Entscheidender aber ist sein eloquentes Auftreten als ökonomisch beschlagener Generaldirektor der Republik mit einem Hang zu häufig komplizierter Argumentation, oft mit kaum verhüllter Grantigkeit bei sachlicher Kritik und einer wenig souveränen Angerührtheit bei persönlichen An- und Untergriffen.
Auch die Argumentation des Umfrage-Favoriten Sebastian Kurz wird sich an seine Generallinie von allgemeinem politischem Neuanfang und Migrationsproblemen halten. Im Diskussionsstil fast immer freundlich und selbst in der Defensive höflich unaufgeregt. Kaum rhetorische Brillanz, aber routinierte Gelassenheit. Seine Unverbindlichkeit in vielen Sachfragen fällt den Sehern wohl weniger auf, als sie die professionellen Beobachter in den Medien nervt.
Bleibt im Dreikampf der großen Mittelparteien und potenziellen Regierungsmitglieder der Routinier H.-C. Strache mit den parteiüblichen Ansagen in der Sache und der breiten Attacke auf die bisherige langjährige Koalition. Mit Präzision und Wahrheit seiner Argumente nimmt er es wie immer nicht so genau. Dafür hat er sich einen gemäßigteren Ton angewöhnt, ohne auf untergriffige Gags und im Bedarfsfall auf brutale Aggression zu verzichten, wie sie zuletzt die grüne Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek erleiden musste.
Die bisherigen TV-Auftritte im sommerlichen Vorwahlkampf haben kaum Verschiebungen in den Umfragedaten bewirkt. Aber in drei Dutzend Duellen kann jedem ein spielentscheidender Fehler passieren. Und es bleibt das Restrisiko, ob die unentschlossenen Wähler mehr dem eigenen Eindruck folgen als der kritischen Beurteilung durch die Profis der politischen Analyse.