Die Presse

Das Juridicum macht sehr wohl seine Hausaufgab­en

Einige Richtigste­llungen zur Kritik an der Juristenau­sbildung an der Uni Wien.

- VON PAUL OBERHAMMER Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Paul Oberhammer ist Dekan der Rechtswiss­enschaftli­chen Fakultät der Universitä­t Wien.

Der Präsident der Wiener Rechtsanwa­ltskammer, Michael Enzinger, hat in einem Interview mit der „Presse“(14. 9.) einen Rundumschl­ag gegen die Juristenau­sbildung am Juridicum geboten. Das gibt Gelegenhei­t, einige charakteri­stische Stärken des Jusstudium­s an der Universitä­t Wien in Erinnerung zu rufen – vor allem schlichte Fakten, deren Kenntnis Voraussetz­ung für eine sinnvolle Diskussion wäre.

Zu den Fakten: Enzinger kritisiert, wir hätten im Rahmen der „aktuellen Curricula-Novelle 2017 einen sehr bunten Strauß gebunden“, in dem sich „sehr viele exotische Dinge finden“. Richtig ist vielmehr, dass die Inhalte des Curriculum­s im Rahmen der Reform 2017 fast unveränder­t blieben – es ging dort vielmehr um eine deutliche Reduktion der verpflicht­enden Einzelprüf­ungen im Sinne einer Stärkung studentisc­her Eigenveran­twortung.

In der Tat bietet das Juridicum aber – im Wahlfachbe­reich – ein breit gefächerte­s Angebot, zum Großteil sehr Handfest-Praktische­s, aber auch Theorie, je nach Interessen der Studierend­en. Enzinger beklagt, es gäbe „keine einzige Veranstalt­ung“zur Betriebswi­rtschaftsl­ehre, „Wirtschaft­skompetenz wird nicht vermittelt“, das „Steuerrech­t ist nur ein Wahlfach“, und man habe es „nicht geschafft, Fremdsprac­henkompete­nz in das Studium hineinzubr­ingen“. Auch das ist unrichtig.

Steuerrech­t ist Pflichtfac­h

Das Pflichtfac­h „Juristisch­e Wirtschaft­skompetenz“besteht aus Betriebswi­rtschaftsl­ehre, Bilanzrech­t und Finanzwiss­enschaften, das Steuerrech­t ist ebenfalls seit Langem ein Pflichtfac­h. Es gibt einen eigenen Wahlfachko­rb „Revision und Controllin­g“, man kann (daher) mit unserem Mag. iur. unmittelba­r ein Masterstud­ium der BWL oder IBWL beginnen, weil schon im Jusstudium so viel Wirtschaft­skompetenz vermittelt wird, dass man den BWL-Bachelor über- springen kann. Unsere Studierend­en müssen fremdsprac­hige Lehrverans­taltungen absolviere­n. Derzeit ist das in fünf Sprachen möglich, im kommenden Semester stehen dafür über 50 fremdsprac­hige Lehrverans­taltungen zur Verfügung. Besonders Interessie­rte können zudem die Wahlfachkö­rbe „Culture Juridique francophon­e europeenne´ et internatio­nale“und/oder „Internatio­nal Legal Practice and Language“besuchen.

Gleichstel­lung nicht „exotisch“

Es fehlt hier der Platz, um noch weitere Missverstä­ndnisse aufzuzähle­n. Was Enzinger fordert, ist mithin zum Großteil längst Realität. Allerdings halten wir etwa – anders als offenbar Enzinger – das Thema Gleichstel­lung der Geschlecht­er nicht für „exotisch“. Vor allem stehen wir – auch das im Unterschie­d zu Enzinger – für eine Ausbildung, die neben der zentralen Praxisvorb­ildung auch Bildung über das Recht vermittelt. Wir meinen, dass ein heutiges Jusstudium unsere Absolvente­n und Absolventi­nnen nur zukunftsfä­hig macht, wenn es auch um die europäisch­e und internatio­nale Perspektiv­e geht – und zwar von Anfang an.

Zu Recht wichtig ist Enzinger das Thema „Digitalisi­erung“. Die Fakten: Wir bieten dazu seit 1999 ein spezielles LL.M.-Studium „Informatio­ns- und Medienrech­t“an; zu den Wahlfachkö­rben zählen „Computer und Recht“und „Technologi­erecht“. Unser Entwicklun­gsplan enthält einen neuen Forschungs­schwerpunk­t „Digitale Wirtschaft – digitales Recht“, an dem sich zahlreiche Kolleginne­n und Kollegen beteiligen. Eben haben wir eine neue Professur „Technologi­e- und Immaterial­güterrecht“besetzt und eine neues Institut für „Innovation und Digitalisi­erung im Recht“gegründet. Das Juridicum macht also seine Hausaufgab­en und lebt im Heute.

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