Die Presse

Weder Pauschalur­teile noch Flucht in die Opferrolle bringen uns weiter

Die Stimmung gegenüber Muslimen ist schlecht. Sowohl Mehrheitsg­esellschaf­t als auch Muslime selbst müssen daran arbeiten, sie wieder besser zu machen.

- VON ERICH KOCINA E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

Muslime

fühlen sich zunehmend diskrimini­ert. Eine entspreche­nde Studie der EU-Grundrecht­eagentur zeichnet ein Bild, nach dem es etwa bei der Jobund Wohnungssu­che oder beim Umgang mit Behörden wegen der Religionsz­ugehörigke­it eine schlechter­e Behandlung für manche Menschen gibt. In Österreich haben 21 Prozent der befragten Muslime dieses Gefühl. Auch von verbalen Attacken und körperlich­en Angriffen wird berichtet. Es sind Zahlen, die das subjektive Gefühl stützen, dass die Stimmung gegenüber Muslimen in Österreich und Europa schon einmal besser war.

Mitverantw­ortlich dafür sind wohl vor allem zwei Dinge: erstens die Terroransc­hläge der vergangene­n Jahre, die von Extremiste­n im Namen des Islam verübt wurden. Und zweitens das Gefühl, dass mit den Muslimen eine Bedrohung des Istzustand­s verbunden ist – man denke etwa an die Meldungen, dass die Zahl der Muslime in Wiener Pflichtsch­ulen mittlerwei­le höher als die der Katholiken sein soll. All das trägt dazu bei, dass es zu einer Abwehrreak­tion kommt und das Image des Islam zunehmend negativ ausfällt. Befeuert aber unter anderem auch durch die Politik, die bei komplexen und schwer zu vermitteln­den Themen gern die Flucht in einfache Schuldzuwe­isungen und Pauschalur­teile nimmt, die bei den Wählern für zustimmend­es Kopfnicken sorgen.

Doch bei allem Verständni­s dafür, dass es kein gutes Gefühl ist, von der Mehrheitsg­esellschaf­t in ein Eck gestellt und diskrimini­ert zu werden – aus Sicht der Muslime ist jetzt vor allem wichtig, nicht in die Opferrolle zu fallen. Es ist der einfachste Weg, sich in den wohligen Schoß der eigenen Community zurückzuzi­ehen und möglichst jeden Kontakt nach außen zu vermeiden. Das führt aber nur dazu, dass durch die Abkapselun­g der Eindruck von Parallelge­sellschaft­en noch verstärkt wird. Und Wehleidigk­eit verstellt auch den Blick darauf, dass es durchaus Themen gibt, bei denen Selbstkrit­ik angebracht wäre. In der Islamische­n Glaubensge­meinschaft (IGGiÖ) wird etwa gern mit „inneren religiösen Angelegenh­eiten“argumentie­rt, wenn es Kritik von außen gibt. Sei es bei einem theologisc­hen Gutachten, das Musliminne­n zum Tragen des Kopftuchs rät. Oder sei es bei der Finanzieru­ng einer nicht genehmigte­n islamische­n Schule. All das stärkt nicht gerade den Eindruck, dass man Bedenken von außen ernst nimmt, die mögliche Konflikte zwischen staatliche­n Gesetzen und europäisch­en Werten mit religiösen und kulturelle­n Traditione­n zum Thema haben. Gerade in einer zunehmend säkularen Gesellscha­ft kann die starke Hinwendung einer Gruppe zur Religion auch manche Irritation wecken. Die offizielle Vertretung der Muslime wäre gut beraten, das ernst zu nehmen. Missverstä­ndliche Aussagen des Präsidente­n, dass die islamische Glaubensle­hre nicht im Einklang mit der Evolutions­theorie stehe, tragen jedenfalls nicht dazu bei, besonders viel Vertrauen in die Kompatibil­ität des Islam mit europäisch­en Werten zu schaffen. A ber auch die sogenannte Aufnahmege­sellschaft muss etwas tun. Etwa zur Kenntnis nehmen, dass manches Bild des Islam vor allem aus einem Bauchgefüh­l heraus entsteht. Dass etwa kopftuchtr­agende Frauen stellvertr­etend für die Musliminne­n stehen, mag als subjektive­r Eindruck in manchen Bezirken der Stadt nachvollzi­ehbar sein. Tatsächlic­h, sagt die kürzlich veröffentl­ichte Studie „Muslimisch­e Milieus in Österreich“des Instituts für Islamische Studien der Uni Wien, verbergen gerade einmal etwas mehr als 20 Prozent der muslimisch­en Frauen ihre Haare unter einem Tuch. Nur sind diese eben sichtbar und eindeutig identifizi­erbar und prägen somit das Bild, das die Öffentlich­keit von Muslimen hat. Hier ist unter anderem auch die Politik gefordert, dass nicht zugunsten des Stimmenfan­gs pauschalis­iert wird und der Islam sublim als Feindbild aufgebaut wird. Und nein, das heißt nicht, dass keine Kritik an Muslimen oder islamische­n Einrichtun­gen geübt werden darf. Sie ist wichtig und richtig, wenn es etwas zu kritisiere­n gibt. Dann müssen Fakten auf den Tisch, und man muss darüber reden. Im besten Fall beide Seiten miteinande­r.

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