Rettungsversuche für das Iran-Atomabkommen
UNO. In Wien könnte bald eine Konferenz stattfinden, um den Nukleardeal nach Trumps Austrittsdrohung aufrechtzuerhalten. Kurz weist Nato-Kritik an Atomwaffenverbotsvertrag zurück.
New York. Mehrmals mussten die Marathonverhandlungen im Wiener Palais Coburg in die Verlängerung gehen, bevor am 14. Juli 2015 das Atomabkommen mit dem Iran endlich unterschriftsreif war. Bald schon könnte Wien wieder zu einer Drehscheibe der internationalen Diplomatie werden, um den Deal in letzter Sekunde zu retten. In dem Vertrag ist vorgesehen, dass die Unterzeichnerstaaten (Iran, USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland) neuerlich zu einer Konferenz zusammenkommen, falls das Abkommen auf der Kippe steht.
Und genau das ist nach Donald Trumps Brandrede vor der UNO der Fall. Der US-Präsident hatte am Dienstag in der Generalversammlung nicht nur Nordkorea mit der völligen Auslöschung gedroht, sondern auch kaum verhohlen einen Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran angekündigt. Er sprach vom „schlechtesten und einseitigsten Deal aller Zeiten“, von einer „Peinlichkeit“für die USA.
Mitte Oktober will Trump bewerten, wie er weiter verfährt. Erklärt der US-Präsident die Vereinbarung für obsolet, hat der Kongress 60 Tage Zeit, wieder Sanktionen gegen den Iran in Kraft zu setzen. Im Senat und Repräsentantenhaus gibt es solide Mehrheiten für eine Kündigung des Atomabkommens, das in zehn Jahren ohnehin ausläuft und dem Iran danach freie Hand gäbe.
Die EU beruft eine Krisensitzung ein
Noch in New York startete die EU einen ersten Versuch, den Iran-Deal zu reanimieren. Helga Schmid, die Generalsekretärin des Auswärtigen Diensts der Union, leitete schon wenige Stunden nach Trumps Ansprache eine Krisensitzung der Politischen Direktoren der EU-3 +3 (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland, China, USA). Am Mittwoch folgte ein Treffen der Außenminister der Staaten, die das Atomabkommen mit dem Iran unterschrieben haben.
Die übrigen Signatarmächte könnten versuchen, die Vereinbarung auch nach einem Ausstieg aus den USA aufrechtzuerhalten. Doch der Arm der Amerikaner ist lang. Ihre Finanzsanktionen würden Firmen, die Geschäfte mit dem Iran treiben, vermutlich rasch abschrecken. Frankreich und Deutschland reagierten trotzig auf Trumps Rede. Der französische Präsident, Emmanuel Macron, führte bereits am Dienstag in der UNO die rhetorische Gegenattacke der Multilateralisten. Irans Außenminister, Javad Zarif, zog per Twitter über die „mittelalterliche Hassrede“Trumps her. Am Mittwoch legte Präsident Rohani vor der UNO nach. Beide stehen jedoch innenpolitisch unter Druck. Hardliner in Teheran lehnen das Atomabkommen ohnehin seit jeher ab.
Van der Bellen überreicht Trump Briefe
Mit ungewohnt scharfen Worten geißelte auch Österreichs Staatsoberhaupt die Rede des US-Präsidenten. Das sei eine Ansprache an die eigenen Wähler in der amerikanischen Provinz gewesen, aber nicht an die Regierungschefs von 193 Staaten, sagte Alexander Van der Bellen vor österreichischen Journalisten. Trumps Plädoyer für starke Nationalstaaten wertete er als „Kampfansage gegen die EU“. Die Islamische Republik nahm er in Schutz. Der Iran erfülle das Atomabkommen auf Punkt und Beistrich.
Das bescheinigt den Iranern auch die in Wien ansässige Atomenergiebehörde. Details könnte Van der Bellen demnächst in Wien mit dem iranischen Präsidenten besprechen. Er erneuerte in New York die Einladung an Hassan Rohani, nach Österreich zu kommen. Unter seinem Vorgänger, Heinz Fischer, hatten die Iraner den Staatsbesuch in letzter Minute abgesagt. Es gefiel ihnen nicht, dass Demonstrationen in Sichtweite ihres Präsidenten geplant waren.
Noch in der Nacht auf Mittwoch hatte Van der Bellen die Gelegenheit, dem US-Prä- sidenten bei einem Empfang die Hand zu schütteln. Dabei überreichte er Trump den Brief eines elfjährigen Wiener Mädchens namens Paula, das darin seine Sorge über den Klimawandel ausdrückt. In seinem Begleit- brief schrieb der Bundespräsident, das Pariser Klimaabkommen ermögliche große wirtschaftliche und technologische Chancen. Trump lehnt den Pakt ab.
Außenminister Sebastian Kurz erklärte, er teile Van der Bellens Einschätzung der Trump-Rede. Seine eigene Ansprache vor der UNO, die er von Mittwoch auf Dienstagabend vorziehen durfte, ergänzte er um einen Seitenhieb: Wer das Atomabkommen mit dem Iran untergrabe, schwäche auch Bemühungen in der Nordkorea-Krise, zu einer Verhandlungslösung zu gelangen, sagte er vor dem spärlich besuchten Auditorium. Das Risiko einer nuklearen Konfrontation sei im Moment so groß wie schon lang nicht. Umso wichtiger sei der Vertrag zum Verbot von Nuklearwaffen, den am Mittwoch auf Betreiben Österreichs immerhin 47 Staaten feierlich unterzeichneten. Der Nato passte die Aktion nicht. Kurz wies die Kritik zurück. Die Verteidigungsallianz solle sich der Abrüstungsinitiative lieber anschließen.
Kurz und Van der Bellen kamen am Mittwoch gemeinsam mit UN-Generalsekretär Antonio´ Guterres zusammen. Danach traf der Außenminister seine südkoreanische Amtskollegin, Kang Kyung-wha. Van der Bellen hielt am Nachmittag vor seinem Rückflug einen Vortrag in der Columbia University, um den Studenten die EU zu erklären.