Hält der Aufschwung an?
Konjunktur. Die Prognosen für die Weltwirtschaft sind gut, aber auch gespickt mit Gefahren wie Nordkorea, Bankenkrise und teurem Euro.
Wien. Konjunkturprognosen der Wirtschaftsforscher lesen sich wie Beipackzettel von Medikamenten. Es wird zwar Besserung versprochen, die möglichen Nebenwirkungen haben es aber in sich. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) rechnet für heuer, dass die Wirtschaft in den 19 Euroländern um 2,1 Prozent wächst. Noch im Juni gingen die Experten von 1,8 Prozent aus. 2018 sollen es 1,9 Prozent sein. Anders als in den USA, wo heuer 2,1 und nächstes Jahr 2,4 Prozent Wachstum erwartet werden, bremst sich der Aufschwung in Europa etwas ein. Vor allem die britische Wirtschaft dürfte den Berechnungen zufolge nach 1,6 im heurigen Jahr nur noch um ein Prozent wachsen.
Die fiebersenkenden Mittel der Notenbanken haben also gewirkt. Niedrige Zinsen und Anleihenkaufprogramme sorgen für Wohlbefinden. Doch die Warnhinweise auf dem Beipackzettel mehren sich. Die politische Unsicherheit werfe „einen Schatten auf das erwartete Wirtschaftswachstum der USA“, schreibt das Münchner ifoInstitut. Von den erhofften fiskalischen Impulsen ist vorerst nichts zu sehen, zuletzt sorgte Präsident Donald Trump mit seiner Rede vor der UNO für weitere Verunsicherung. Zumindest sorgen die Spannungen zwischen den USA und Nordkorea für einen schwächeren Dollar. Der Euro wertete zuletzt auf – und das wirkt sich negativ auf die Handelsbilanz im Euroraum aus. Darüber hinaus ist die Bankenkrise in Europa noch nicht überwunden – dementsprechend stockt es bei den Kreditvergaben.
Aktuell sehen die ifo-Ökonomen den Euroraum „auf starkem und stabilem Expansionskurs“. Die Industrieproduktion erhöht sich heuer um 2,4 Prozent, die Investitionen steigen um 2,8 Prozent. Steigende Beschäftigung und höhere Lohnabschlüsse sollten den Konsum beflügeln. Heuer dürften die Konsumenten im Euroraum um 1,6 Prozent mehr ausgeben als im Vorjahr. Allerdings wirkt sich eine Inflation von 1,5 Prozent dämpfend auf die Kaufkraft aus.
China überrascht positiv
In einer globalisierten Weltwirtschaft sind es aber längst nicht mehr Europa und die USA allein, die den Konjunkturpfad bestimmen. Vor allem China war zuletzt ein wirtschaftlicher Wackelkandidat. Doch nun dürfte die zweitgrößte Volkswirtschaft doch wieder stabiles Wachstum aufweisen. Die OECD hat die Wachstumszahlen für heuer und 2018 jeweils um 0,2 Prozentpunkte erhöht. Das chinesische Wachstum wurde bei 6,8 und 2018 bei 6,6 Prozent angesetzt. Von den 35 OECD-Mitgliedsstaaten und den wichtigsten aufstrebenden Märkten (China, Brasilien, Argentinien, Russland etc.) befindet sich erstmals seit Beginn der Wirtschaftskrise keines mehr in der Rezession. Allerdings zeichnet sich im nächsten Jahre in 19 der 45 ausgewerteten Länder eine Schwächung des Wachstums ab.
Immerhin wächst laut OECD die Weltwirtschaft heuer um 3,5 Prozent (2018 um 3,7 Prozent). Ob schon allein das Lesen des Beipackzettels ein Gesundheitsrisiko darstellt, bleibt dahingestellt. (gh)