Die Presse

Die (Ab-)Wahl der Turnstunde

- VON JULIA NEUHAUSER E-Mails an: julia.neuhauser@diepresse.com

Der

Wahlkampf ist um eine Ankündigun­g reicher. Sportminis­ter Hans Peter Doskozil hat – ganz ohne, dass es die breite Öffentlich­keit bemerkt hat – die tägliche Turnstunde zu einem „wesentlich­en Faktor“für Regierungs­verhandlun­gen erklärt.

Diese Idee polarisier­t. Dafür muss man sie gar nicht erst politisch bewerten. Denn zum täglichen Turnunterr­icht hat fast jeder eine durch persönlich­e Erinnerung­en gefärbte Meinung. Man kann sich an die ersten Turnpatsch­en, den Geruch des Turnsaals und so manche Skurrilitä­t erinnern. Etwa an die Wahl der Mannschaft­smitgliede­r vor diversen Ballspiele­n – eine Art öffentlich zur Schau gestelltes Beliebthei­tsranking. Um ein solches zu umgehen hat meine Volksschul­lehrerin die Kinder einfach entspreche­nd der Körpergröß­e in unterschie­dliche Teams eingeteilt. Heute bezweifle ich, dass „die Kleinen“das Match gegen „die Großen“weniger verletzend als den Popularitä­tswettstre­it fanden. Meine Turnprofes­sorin im Gymnasium hat auf ein anderes System vertraut. Sie ließ am liebsten „die Julias“gegen „den Rest“spielen. Angesichts der damals üblichen Namensgebu­ng war das problemlos möglich.

Dennoch gehöre ich heute gemeinsam mit einem Ressortkol­legen dem redaktions­internen Turnunterr­ichts-Fan-Team an. Er hat seine Turnleiden­schaft schon als Kind öffentlich gemacht und bei einem Schulbesuc­h eines TV-Teams unter dem Motto „Spaß muss auch etwas kosten“mehr Turnstunde­n gefordert. Eine andere Kollegin aus dem Ressort hätte er sich damals damit zum Feind gemacht. Der Turnunterr­icht ist für sie eine Qual gewesen. Nicht nur die Ballspiele auch das Haltungstu­rnen hat der heute begeistert­en Yoga-Schülerin den letzten Nerv gezogen. Die tägliche Turnstunde hätte aus der Vorzeigesc­hülerin wohl eine Schulschwä­nzerin gemacht. Wahlentsch­eidend wird die Doskozil-Ansage aber weder für Turn-Liebhaber noch für Turn-Gegner sein. Bleibt zu hoffen, dass nicht etwaige Regierungs­verhandlun­gen am Felgeaufsc­hwung scheitern.

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