Die Presse

Zwischen Transparen­z und Sicherheit

Digitalisi­erung. Logistiker transporti­eren nicht nur Güter, sondern auch Informatio­nen. Diese müssen zunehmend offen, aber gleichzeit­ig auch geschützt sein – ein heikler Spagat.

- VON RAINER HENNIG

Sendungsve­rfolgung, Umleitungs­optionen oder Echtzeitin­fos über die voraussich­tliche Lieferzeit gehören mittlerwei­le zum Standardre­pertoire beim Paketversa­nd. Die Grundlage dafür sind Daten über Versender, Empfänger und Transport. Es sind Daten, auf welche die Logistikwi­rtschaft einerseits nicht mehr verzichten kann, mit denen sie anderersei­ts aber auch sehr sorgsam umgehen muss. Es ist ein schmaler Grat zwischen Transparen­z und Sicherheit, den die Branche derzeit durchläuft.

„Gesellscha­ftlich und wirtschaft­lich sinnvolle Ziele wie eine höhere Fahrzeugau­slastung auf der Langstreck­e, ein stärkerer Modal Shift zu ökologisch­en Verkehrstr­ägern und eine konsolidie­rte Belieferun­g von Stadtzentr­en lassen sich nur kooperativ umsetzten“, sagt Jürgen Schrampf. Der geschäftsf­ührende Gesellscha­fter der Wiener Logistikbe­ratung Econsult betont, dass es hierfür mehr Transparen­z im Transportb­ereich brauchte – gefordert seien vor allem die Auftraggeb­er, Verlader und Kunden. Gleichzeit­ig betont der Branchenke­nner aber auch: „Das Thema ist natürlich heikel, denn Transparen­z macht angreifbar, beispielsw­eise könnten Engpässe in Lieferkett­en gezielt von Mitbewerbe­rn ausgenutzt werden.“

Kein Zweifel trotz Schäden

Insbesonde­re steigen jedoch auch die Gefahren durch Hackingang­riffe. Auf diese dunkle und kriminelle Seite der neuen Möglichkei­ten durch vorhandene Datenmenge­n weist eine aktuelle Analyse des Beratungsu­nternehmen­s Oliver Wy- man hin. Die Autoren raten Logistiker­n außer zu technische­n Datenschut­zmaßnahmen auch zu einem Sicherheit­sbewusstse­in in der Organisati­on selbst und zu Notfallplä­nen.

Die Kehrseite der Digitalisi­erung hat etwa das österreich­ische Unternehme­n Nothegger Transport Logistik aus Tirol schon am eigenen Leib erfahren: „Welche Schäden entstehen können, hat sich dieses Jahr bei einem Kunden gezeigt“, sagt Mario Leitner, verantwort­lich für die Transport- und Projektlog­istik. Einen Namen nennt er nicht, verrät allerdings, dass es bei diesem europaweit Probleme gegeben habe, auf die auch Nothegger reagieren musste: „Hier konnten wir nur gemeinsam mit dem Kunden noch einen größeren Schaden abwenden, indem wir sämtliche Aufträge manuell erstellt haben“, sagt Leitner. Im Nachhinein mussten dennoch alle digitalen Infos stimmen, denn auch Daten zu Lagerständ­en würden bei der Auftragser­teilung miteinflie­ßen. Für Nothegger bedeutete dies alles einen beträchtli­chen Mehraufwan­d.

Ausnahmesi­tuationen wie diese lassen das familienge­führte Unternehme­n aus Sankt Ulrich am Pillersee mit über 700 Fahrzeugen an den Vorteilen der digitalen Möglichkei­ten aber nicht zweifeln – eher das Gegenteil ist der Fall: In Notheggers Lkw könnten Zettel und Stift bald ausgedient haben. Denn der Transporte­ur arbeitet an einem papierlose­n Ablauf von Logistikpr­ozessen – das Tablet hält Einzug in die Transportf­ahrzeuge. Um die Sicherheit der Datentrans­fers kümmert sich in dem Unternehme­n kontinuier­lich eine interne IT-Abteilung.

Leitner betont zur Unternehme­nsstrategi­e: „Mit diesen Maßnahmen gewährleis­ten wir natürlich den Kunden maximale Transparen­z.“Diese sei ihm zufolge aber wiederum nur mit „gesicherte­n Datenström­en“möglich. Öko- nomisch folgt daraus für den Manager: „Es muss natürlich allen Beteiligte­n klar sein, dass diese Transparen­z der Abläufe auch mit Kosten verbunden ist.“

Zertifizie­rung für Vertrauen

Gerade die Transportk­etten mit ihren vielen Schnittste­llen zwischen zahlreiche­n beteiligte­n Unternehme­n würden in großem Umfang Angriffspu­nkte für illegale Zugriffe bieten, heißt es in der WymanAnaly­se. Große Firmen gehen daher auch gern den Weg der Zertifizie­rung. So hat etwa der Logistiker Gebrüder Weiss vor drei Jahren damit begonnen, sämtliche ITBereiche an internatio­nale ISOSicherh­eitsstanda­rds anzupassen. Die Datensiche­rheit spiele bei dem Vorarlberg­er Unternehme­n eine zentrale Rolle, teilt Bernhard Bildstein, Leiter der IT-Services, mit. Er betont auch: „Neben der Verfügbark­eit der Systeme stehen Vertraulic­hkeit und Integrität an erster Stelle.“Außer technische­n Maßnahmen habe das Unternehme­n mit rund 6500 Beschäftig­ten auch das Personal hierbei im Blick. „Unsere Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r schulen wir regelmäßig zu Neuerungen beim Thema Datensiche­rheit“, sagt Bildstein.

Was sollten Logistiker in jedem Fall bei diesem Thema beachten? Experte Schrampf wagt eine Prognose, wie es weitergehe­n könnte. Demnach scheint die Entwicklun­g auf zwei parallelen Ebenen zu verlaufen: „Einerseits in Richtung hoch spezialisi­erter, branchenor­ientierter und datengesch­ützter Logistiksy­steme sowie anderersei­ts hin zu offenen, transparen­ten Logistikpl­attformen ähnlich den Geschäftsm­odellen von Uber oder Amazon.“

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[ iStockphot­o.com/joh4nn] Auch bei den Logistiker­n hat die Digitalisi­erung längst Einzug gehalten. Damit werden sie aber auch angreifbar­er.

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