Zwischen Transparenz und Sicherheit
Digitalisierung. Logistiker transportieren nicht nur Güter, sondern auch Informationen. Diese müssen zunehmend offen, aber gleichzeitig auch geschützt sein – ein heikler Spagat.
Sendungsverfolgung, Umleitungsoptionen oder Echtzeitinfos über die voraussichtliche Lieferzeit gehören mittlerweile zum Standardrepertoire beim Paketversand. Die Grundlage dafür sind Daten über Versender, Empfänger und Transport. Es sind Daten, auf welche die Logistikwirtschaft einerseits nicht mehr verzichten kann, mit denen sie andererseits aber auch sehr sorgsam umgehen muss. Es ist ein schmaler Grat zwischen Transparenz und Sicherheit, den die Branche derzeit durchläuft.
„Gesellschaftlich und wirtschaftlich sinnvolle Ziele wie eine höhere Fahrzeugauslastung auf der Langstrecke, ein stärkerer Modal Shift zu ökologischen Verkehrsträgern und eine konsolidierte Belieferung von Stadtzentren lassen sich nur kooperativ umsetzten“, sagt Jürgen Schrampf. Der geschäftsführende Gesellschafter der Wiener Logistikberatung Econsult betont, dass es hierfür mehr Transparenz im Transportbereich brauchte – gefordert seien vor allem die Auftraggeber, Verlader und Kunden. Gleichzeitig betont der Branchenkenner aber auch: „Das Thema ist natürlich heikel, denn Transparenz macht angreifbar, beispielsweise könnten Engpässe in Lieferketten gezielt von Mitbewerbern ausgenutzt werden.“
Kein Zweifel trotz Schäden
Insbesondere steigen jedoch auch die Gefahren durch Hackingangriffe. Auf diese dunkle und kriminelle Seite der neuen Möglichkeiten durch vorhandene Datenmengen weist eine aktuelle Analyse des Beratungsunternehmens Oliver Wy- man hin. Die Autoren raten Logistikern außer zu technischen Datenschutzmaßnahmen auch zu einem Sicherheitsbewusstsein in der Organisation selbst und zu Notfallplänen.
Die Kehrseite der Digitalisierung hat etwa das österreichische Unternehmen Nothegger Transport Logistik aus Tirol schon am eigenen Leib erfahren: „Welche Schäden entstehen können, hat sich dieses Jahr bei einem Kunden gezeigt“, sagt Mario Leitner, verantwortlich für die Transport- und Projektlogistik. Einen Namen nennt er nicht, verrät allerdings, dass es bei diesem europaweit Probleme gegeben habe, auf die auch Nothegger reagieren musste: „Hier konnten wir nur gemeinsam mit dem Kunden noch einen größeren Schaden abwenden, indem wir sämtliche Aufträge manuell erstellt haben“, sagt Leitner. Im Nachhinein mussten dennoch alle digitalen Infos stimmen, denn auch Daten zu Lagerständen würden bei der Auftragserteilung miteinfließen. Für Nothegger bedeutete dies alles einen beträchtlichen Mehraufwand.
Ausnahmesituationen wie diese lassen das familiengeführte Unternehmen aus Sankt Ulrich am Pillersee mit über 700 Fahrzeugen an den Vorteilen der digitalen Möglichkeiten aber nicht zweifeln – eher das Gegenteil ist der Fall: In Notheggers Lkw könnten Zettel und Stift bald ausgedient haben. Denn der Transporteur arbeitet an einem papierlosen Ablauf von Logistikprozessen – das Tablet hält Einzug in die Transportfahrzeuge. Um die Sicherheit der Datentransfers kümmert sich in dem Unternehmen kontinuierlich eine interne IT-Abteilung.
Leitner betont zur Unternehmensstrategie: „Mit diesen Maßnahmen gewährleisten wir natürlich den Kunden maximale Transparenz.“Diese sei ihm zufolge aber wiederum nur mit „gesicherten Datenströmen“möglich. Öko- nomisch folgt daraus für den Manager: „Es muss natürlich allen Beteiligten klar sein, dass diese Transparenz der Abläufe auch mit Kosten verbunden ist.“
Zertifizierung für Vertrauen
Gerade die Transportketten mit ihren vielen Schnittstellen zwischen zahlreichen beteiligten Unternehmen würden in großem Umfang Angriffspunkte für illegale Zugriffe bieten, heißt es in der WymanAnalyse. Große Firmen gehen daher auch gern den Weg der Zertifizierung. So hat etwa der Logistiker Gebrüder Weiss vor drei Jahren damit begonnen, sämtliche ITBereiche an internationale ISOSicherheitsstandards anzupassen. Die Datensicherheit spiele bei dem Vorarlberger Unternehmen eine zentrale Rolle, teilt Bernhard Bildstein, Leiter der IT-Services, mit. Er betont auch: „Neben der Verfügbarkeit der Systeme stehen Vertraulichkeit und Integrität an erster Stelle.“Außer technischen Maßnahmen habe das Unternehmen mit rund 6500 Beschäftigten auch das Personal hierbei im Blick. „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schulen wir regelmäßig zu Neuerungen beim Thema Datensicherheit“, sagt Bildstein.
Was sollten Logistiker in jedem Fall bei diesem Thema beachten? Experte Schrampf wagt eine Prognose, wie es weitergehen könnte. Demnach scheint die Entwicklung auf zwei parallelen Ebenen zu verlaufen: „Einerseits in Richtung hoch spezialisierter, branchenorientierter und datengeschützter Logistiksysteme sowie andererseits hin zu offenen, transparenten Logistikplattformen ähnlich den Geschäftsmodellen von Uber oder Amazon.“