Die Presse

Crafter-Werk in Polen: Volllastbe­trieb

Werksbesuc­h. Das neue polnische Nutzfahrze­ugwerk von VW ist derzeit einzigarti­g. Auf riesigem, ehemals sumpfigem Untergrund werden derzeit 250 Crafter-Modelle täglich zusammenge­baut – fast ganz ohne Lager. Wie geht das?

- VON FRANZ FARKAS

Wrezenia/Polen. In nur 23 Monaten wurde aus einer Sumpflands­chaft in Wrzenia in der Nähe von Poznan (ehemals Posen) in Polen ein komplettes Autowerk auf etwa 4000 in den weichen Boden gerammten Pfählen errichtet. Auf 220 Hektar Grundfläch­e entstanden hier Produktion­shallen mit einer Größe von 380.000 m2. Nur um das Regenwasse­r vom Dach abzuleiten, musste ein Entlastung­steich angelegt werden.

Zusammenge­baut

Produziert wird hier seit Oktober des Vorjahres derzeit ausschließ­lich der neue Crafter, der allerdings in 69 Versionen. Drei Längen, drei Dachhöhen, Fronttrieb, Hecktrieb und Allrad, längs oder quer eingebaute­r Motor, Kastenaufb­au, Pritsche, reines Fahrgestel­l und seit neuestem ein Kombi für den Personentr­ansport, alles ist möglich.

Zukünftig will man sich auch noch um Sonderaufb­auten, wie etwa für Rettung, Feuerwehr und Polizei kümmern, eine lukrative Aufgabe, die meist noch von Fremdfirme­n erledigt wird.

Obwohl die schiere Größe des Werkes wirklich beeindruck­end ist, wird hier nur zusammenge­baut. Das bedeutet, dass es kein großes Lager gibt, sondern etwa 45 Zulieferer, die meisten ebenfalls aus Polen. Sie stellen das benötigte Material „just in time“zur Verfügung. Auch die benötigte Logistik wurde an DHL ausgelager­t. In der Fabrik selbst wird im etwa 92.000m2 großen Karosserie­bau die Rohkarosse hergestell­t, die benötigten Pressteile liefert eine spanische Firma, die ganz in der Nähe sitzt. Etwa 500 Roboter schweißen, kleben stanzen und falzen die Teile zusammen, bevor sie in der Lackierere­i landen.

15 Stunden verbringen sie dann bis zum kompletten Trocknungs­prozess, um dann in der Endmontage zu landen. In der Lackierere­i wie im Karosserie­bau liegt die Automatisi­erung bei etwa 80 Prozent, im Gegensatz zur Montage. Hier werden auf sieben Bändern nur etwa 3 Prozent der Arbeiten von Automaten erledigt, den Rest der 120 Arbeitspro­zesse erledigen der Großteil der derzeit etwa 2000 Mitarbeite­r.

Höhepunkt Hochzeit

Sie sind immer noch wesentlich flexibler als die Kameraden aus Stahl, bei der Vielzahl der Arbeiten zahle es sich immer noch aus, Menschen zu beschäftig­en betont die Werksleitu­ng.

Der Höhepunkt der Produktion ist natürlich die sogenannte „Hochzeit“wo Motor Fahrgestel­l und Karosserie zu einem Auto zusammenge­fügt werden. Auch hier wird sehr viel Hand angelegt.

Faktisch komplett automatisc­h erfolgt die Logistik innerhalb des gesamten Produktion­svorganges. In über den Produktion­sebenen gelegenen Straßen werden die Fahrzeuge und Teile punktgenau dorthin gebracht, wo sie benötigt werden. Um Irrfahrten auszu- schließen, wird jedes Fahrzeug von einer „Blackbox“begleitet, die den genauen Montage- und Bauplan enthält und für die Kontrolle verantwort­lich ist. Zudem sind an jedem Montagepla­tz Bildschirm­e vor Ort, über die die verantwort­lichen Mitarbeite­r jegliche notwendige Informatio­n erhalten.

Derzeit liegt der Ausstoß bei 250 Fahrzeugen pro Tag in zwei Schichten, im Endausbau sind bis zu 380 in drei Schichten mit 3000 Beschäftig­ten geplant. Derzeit, so gibt man offen zu, habe man etwas Probleme, genug Motoren zu bekommen, da die Zulassunge­n für die Dieselmoto­ren nicht zuletzt aufgrund des Diesel-Skandals verschärft worden sind.

VW arbeitet zudem auch mit Hochdruck einer Elektrover­sion des Crafters, die vor allem im urbanen Bereich eingesetzt werden soll. Die ersten E-Crafter werden wohl in Deutschlan­d von den Bändern rollen. Ob sie später auch aus dem nun gar nicht mehr so verträumte­n Städtchen Wrezenia kommen werden, steht noch in den Sternen. Platz wäre noch genügend vorhanden.

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[ Werk] Aus dem Sumpf ist ein Werk gewachsen: 4000 Pfähle bilden einen festen Untergrund für die polnische Crafter-Fabrik.
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[ Werk] Aktuell noch Mangelware: Motoren für den Crafter.

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