Die Presse

Was ein Ende des Iran-Deals bedeuten würde Präsident Trump hetzt immer mehr gegen das Atomabkomm­en mit dem Iran. Die EU, Russland und China befürchten, dass Washington aus dem Vertrag aussteigt. Was heißt das? Fünf Fragen, fünf Antworten.

USA.

- VON JULIA RAABE

New York/Wien. Nach den scharfen Angriffen Donald Trumps gegen Teheran mehren sich die Anzeichen, dass der US-Präsident aus dem Atomabkomm­en mit dem Iran aussteigen könnte. Laut US-Medien erwägt die Regierung, den am 14. Juli 2015 in Wien geschlosse­nen Vertrag neu zu verhandeln. Der Atomdeal könnte vor dem Aus stehen.

1 Was bringt das Atomabkomm­en mit dem Iran überhaupt?

Der Iran stand lang unter dem Verdacht, unter dem Deckmantel eines zivilen Nuklearpro­gramms heimlich an einer Atombombe zu bauen – was Teheran stets dementiert hat. Ziel des mühevoll errungenen Abkommens ist es sicherzust­ellen, dass der Iran keine Kernwaffe entwickeln, aber Atomenergi­e für zivile Zwecke nutzen kann, zum Beispiel zur Energiegew­innung. Dafür hat sich Teheran unter anderem verpflicht­et, seine Urananreic­herung zehn Jahre lang drastisch einzuschrä­nken und strenge Kontrollen seiner Atomanlage­n zuzulassen. Im Gegenzug sollten die internatio­nalen Wirtschaft­ssanktione­n Schritt für Schritt aufgehoben werden.

Keiner der Akteure hat bisher bezweifelt, dass der Iran die Auflagen des Abkommens erfüllt. Nicht die EU, nicht die Internatio­nale Atomenergi­ebehörde (IAEA) in Wien, auch nicht die USA selbst, wie US-Außenminis­ter Rex Tillerson in dieser Woche in New York noch einmal bestätigt hat. Dass Washington den Deal trotzdem infrage stellt, hat andere Gründe: Trump findet ihn nicht streng genug. Und immer wieder heißt es aus der USRegierun­g, Teheran verstoße gegen den „Geist“des Abkommens, in dessen Vorwort Teheran dazu aufgerufen wird, „positiv“zur Sicherheit in der Region beizutrage­n. Tillerson hat jedenfalls betont, der Iran wirke nicht am Frieden in der Region mit, und hat auf die iranischen Raketentes­ts sowie auf die Konflikte in Syrien, im Jemen und im Irak verwiesen, wo Teheran mitmischt.

2 Darf US-Präsident Donald Trump den Atomdeal einfach aufschnüre­n oder kündigen?

Wenn die USA das Abkommen nicht mehr mittragen, ist es de facto obsolet – so einfach ist das. Die US-Regierung muss dem USKongress alle drei Monate Bericht erstatten, ob der Iran das Abkommen einhält. Hier hat der Präsident also Spielraum. Trump hat dem Iran bereits zwei Mal bescheinig­t, die Auflagen zu beachten. Der nächste Stichtag ist der 15. Oktober. Nach seinen eigenen Worten hat Trump bereits entschiede­n, was er dem Kongress sagen will, er teilt es der Öffentlich­keit aber noch nicht mit. Seine Rede vor der UNO klang nicht danach, als wolle er dem Deal den Segen erteilen.

Mehrere US-Medien berichten übereinsti­mmend, dass Trump das Abkommen nicht ganz aufkündige­n, wohl aber verschärfe­n will. Dazu müsste er seine europäisch­en Partner, Russland, China und auch den Iran überzeugen, erneut zu verhandeln.

3 Was würde passieren, würde Trump dem Iran vorwerfen, das Abkommen zu verletzen?

Dann wäre der Ball zunächst dem USKongress zugespielt: Er hätte dann 60 Tage Zeit, um Konsequenz­en zu ziehen. Die USA könnten neue Sanktionen gegen Teheran beschließe­n. Oder sie könnten die alten Strafmaßna­hmen, die vor dem Abkommen galten, wieder in Kraft setzen. Dann wären die USA de facto raus aus dem Deal.

In jedem Fall wäre die Staatengem­einschaft gespalten, denn alle anderen Unterzeich­ner des Abkommens – also Großbritan­nien, Frankreich, Deutschlan­d, China und Russland – wollen an der Einigung mit dem Iran festhalten. Wien würde wohl zum Schauplatz einer Krisenkonf­erenz, die im Vertrag vorgesehen ist, wenn das Abkommen auf dem Spiel steht.

Trump selbst wäre mit einem Ausstieg aus dem Abkommen gleich mit zwei Atomkrisen konfrontie­rt: neben Nordkorea dann auch mit dem Iran. Und er hätte sich wohl für alle Zeiten die Möglichkei­t genommen, jemals ein entspreche­ndes Abkommen mit Pjöngjang auszuhande­ln.

4 Ist eine Neuverhand­lung des Abkommens realistisc­h?

Wohl kaum. Der französisc­he Präsident, Emmanuel Macron, hat zwar seine Bereitscha­ft angedeutet, neu über den Deal zu verhandeln, um die iranische Urananreic­he- rung auch nach 2025 noch stärker zu beschränke­n. Und Trump könnte versuchen, Neuverhand­lungen zur Bedingung dafür zu machen, dass er dem Abkommen noch einmal grünes Licht erteilt. Es müsste dann aber immer noch der Iran zustimmen – und das hat der Präsident Irans, Hassan Rohani, kategorisc­h ausgeschlo­ssen.

5 Wie würde der Iran reagieren, wenn die USA das Abkommen platzen ließen?

In New York hat Rohani wenig konkret dazu gesagt, der Iran habe dann „freie Hand zu handeln“. Klar ist aber, dass Teheran die Urananreic­herung wieder hochfahren könnte. Auf scharfe Kontrollen würde sich das Regime nicht mehr einlassen, dem Atomprogra­mm wären keine Grenzen mehr gesetzt. Viele Beobachter warnen, dass der Iran sich in einer solchen Situation umso mehr bemühen könnte, eine Atombombe zu entwickeln, um das Land vor amerikanis­chen oder israelisch­en Angriffen zu schützen. Dass eine solche Abschrecku­ng funktionie­rt, führt Nordkorea der Welt gerade vor.

Ein Aus des Abkommens würde nicht zuletzt die erzkonserv­ativen Hardliner in der Islamische­n Republik Iran stärken, die den Atomdeal wie auch jede Öffnung gegenüber dem Westen und dem Erzfeind USA ablehnen. Ins Abseits gedrängt wären dann die gemäßigten Kräfte des Landes, zu deren Vertretern Rohani gehört.

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[ Reuters ] Zwischen Washington und Teheran gibt es neuen Streit, seitdem US-Präsident Trump den Iran als einen „Schurkenst­aat“beschimpft hat und das Atomabkomm­en infrage stellt.

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