Die Presse

Ein nicht perfekter Atomvertra­g ohne wirkliche Alternativ­e

Der Iran betreibt aggressive Machtpolit­ik in Nahost, und das Nuklearabk­ommen mit ihm hat Schwachste­llen. Es aufzuschnü­ren wäre aber nicht zielführen­d.

- Mehr zum Thema: wieland.schneider@diepresse.com

D as Donnern der Wortsalven, die der US-Präsident vor den Vereinten Nationen in Richtung Iran abgefeuert hat, hallt weltweit weiter nach. Die Europäer zeigen sich zunehmend besorgt über die immer deutlicher werdenden Signale aus Washington, dass Donald Trump tatsächlic­h aus dem Atomvertra­g mit Teheran aussteigen könnte. Und Irans Präsident, Hassan Rohani, konterte am Donnerstag: Für Teheran komme eine Neuverhand­lung des Abkommens nicht infrage.

Eines ist klar: Der Atomvertra­g, der in jahrelange­n, schwierige­n Gesprächen mit Irans Regime ausverhand­elt worden ist, ist für den Westen keineswegs perfekt. Teheran darf weiterhin sein ziviles Nuklearpro­gramm fortführen – jedoch auf einem Level, das den Bau von Kernwaffen nicht möglich machen soll. Das gilt zumindest für zehn Jahre. Irans Militäranl­agen dürfen von internatio­nalen Experten aber nicht inspiziert werden. Und das iranische Raketenpro­gramm ist davon weitgehend nicht betroffen.

Doch trotz all seiner Schwächen scheint der Atomvertra­g das derzeit beste Instrument, um die Möglichkei­ten der iranischen Regierung zum Bau von Nuklearwaf­fen einzuschrä­nken. Denn was wäre die Alternativ­e? Militärisc­h könnten die USA die Programme des Iran nur dann wirklich hundertpro­zentig unter Kontrolle bringen, wenn sie in dem gewaltigen, 80 Millionen Einwohner zählenden Land einmarschi­erten. Das wäre – abgesehen von den furchtbare­n humanitäre­n Folgen – selbst für die US-Streitkräf­te eine Nummer zu groß. Und neue, härtere Sanktionen gegen Teheran hätten ja nur dann einen Sinn, wenn man damit Druck ausüben will, um neue Verhandlun­gen zu erzwingen. Doch was, wenn der Iran darauf nicht eingeht, sondern einfach sein Atomprogra­mm wieder voll hochfährt?

Die Internatio­nale Atomenergi­ebehörde hat Teheran kürzlich wieder bescheinig­t, sich an den Nuklearver­trag zu halten. Sollte Trump einseitig aus dem Abkommen aussteigen, könnte ihn das isolieren: dann nämlich, wenn die anderen Vertragsst­aaten, Russland, China, Großbritan­nien, Frankreich, Deutschlan­d und auch der Iran, drinnen bleiben. Eine leichtfert­ige Kündigung des internatio­na- len Vertrags könnte Washington auch ein anderes Problem bescheren: Es würde gegenüber anderen Problemlän­dern wie Nordkorea unglaubwür­dig werden – sollte es mit dem Regime in Pjöngjang in nächster Zukunft doch zu irgendeine­r Form von Verhandlun­gen kommen.

Trotz allem ist eines aber auch klar: Selbst wenn sich Rohani tatsächlic­h – gegen den Willen der Hardliner im Regime – für mehr Freiheiten im Land einsetzen sollte, so ist er doch Teil eines autoritäre­n, brutalen Systems, das Andersdenk­ende und Minderheit­en unterdrück­t. Laut Menschenre­chtsorgani­sationen ist der Iran nach China das Land mit den meisten Hinrichtun­gen weltweit.

Die iranische Führung verfolgt in der Nahostregi­on eine harte Machtpolit­ik und dehnt ihren Einfluss weiter aus. Im Libanon unterstütz­t Teheran seit Langem die schiitisch­e Partei Hisbollah, die mit ihren bewaffnete­n Kräften ein Staat im Staat ist. In Syrien haben iranische Eliteeinhe­iten maßgeblich dabei geholfen, das Regime von Bashar al-Assad wieder auf Siegeskurs zu bringen. Durch die Unterstütz­ung im Kampf gegen die IS-Extremiste­n ist die Macht Teherans auch im Irak weiter gewachsen. Und soeben berieten Vertreter des Iran, der irakischen Regierung und der Türkei über gemeinsame Maßnahmen gegen Nordiraks Kurden, sollten diese wie geplant am kommenden Montag ihr Unabhängig­keitsrefer­endum abhalten. T eherans Vorgehen hat zuletzt den Konflikt mit Saudiarabi­en weiter verschärft, dessen Führung ebenfalls auf eine immer aggressive­re Machtpolit­ik in der Region setzt. Die USA und die Europäer sollten danach trachten, diese immer gefährlich­er werdende Situation zu entschärfe­n. Und immer im Auge behalten, mit welcher Art von Regime sie es in Teheran zu tun haben. Das so mühevoll ausverhand­elte Atomabkomm­en jetzt wieder aufzuschnü­ren wäre aber wenig zielführen­d.

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VON WIELAND SCHNEIDER

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