Bruch an Spitze des Front National
Frankreich. Nach einem schweren internen Zerwürfnis zog sich Parteivizechef Florian Philippot zurück. Einige Rivalen haben darauf nur gewartet, vielen galt er als zu wenig rechts.
Paris. Der seit Wochen tobende Machtkampf innerhalb des rechtspopulistischen Front National (FN) eskaliert: Florian Philippot, bisheriger Vizepräsident, zieht die Konsequenzen: „Ich habe keine Lust, mich lächerlich zu machen, selbstverständlich verlasse ich den FN“, teilte der 35-Jährige im TV mit.
Zuvor hatte ihm Parteichefin Marine Le Pen (49) seine bisherigen Kompetenzen in der Parteiführung entzogen. Damit ließ sie ihrem Vize, der seit Jahren ihr engster Berater in strategischen und taktischen Belangen gewesen war, praktisch keine andere Wahl.
Dass im FN seit den heurigen Präsidenten- und Abgeordnetenwahlen dicke Luft herrscht, war kein Geheimnis. Philippot wird intern für das enttäuschende Ergebnis von Präsidentschaftskandidatin Le Pen und den mageren Erfolg bei der Wahl zur Nationalversammlung verantwortlich gemacht. Er soll auch die Partei mit seiner zu sehr auf EU-Kritik zentrierten Linie in die Sackgasse manövriert haben, sagen seine Kritiker. Sie verlangen eine Rückkehr zu den „klassischen“Prioritäten der extremen Rechten: Einwanderung und Sicherheit.
Abgelehnt werden auch Philippots Bemühungen einer „Entdämonisierung“des FN durch eine Öffnung in Richtung politischer Mitte, womit Marine Le Pen auf Distanz zur traditionellen Position seit der Gründung der Partei durch ihren Vater, Jean-Marie Le Pen, gegangen war. Der wurde so zur grauen Eminenz der Partei.
Was ein viel beachtetes Thema war, in rechtsextremen Kreisen aber für bösen Tratsch sorgt: Philippot war in Medien gegen seinen Willen als Homosexueller in Gesellschaft seines Gefährten geoutet worden. Ein anderes Argument gegen ihn lieferte er mit seiner politischen Herkunft, denn er war zu Beginn seiner Karriere ein Vertrauter des linken Ministers Jean-Pierre Chev`enement. Philippot hatte im Sommer auf diese Differenzen und Anfeindungen mit der Gründung einer eigenen Bewegung, „Les Patriotes“, reagiert, damit aber den Ärger noch verschärft. Damit schuf er nach den Worten der Parteichefin einen „Interessenkonflikt“.
Eine unkluge Speisenwahl im Elsass
Wie giftig im FN solche Differenzen ausgetragen werden, beweist die Polemik über ein Foto von Philippots Treffen mit Sympathisanten in einem Couscous-Restaurant in Straßburg. Nur schon die Erwähnung des klassischen Gerichts aus Nordafrika hat gereicht, um in FN-Kreisen eine antiarabische Allergie zu provozieren. In den Augen der internen Kritiker hat Philippot mit der Wahl des Lokals seinen Mangel an „kulinarischem Patriotismus“verraten: Statt Couscous müsse man im Elsass doch Choucroute bestellen, den regionaltypischen Bauernschmaus aus Kraut, Kartoffeln, Würsten und mehreren Fleischsorten. Unter dem Hashtag
couscousgate wurde das auf Twitter zu einem internen Schlagabtausch über die politische Verträglichkeit der nordafrikanischen Speise aus Hartweizengrieß mit Gemüse, Kichererbsen und Fleisch, die im Original oft mit der Hand gegessen wird. Couscousgate verdeutlichte Philippot, dass seine Tage in der Parteiführung gezählt seien.
Unter dem Druck des orthodoxen Flügels forderte Le Pen ihren Ex-Vertrauten zuerst auf, als Zeichen seiner Loyalität wenigstens auf den Vorsitz des Klubs zu verzichten. Er weigerte sich und wies unter anderem darauf hin, dass auch Louis Aliot, der andere Vizepräsident des FN, einen eigenen Klub gegründet habe. Nur ist Aliot eben nicht nur ein Gegner Philippots, sondern auch Marine Le Pens Gefährte. Zudem hat er im Unterschied zu Philippot formell auf den Vorsitz seines Partei-„Thinktanks“verzichtet.
Ein anderer Rivale Philippots, FN-Generalsekretär Nicolas Bay (39), hat indes nur darauf gewartet, dass die bisherige Nummer zwei des FN abgeht. Er scheint der Nachfolger in der Parteispitze zu sein und hat Philippot nur wenige Minuten nach dessen Fernsehauftritt ohne Bedauern verabschiedet: „Ich hatte seit Monaten den Eindruck, dass Florian Philippot stur war und die Debatte verweigerte. Auf jeden Fall wollte er sie auf seinen kleinen Verein begrenzen.“
Jean-Marie Le Pen wird sich freuen
Über den Ausgang des Streits und die wahrscheinliche ideologische Rückbesinnung auf frühere Positionen freut sich ein anderer Dritter: Parteigründer und Ehrenpräsident Jean-Marie Le Pen (89) war von seiner Tochter unter dem Einfluss Philippots zuerst im FN entmachtet und dann ausgeschlossen worden. Er kann nun sagen, er habe doch immer recht gehabt.