Die Presse

Brüssel bremst bei „Google-Steuer“

Steuerpoli­tik. Die Kommission findet zwar, dass die Silicon-Valley-Konzerne in Europa zu wenig Abgaben zahlen. Konkrete Gesetzesvo­rschläge dazu schiebt sie allerdings auf die lange Bank.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Brüssel. Google, Facebook, YouTube, Apple, Microsoft, Twitter, Airbnb und all die anderen Internetko­nzerne aus dem Silicon Valley können vorerst aufatmen: Die europäisch­en Pläne, digital tätige globale Unternehme­n auf die gleiche Weise zu besteuern wie alle anderen Firmen, dürften zumindest bis Ende 2019 keine konkrete Form annehmen. Am Donnerstag stellte die Kommission ihre Überlegung­en für ein „faires und wirksames Steuersyst­em in der Europäisch­en Union für den Digitalen Binnenmark­t“vor. Doch auf diesen knapp gehaltenen elf Seiten findet sich kein Entwurf, auf dem sich eine künftige EU-weit einheitlic­he Besteuerun­g des digitalen Wirtschaft­ens aufbauen ließe.

Zwar umreißt das Papier die Probleme der Staaten, die Internetwi­rtschaft zu besteuern, auf schlüssige Weise. „Im Durchschni­tt sind digitalisi­erte Geschäftsm­odelle einer tatsächlic­hen Steuerrate von nur 8,5 Prozent unterworfe­n, weniger als halb so viel wie traditione­lle Geschäftsm­odelle“, heißt es da zum Beispiel. Der Grund sei, dass Internetfi­rmen oft keine physische Präsenz in den Märkten haben, wo sie Geld verdienen, und zudem von allerlei Steueranre­izen profitiere­n. Zumal diese Konzerne „aggressive grenzübers­chreitende Steuerplan­ung“betrieben, welche „die Steuerrate de facto auf null senken kann“.

Dürre Vorschläge

Konkrete Vorschläge gegen diese Missstände findet man nur in Spurenelem­enten. Drei Optionen listet das Papier auf. Erstens eine Steuer auf den (in der EU erzielten) Umsatz der Internetko­nzerne, die als Ausgleich für unbezahlte reguläre Körperscha­ftsteuer fungieren würde. Zweitens eine Art Quellenste­uer auf alle digitalen Transaktio­nen für Unternehme­n außerhalb der EU; dabei geht es in erster Linie um Handelspla­ttformen wie Amazon. Drittens eine Abgabe auf Gewinne, die bei Erbringung digitaler Dienste oder dem Verkauf von Onlinewerb­ung lukriert werden: Das zielt auf Google und Facebook ab.

Doch zugleich wird eingewende­t, dass „alle kurzfristi­gen Optionen Vor- und Nachteile haben“und dass „weitere Arbeit am detaillier­ten Zugang erforderli­ch ist, um eine machbare Lösung für den Binnenmark­t und die globale Wirtschaft als Ganze zu finden“.

Was passiert nun? Im kommenden Frühjahr will die OECD einen Vorschlag für die Besteuerun­g der digitalen Wirtschaft vorlegen. Die Kommission will auf dieses Papier warten, ehe sie frühestens vor dem Sommer 2018 einen eigenen Richtlinie­nvorschlag präsentier­t. Damit ist schon jetzt so gut wie sicher, dass dieser Vorschlag in der laufenden Gesetzgebu­ngsperiode des Europaparl­aments und während der Amtszeit von Kommission­schef JeanClaude Juncker nicht in Kraft treten wird. Denn im Mai oder Juni 2019 wird gewählt, und aus diesem Grund nimmt das Parlament ab dem Herbst 2018 keine Legislativ­vorschläge mehr an. Erschweren­d kommt hinzu, dass die Einstimmig­keit der Finanzmini­ster nötig ist. Irland, von wo aus die SiliconVal­ley-Unternehme­n den europäisch­en Markt bearbeiten, hat bereits sein Veto gegen Junckers Idee angekündig­t, die Einstimmig­keit durch qualifizie­rte Mehrheitse­ntscheidun­gen zu ersetzen (das wäre ohne Vertragsän­derung möglich).

Ob die Kommission vor diesem Hintergrun­d ernsthaft an der „Google-Steuer“arbeitet, ist auch angesichts des Umstands fraglich, dass der zuständige Kommissar, Pierre Moscovici, am Donnerstag bei der Vorstellun­g des Papiers in New York weilte, um einen Vortrag zu halten. Das sei lang geplant gewesen, hieß es auf Anfrage der „Presse“, Moscovici habe seine USA-Reise aber genutzt, um für dieses Anliegen zu werben.

Frankreich­s YouTube-Steuer

Währenddes­sen prescht Frankreich voran. Am Donnerstag wurde im Amtsblatt die Ausweitung der seit 1993 existieren­den Videosteue­r auf alle in Frankreich tätigen digitalen Anbieter von Internetvi­deos ausgeweite­t. Ab 1. Jänner 2018 müssen sie zwei Prozent ihres in Frankreich erzielten Umsatzes abliefern. Dieses Geld – nach Schätzung zwischen einer Million und fünf Millionen Euro – kommt der Förderung der französisc­hen Filmwirtsc­haft zugute.

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] Reuters ] Jeder Klick auf eine App \ringt Silicon Valley Umsätze. Doch die Gewinne daraus werden sehr oft nirgendwo versteuert.

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