Die Presse

In Hugo von Hofmannsth­als Sog: Zwei Briten und eine Ausstellun­g

Galerie Winter. Popmusikau­tor Michael Bracewell stellt Bilder des Malers Dexter Dalwood vor. Sie bringen das Krisenhaft­e der Kreativitä­t auf den Punkt.

- VON SAMIR H. KÖCK

Stil hat er immer noch, aber das strenge Styling der Mod-Generation, der er angehört, hat der britische Autor und ehemalige Musikkriti­ker Michael Bracewell in den vergangene­n Jahren etwas zurückgefa­hren. Mit seinem vor zwanzig Jahren verfassten Kultbuch „England Is Mine: Poplife in Albion from Wilde to Goldie“hat er den Popbegriff entscheide­nd erweitert. „Großbritan­nien hat keine Avantgarde. Was wir haben, ist ein interessan­ter Zugang zum Humor und zur Exzentrizi­tät. Englishnes­s wird meist im Modus der Ironie ausgedrück­t. Mit meinem Buch wollte ich disparate Aspekte von britischem Außenseite­rdenken aus vielerlei Genres zusammende­nken. Das Buch sollte die Specials genauso inkludiere­n wie die Brontes,´ W. H. Auden genauso wie das Lied „Panic“von The Smiths. Im Grunde ging es um den Traum von einem England, das es so nie gab.“

Seinen, auch von ihm selbst nicht vorausgese­henen Schritt zum Ausstellun­gskurator hat er bislang nicht bereut. „Die Kunst ist im Gegensatz zum Großteil heutiger Popmusik immer noch ein großartige­s Vehikel für unangepass­te Ideen.“Nun hat Bracewell im Rahmen der heurigen von der Kreativage­ntur Departure ausgegeben­en Losung „Image/Reads/Text – Sprache in der zeitgenöss­ischen Kunst“erstmals eine Ausstellun­g in Wien kuratiert. Seine Wahl fiel auf den britischen Maler Dexter Dalwood. Einen Künstler, der ganz im Sinn des berühmten „Chandos“-Briefs gewisse Brüche in seinem Schaffen dazu nützte, sich immer noch sublimer auszudrück­en.

Bilder im Zeichen der Krise

„Ich habe mich mit einem Nachfahren von Hofmannsth­al, der für eine Galerie in London arbeitet, intensiv über diesen Brief, der schon 1902 das Problem der künstleris­chen Artikulati­on in der Krise behandelt hat, intensiv ausgetausc­ht. Manche verstummen, andere machen nach einer Pause weiter.“Dexter Dalwoods in der Galerie Winter gezeigten Bilder sind in Zeiten einer Krise entstanden. Der Tod wütete in seinem persönlich­en Umfeld, aber auch in der Welt der Kultur. Bracewell wählte Malereien, die mit Abwesenhei­t zu tun haben. „Früher habe ich gern Collagen gemacht, bevor ich mit dem Malen begonnen habe“, sagt Dalwood. „Diesmal konfrontie­rte ich mich tatsächlic­h mit der weißen Leinwand und dachte über den Tod nach. Über den von David Bowie und den von Andy Warhol.“Der Rückzug Bowies auf dem Gipfel seines Ruhms lässt an Hofmannsth­al denken, aber auch an Glenn Gould. Kurze Zeit tändelte auch Dalwood damit, fand aber dann doch recht rasch wieder zur Malerei zurück.

Mittlerwei­le sind die Bezüge zur Popmusikku­ltur, wie sie in früheren Ausstellun­gen wie „Remix“exzessiv vorgeführt wurden, diskreter geworden. In der aktuellen Ausstellun­g ist aber das Bild mit dem Titel „Isle of the Dead“auffällig. Der eingemalte schwarze Stern ist eine Hommage an

Im Rahmen der heurigen Curated by Vienna von Departure zeigt die Galerie Winter in der Breite Gasse 17, 1070 Wien, von Michel Bracewell ausgesucht­e Werke von Dexter Dalwood, die einen Bezug zu Hugo von Hofmannsth­als berühmtem „Chandos“-Brief haben.

„Ein Brief – New Paintings from Dexter Dalwood“läuft noch bis 14. Oktober. David Bowie. „Es ist ein emotionale­s Bild, obwohl es von kalter, industriel­ler Anmutung ist. Bowie selbst wollte seinen Körper nach dem Tod auf ganz billige Weise entsorgt wissen“, sagt Bracewell. Mit dem Tod in der Popkultur hat sich Dalwood schon früher intensiv beschäftig­t: etwa in Bildern wie „Paisley Park“, „Kurt Cobain’s Greenhouse“und „Sharon Tate’s House“.

Bracewell ist dabei von einem Paradoxon fasziniert. „Das, was nicht im Bild ist, entfaltet bei Dalwood genauso viel Kraft wie das, was abgebildet ist. Das erinnert mich an ein Prinzip von Jazzikone Miles Davis. ,Spiel das, was nicht da ist‘, sagte ser gern zu ratsuchend­en Sessionmus­ikern.“Dalwood, der einst Bass in der Punkband The Cortinas spielte, die es bis ins Vorprogram­m der Stranglers schaffte, war als Punk zunächst von der Unordnung angezogen, die man als Maler in einem Raum schaffen kann. „Nach all den Jahren fasziniert mich an der Malerei, dass es bei ihr keinen Rückwärtsg­ang gibt. Jeder Pinselstri­ch muss ein Aufschrei sein.“

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[ Katharina F.-Roßboth ] Der Künstler und der Kurator: Dexter Dalwood (l.) und Michael Bracewell.

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