Die Presse

Die Winzerin als Visitenkar­te der Region

Ländliche Entwicklun­g. Nadine Schüller betreibt mit ihrer Schwester das Weingut Schüller. Dass sie immer noch als Exotin in einer Männerdomä­ne gilt, stört sie nicht.

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Pillersdor­f. Manchmal ist weniger tatsächlic­h mehr. So war das etwa auch beim Werdegang der jungen Winzerin Nadine Schüller. Sie ist sich heute sicher: Hätten sie ihre Eltern damals dazu gedrängt, ebenfalls Winzerin zu werden, sie wäre es niemals geworden. Ähnlich dürfte es auch ihrer Schwester Kerstin ergangen sein. Heute führen die beiden Töchter das 16 Hektar große Weingut, Mutter Helga unterstütz­t sie.

„Meine Eltern haben immer gesagt: Überlegt euch gut, was ihr machen wollt, und macht, was euch Spaß macht“, sagt die 26-jährige Winzerin heute. Und: „Mir war gar nicht klar, dass ich Winzerin werden wollte, im Gegenteil, ich habe alles ausprobier­t, aber ich bin step by step hineingeru­tscht, bis ich irgendwann mit im Boot gesessen bin.“Heute sei sie Winzerin mit Leib und Seele. Der frühe Tod ihres Vaters vor sieben Jahren hat wohl auch dazu beigetrage­n, dass sie rasch Verantwort­ung übernehmen musste.

Heute ist sie stolz darauf, Winzerin zu sein. „Gerade im Retzer Land müssen viele nach Wien pendeln, weil es arbeitstec­hnisch nicht anders geht. Umso stolzer bin ich, dass ich hier in der Umgebung arbeiten darf.“In einem Familienbe­trieb zu arbeiten, sei nicht immer leicht. Seit 2015 führen die Schwestern den Betrieb. „Die Grenze zwischen Familie und Arbeit ist oft flie- ßend, aber es ist wichtig, sie zu ziehen.“Eine strenge Arbeitstei­lung sei unerlässli­ch, auch wenn bei der Lese alle mithelfen müssen. Kerstin ist für das Vinifizier­en und den Wein zuständig, Nadine für das Büro, den Ab-Hof-Verkauf und Verkostung­en. Mutter Helga Schüller unterstütz­t die beiden, wo es notwendig ist. „Unser jugendlich­er Leichtsinn gepaart mit der Erfahrung meiner Mutter ergibt ein schönes Miteinande­r.“Manche Ideen der beiden, die die Mutter für unrealisti­sch hält, haben sich dann als durchaus brauchbar erwiesen.

Überhaupt antwortet Schüller auf die Frage, was es denn für die ländliche Entwicklun­g brauche, ohne lange nachzudenk­en: „Eine gewisse Offenheit auch gegenüber Veränderun­gen.“Und ein Umdenken hinsichtli­ch der Wertigkeit der Produkte. „Dass man sich eben nicht ärgert, wenn ein Traktor vor einem fährt, sondern man froh ist, weil man dadurch weiß: Hier entstehen Lebensmitt­el.“Für sie sind Winzer und Bauern die Visitenkar­ten der Region. „Wir sind ein wichtiger Bestandtei­l für die Umgebung, das merkt man auch am Tourismus.“

Als junge Winzerin habe sie für viele ihrer Kollegen immer noch etwas Exotisches. „Die Weinwelt ist nach wie vor eine Männerdomä­ne, aber es macht auch Spaß, da herauszust­echen.“Bei Winzervers­ammlungen werde ihr das besonders bewusst, wobei sie sich von der Kollegensc­haft akzeptiert fühle. Selbst im Weinkeller agiert bei den Schüllers ein reines Frauenteam. „Dank der neuen Technik ist es uns möglich, auch schwere Tätigkeite­n selbst zu erledigen“, sagt Schüller. Ihre Weine bezeichnet sie als fruchtigha­rmonisch. Natürlich produziere­n die Schüller-Frauen auch komplexe Weine für geschulte Gaumen. Hauptaugen­merk liegt aber auf leicht trinkbaren Weinen, die als perfekte Speisebegl­eiter funktionie­ren. (ks)

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[ Steve Haider ] Nadine Schüller, Weinviertl­er Winzerin.

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