Wie man Renten rechtzeitig sichert
Pensionen. Auch in der Schweiz kann die Generation der „Pillenknicker“das Pensionssystem nicht mehr voll finanzieren. Nur: Dort will man jetzt schnell reagieren. Ein Lehrbeispiel.
Am kommenden Sonntag werden die Schweizer in einer Volksabstimmung über eine umfassende Rentenreform entscheiden. Der Ausgang ist noch ungewiss, nach letzten Umfragen dürfte es äußerst knapp werden. Für Nichtschweizer ist der Vorgang aber ganz unabhängig vom Ausgang ein Lehrbeispiel, wie man verantwortungsvoll mit Staatsfinanzen umgeht und wie man eine Volksabstimmung so organisiert, dass sie den Stimmberechtigten zumindest die Chance gibt, eine Entscheidung auf Basis von Fakten abseits populistischen Polit-Hickhacks (das es im Umfeld dieser Abstimmung selbstverständlich auch gibt) zu treffen.
Der Reihe nach: Die Schweiz hat, wie alle anderen europäischen Länder auch, ein Demografieproblem, das das Pensionssystem gefährdet. In den nächsten Jahren geht die Generation der Babyboomer in Pension. Die nachrückende Generation der „Pillenknicker“kann die Lücke nicht füllen. Das derzeit noch weitgehend ausfinanzierte Rentensystem droht also, Dauerpatient am Steuertropf zu werden. Das würde, findet der Bundesrat in Bern, „eine gesetzlich nicht vorgesehene Umverteilung auf Kosten der Erwerbstätigen“bedeuten. Geht also gar nicht.
Daran sieht man schon, wie sorgfältig die Schweiz mit den Staatsfinanzen umgeht. Bei uns etwa ist diese Umverteilung längst in Gang. Das Pensionssystem braucht an die 20 Mrd. Euro aus dem allgemeinen Budget (mehr als die Hälfte davon freilich für die Beamtenpensionen) – und die Politik sieht noch immer kein großes Problem und gibt eine Pensionsgarantie nach der anderen ab.
In der Schweiz kommt die nach dem Umlageverfahren funk-
Itionierende erste Säule des Pensionssystems derzeit zwar noch immer ohne große Zuschüsse aus. Aber nur, weil sie ihr im so genannten AHV-Fonds geparktes Vermögen und die dafür erwirtschafteten Zinsen heranzieht. Ohne Reform wäre das AHV-Vermögen 2031 (!) aufgebraucht, es wird nach eidgenössischen Vorstellungen also Zeit zum Handeln. Das nennt man vorausschauend.
Die Schweiz hat ein dreistufiges Rentensystem: Die umlagenbasierte erste Säule bietet eine Art Basisrente zwischen 1175 und 2350 Franken, eine zweite, kapitalgedeckte Säule, in die Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam einzahlen, liefert die Butter aufs bis dahin noch karge Rentnerbrot. Und wem das nicht genug ist, der kann steuerbegünstigt noch in einer dritten Säule ansparen.
Mit der Reform werden die erste und die zweite Säule zukunftsfit gemacht. und zwar so: Das Frauenpensionsalter wird von derzeit 64 schrittweise auf 65 Jahre angehoben.
IIIDas Pensionsantrittsalter wird flexibilisiert: Wer zwischen 62 und 65 geht, erleidet (wie bei uns) Abschläge, wer über 65 noch arbeitet, bekommt Zuschläge. Der Pensionsbeitrag für das Umlagensystem wird leicht erhöht, gleichzeitig wird die Basisrente um 70 Franken angehoben.
Die zweite Säule wird durch Maßnahmen stabilisiert, die im Endeffekt auch auf eine Beitragserhöhung hinauslaufen. Die Mehrwertsteuer wird zur Finanzierung des Rentensystems 2021 von derzeit acht auf 8,3 Prozent angehoben. Schon jetzt wird ein Prozentpunkt des Mehrwertsteuersatzes für diesen Zweck abgezweigt.
Ein schlüssiges System, das die Finanzierung langfristig sichert. Und das, eine Schweizer Spezialität, der Bevölkerung vollinhaltlich zur Abstimmung vorgelegt wird.
Man kann sich ungefähr vorstellen, wie eine Volksabstimmung über Beitragserhöhungen und eine Mehrwertsteuererhöhung hierzulande ausgehen würde. Allerdings: Das Gros der Abstimmungsteilnehmer würde hier seine Informationen wohl aus inhaltsleeren politischen Schlagzeilen beziehen.
In der Schweiz ist das anders: Dort haben die Stimmbürger im Vorfeld eine 63-seitige Broschüre des Bundesrates erhalten, in der in einfachen Worten ganz klar und unaufgeregt erklärt wird, worum es geht, was genau zur Abstimmung steht und welche Pro- und Kontraargumente es gibt. Für Juristen gibt es auch noch den Gesetzestext.
Jeder, der hier von direkter Demokratie träumt, sollte sich einmal eine solche Volksabstimmungsbroschüre ansehen. Wer will, geht in der Schweiz jedenfalls bestens informiert ins Wahllokal.
Und wird, wenn nichts schief geht, ein langfristig abgesichertes Pensionssystem bekommen. Während unsere Politiker noch halblustige Pensionistenbriefe schreiben.