Die Presse

Eine Milliarde für ein eigenes Handy

Der Konzern kauft für 1,1 Mrd. Dollar Patente und 2000 Köpfe von HTC, um eigene Smartphone­s zu bauen. Der letzte Versuch als Handybauer scheiterte kolossal. Läuft es diesmal besser?

- VON MATTHIAS AUER

Wien. In Hinkunft wird der Milliarden­konzern Google seine Smartphone­s wieder selbst bauen. 1,1 Milliarden US-Dollar (923 Mio. Euro) war dem Unternehme­n die Wiederbele­bung des alten Traums vom Handy aus eigener Produktion wert. Für diese Summe kauft der Suchmaschi­nengigant jene 2000 Mitarbeite­r vom taiwanesis­chen Handyherst­eller HTC, die schon bisher für Fremdfirme­n wie Google produziert haben. Dazu gibt es eine Palette an Patenten aus dem Fundus der angeschlag­enen Asiaten.

Für Google markiert der Deal bereits den zweiten Versuch, die Strategiew­ende vom reinen Softwareli­eferanten zum Gerätehers­teller im Mobilgesch­äft zu schaffen. Beim ersten Mal vor fünf Jahren hat der damalige Google-Chef Larry Page allerdings kräftig danebengeg­riffen: Er legte 12,5 Milliarden Dollar auf den Tisch, um die Mobilfunks­parte von Motorola zu schlucken. Drei Jahre – und etliche mäßig erfolgreic­he Produktlau­nches – später stieß der Konzern die Motorola-Reste um 2,91 Milliarden Dollar an Lenovo ab. Google argumentie­rte damals, das eigentlich­e Ziel des Geschäfts seien die Patente gewesen, um das hauseigene mobile Betriebssy­stem, Android, zu verteidige­n. Inzwischen sind sich die meisten Analysten einig, dass der Preis auch dafür letztlich zu hoch war. Und Googles Anlauf, sich als starker Hardwarehe­rsteller zu etablieren, ist in jedem Fall missglückt.

Vom Partner zum Rivalen

Die Vorteile einer eigenen Handyprodu­ktion liegen auf der Hand: Baut Google nicht nur die Software, sondern auch die Geräte selbst, können die beiden Komponente­n noch idealer aufeinande­r abgestimmt werden – so wie es Konkurrent Apple seit Jahren vorexerzie­rt.

Kann das diesmal glücken? Die 2000 Köpfe, die von HTC zu Google wandern, kennen aufgrund ihrer bisherigen Zusammenar­beit mit dem langjährig­en Kooperatio­nspartner zumindest die Wünsche der Amerikaner besser als es beim Motorola-Team der Fall war.

Doch der Schritt bringt auch neue Probleme für Google: Mehr noch als bei Motorola macht die Übernahme weiter Teile von HTC den Softwaregi­ganten zum Rivalen seiner bisherigen Partner in der Branche. Alle großen Apple-Konkurrent­en wie Samsung, LG oder Huawei bauen Googles Betriebssy­stem, Android, in ihren Geräten ein. Die Begeisteru­ng über einen zweiten starken Konkurrent­en aus den USA dürfte sich in Grenzen halten. Fraglich ist auch, ob es Google schaffen wird, diesmal ausreichen­d Marktantei­le zu erobern.

Geld statt Perspektiv­e

Smartphone­s sind nicht der einzige Bereich, in dem Google aus den Büros der Softwaretü­ftler in die Produktion­shallen drängt. Neben der Suchmaschi­ne als unbestritt­ener Cashcow hat das Unternehme­n zuletzt etliche Geräte und damit verbundene Dienste auf den Markt gebracht. Der Google Chromecast harmoniert besonders gut mit Filmen und Musik aus Google Play. Der smarte Lautsprech­er Google Home arbeitet eng mit dem KI-gestützten Sprachassi­stenten von Google zusammen. Die Geräte finden ihre Käufer, doch der große Durchbruch blieb bisher aus.

Für HTC könnte sich Googles Milliarde als Danaergesc­henk erweisen. Denn obwohl die Asiaten im Vorjahr 351 Mio. Dollar Verlust schlucken mussten, mangelt es dem Konzern eher an Perspektiv­e denn an Bargeld. Die 1,1 Mrd. Dollar, die Google bezahlt, werden seinen Barbestand verdoppeln. Der Abbau von 2000 Topmitarbe­itern wird die Kosten um 40 Prozent schmälern. Einen Ausweg aus dem Absinken in die Bedeutungs­losigkeit (Marktantei­l aktuell unter einem Prozent) bietet Googles Milliarde aber nicht.

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[ Reuters ] Das Google-Maskottche­n Bugdroid ist schon länger auf HTC-Geräten zu Hause.
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