Semyon Bychkov diesmal mit dem RAI-Orchester
Ein russisches Programm, das auch dank Pianist Kirill Gerstein spannende Einsichten vermittelte.
Italiens Rundfunkorchester mit Rachmaninow und Tschaikowsky im Konzerthaus? Polyglott müssen Radiosymphoniker ja prinzipiell sein, doch kamen diesmal schon deshalb kaum Stildiskussionen auf, weil der russischstämmige Solist Kirill Gerstein Rachmaninows viel geplagtes c-Moll-Konzert von jeglichem Filmmusikpathos freihielt.
Der 37-Jährige verfügt über eine technische Meisterschaft, die es ihm ermöglicht, selbst haarsträubende Vertracktheiten geradezu nonchalant zu bewältigen – oft streut er Akkordkonglomerate wie Konfetti über die lang gezogenen Streicherkantilenen des RAI-Orchesters. Zwar lässt auch Maestro Bychkov deutlich phrasieren, sodass nichts verschwimmt und Rachmaninows durchwegs stringente kompositorische Konstruktion nicht im notorischen Klangnirwana verschwindet. Doch Gerstein treibt die kristalline Spielweise auf die Spitze – hie und da um den Preis größerer Zusammenhänge, aber im Dialog mit den Solobläsern von kammermusikalischer Feinheit.
Vor allem gelingt es diesen Musikern, das Finale zu musizieren, wie der Komponist es vorschreibt: „scherzando“. Das ist eine ebensolche Rarität wie Gersteins Tschaikowsky-Zugabe, die „Meditation“aus den Stücken op. 72, vollkommen austariert in den klanglich perfekt voneinander abgehobenen Einzelstimmen.
So wirft man ein klärendes Licht auf die viel gescholtene russische Romantik, wo es viel weniger oberflächlich gefühlsselig hergeht, als die Fama wahrhaben will. Das wird auch bei Bychkovs Deutung von Tschaikowskys f-Moll-Symphonie deutlich, die das RAI-Orchester, gewiss ein wenig unveredelt im Gesamtklang, doch voll der Energie und Tatkraft, leidenschaftlich, aber nicht überbordend darzustellen wusste. Große Gefühle werden da gewiss laut (und zuweilen auch eindringlich leise), doch kommt Tschaikowskys hoch konzentrierte thematische Arbeit nicht zu kurz – es ist ja doch eine auf klassischen Vorbildern aufbauende, auf diese reagierende Symphonie und nicht eine freie „Tondichtung“. Bychkovs kapellmeisterische Übersicht garantiert den Zusammenhalt. „Nimrod“aus Elgars „Enigma-Variationen“rundete den schönen Abend sanft ab.