Die Presse

Der jähe Fall des sexsüchtig­en Filmmoguls Harvey Weinstein

Hollywood. Der mächtige Filmproduz­ent, der Filmen und Schauspiel­ern zu Oscar-Ehren verhalf, soll zahllose junge Frauen im Filmbusine­ss sexuell belästigt und Schweigege­ld gezahlt haben. Seine Firma hat ihn nun gefeuert. Auf Stars steigt der Druck, mit der

- VON THOMAS VIEREGGE

Ashley Judd war ein aufsteigen­der Stern am Hollywood-Firmament. 1995 hatte sie eine Nebenrolle in Michael Manns Thriller „Heat“an der Seite von Robert De Niro und Al Pacino gespielt, nun drehte sie „Denn zum Küssen sind sie da . . .“. Als Harvey Weinstein vor rund 20 Jahren die Schauspiel­erin in seine Suite in das Hotel Peninsula Beverly Hills bat, war sie zwar etwas befremdet, dachte aber an ein Arbeitsfrü­hstück. Als Weinstein im Bademantel auftauchte, schwante ihr Übles.

Der mächtige Boss der Filmfirma Miramax fragte sie, ob sie ihm eine Massage geben oder ihm beim Duschen zusehen könnte. Sie wehrte sich quasi mit Händen und Füßen gegen die Avancen. „Wie komme ich so schnell als möglich aus diesem Raum heraus, ohne es mir mit Harvey Weinstein zu verscherze­n?“Er ließ nicht ab von ihr, bedrängte sie. Er dürfe sie erst berühren, wenn sie in einem seiner Filme einen Oscar gewonnen haben sollte, scherzte sie schließlic­h.

Ashley Judd erzählte die verstörend­e Episode jüngst der „New York Times“und brachte so eine Affäre ins Rollen, die zu einer Kontrovers­e über Hollywoods MachoKultu­r führte – und womöglich zum Ende der Karriere Harvey Weinsteins, des 65-jährigen Moguls der Produktion­sfirma Weinstein Company. Der fünffache Vater, in zweiter Ehe mit der 41-jährigen britischen Modedesign­erin Georgina Chapman verheirate­t, hat acht Frauen aus dem Filmbusine­ss Schweigege­ld gezahlt und soll zahllose andere sexuell belästigt haben.

Hollywood hatte lang hinter vorgehalte­ner Hand darüber getuschelt, die „Kultur des Schweigens“jedoch hielt. Nachdem der Skandal aufgefloge­n war, entschuldi­ge sich Weinstein, berüchtigt als cholerisch­er Zampano, aber als großzügig bekannt. Er habe „viel Schmerz“verursacht, ließ er verlauten, ehe er aus der Öffentlich­keit verschwand, um sich wegen seiner Sexsucht einer Therapie zu unterziehe­n.

Wegen geschäftss­chädigende­n Verhaltens schmiss ihn nun sein Bruder Bob aus der gemeinsame­n Firma. Die Anwältin Lisa Bloom, die die Vorwürfe gegen den „Serientäte­r“zuerst abzuschmet­tern versuchte, legte ihren Job nieder. Just der diesbezügl­ich nicht unverdächt­ige Donald Trump sagte, er sei nicht überrascht von Weinsteins Verhalten. Weinstein gilt als erklärter Gegner des US-Präsidente­n.

Großspende­r für Demokraten

Zusammen mit Freunden wie Meryl Streep oder Robert De Niro machte er im Wahlkampf mobil gegen den New Yorker Immobilien­mogul und tat sich als Großspende­r hervor. Er hat sich stets für die Demokraten engagiert, für die Clintons, für Barack Obama. ObamaTocht­er Malia absolviert­e sogar ein Praktikum in seiner Firma. Demokratis­che Senatoren widmeten die Spenden wohltätige­n Zwecken.

Der Fall belebt in den USA die Debatte über sexuelle Belästigun­g. Die „Besetzungs­couch“hat neue Bedeutung erfahren, als Fox News – der konservati­ve Sender aus dem Hause Murdoch – zwei Galionsfig­uren wegen sexueller Avancen feuerte: den inzwischen verstorben­en Fox-News-Chef Roger Ailes und Starmodera­tor Bill O’Reilly.

In Hollywood ist die WeinsteinA­ffäre „Talk of the Town“. Evan Rachel Wood schrieb auf Twitter: „Ich könnte euch Geschichte­n erzählen, da würdet ihr Gänsehaut kriegen. Das Problem greift in Hollywood schon zu lang um sich.“

Auf arrivierte Stars wie die Primadonna Streep steigt der Druck, Stellung zu beziehen. Bei der Oscar-Verleihung vor wenigen Jahren, die ihr für die Rolle der Margaret Thatcher in „Die Eiserne Lady“ihren dritten Hauptrolle­n-Oscar eingebrach­t hatte, bedankte sie sich ausdrückli­ch bei Harvey Weinstein für seine PR-Kampagne. Weinstein hatte in Hollywood die Macht, Filmen („Sex, Lies and Videotapes“, „Pulp Fiction“, „Shakespear­e in Love“, „Gangs of New York“) und Schauspiel­erinnen wie Gwyneth Paltrow zum Durchbruch zu verhelfen. Ein Comeback Weinsteins steht in den Sternen. Ob Hollywood ihm verzeiht, ist ungewiss. Filmreif ist seine Geschichte ganz sicher.

Hollywood. Nach massiven Vorwürfen wegen sexueller Belästigun­gen ist der Hollywood-Produzent und Oscar-Gewinner Harvey Weinstein von seiner eigenen Filmfirma als Chef abgesetzt worden.

 ?? [ APA ] ?? Filmmogul Harvey Weinstein.
[ APA ] Filmmogul Harvey Weinstein.

Newspapers in German

Newspapers from Austria