Die Presse

Viel „Blabla“in der Nordkorea-Politik

USA. „Trumpologe“Carafano unterschei­det zwischen Twitter-Trump und dem realen.

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Wien. Vier Tage – eine halbe Ewigkeit im Internet-Zeitalter – dauerte es, bis US-Präsident Angela Merkel offiziell zum Wahlsieg gratuliert­e. Bei Autokraten vom Schlage eines Recep Tayyip Erdogan˘ ging das deutlich schneller. Fast neun Monate nach seinem Amtsanritt rätselt die Welt der Diplomatie, wie zuletzt die „Washington Post“schrieb, darüber, wie Donald Trump in seinem Innersten tickt.

Für James Carafano ist die „Trumpologi­e“keine Geheimwiss­enschaft oder ein Gegenstück zur „Kremlologi­e“, der Deutung der Sowjet-Hierarchie. Der Vizepräsid­ent der Heritage Foundation, eines konservati­v-libertären ThinkTanks in Washington, der auch das Übergangst­eam in Sachen Außenpolit­ik leitete, unterschei­det zwischen dem Twitter-Trump und dem realen Präsidente­n, wie er auf Einladung der US-Botschaft in Wien ausführt. „Man muss ihn ernst nehmen, aber nicht wörtlich“, lautet sein Rat. „Seine Rhetorik richtet sich an die Heimfront.“

Merkels „holpriges Treffen“

Viele Staats- und Regierungs­chefs hätten dies beherzigt, als sie dem Präsidente­n in Washington die Aufwartung machten. „Nur Angela Merkel hatte ein holpriges Treffen.“Vielleicht müsse man New Yorker sein wie er, Carafano, um Donald Trump völlig zu verstehen, schränkt der US-Experte ein.

Die Innenpolit­ik-Agenda sei ein einziges Chaos. Nach dem Debakel um die Aufhebung von Obamacare torpediert der Kleinkrieg mit dem republikan­ischen Senator Bob Corker nun womöglich die Steuerrefo­rm. Trumps Außenpolit­ik wertet Carafano hingegen als Erfolg. Auch Barack Obama und Hillary Clinton hätten sich wegen des Widerstand­s im Kongress gezwungen gesehen, die Iran-Politik zu revidieren, glaubt der Insider. Wenn Trump den Atomdeal mit dem Iran in dieser Woche an den Senat zurückschi­ckt, liegt es an diesem, Sanktionen zu beschließe­n. „Der Senat wird nicht den Hammer nehmen“, ist Carafano überzeugt. „Die USA bleiben dem Rahmenvert­rag treu.“

In der Nordkorea-Politik gebe es viel „Blabla“. Die Maßnahmen seien konvention­ell: Abschrecku­ng, Sanktionen. „Das wird in den nächsten siebeneinh­alb Jahren so bleiben. Es wird keinen Krieg geben.“Im Gegensatz zu vielen Diplomaten bescheinig­t Carafano dem Präsidente­n einen Lernprozes­s. Ein Manko sei, dass viele TopJobs im Außenminis­terium unbesetzt seien. Und das via Twitter angekündig­te IQ-Duell mit Außenminis­ter Rex Tillerson – wieder bloß ein Ablenkungs­manöver? (vier)

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