Kreml droht Radio Liberty
Russland. Washington überlegt, die Tätigkeit russischer Medien in den USA zu beschränken. Moskau setzt im Gegenzug US-Sender unter Druck.
Moskau/Wien. Der diplomatische Schlagabtausch zwischen Russland und den Vereinigten Staaten könnten nun auch Niederschlag in der Medienbranche finden. Nachdem Berichte die Runde machten, wonach Washington die Tätigkeit des vom russischen Staat finanzierten Fernsehsenders Russia Today (RT) und der Internetseite Sputnik beschränken will, hat Moskau mit einer ähnlichen Ankündigung reagiert.
Mehrere russischsprachige Formate von Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) haben zu Wochenbeginn schriftliche Warnungen der russischen Behörden erhalten, wonach die Sendungen den Status eines „ausländischen Agenten“erhalten könnten. Betroffen sind unter anderem der RFE/RLDienst für Russland, „Radio Swoboda“, die Sendeformate für den Nordkaukasus und die annektierte Krim, sowie der OnlineFernsehkanal „Nastojaschee Vremja“. Eine Quelle aus dem russischen Justizministerium erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass „das Prinzip der Reziprozität weiter angewandt wird in Abhängigkeit von den Maßnahmen, die gegen russische Medien in den USA ergriffen werden“.
RFE/RL stammt aus der Zeit des Kalten Krieges und versorgte Hörer in den sozialistischen Staaten mit Westinformation. Es wird vom Kongress der Vereinigten Staaten finanziert. Früher hatte es seinen Sitz in München, seit Mitte der 1990er ist es in Prag beheimatet. Der Medienbetrieb ist durch ein weites Korrespondentennetzwerk in vielen postsowjetischen Staaten vertreten und sen- det seine Beiträge in den jeweiligen Landesund auch Minderheitensprachen. Gerade in den autokratisch ausgerichteten Ex-Sowjetrepubliken hat das Medium den Ruf, oppositionelle Perspektiven zu verbreiten. Die aktuell gestaltete Internetpräsenz von RFE/RL hat in den vergangenen Jahren gegenüber dem Radio an Bedeutung gewonnen.
Russische Anzeigen auf Facebook
Seit dem Jahr 2012 wurden mehr als 100 Nichtregierungsorganisationen in Russland gezwungen, sich beim Justizministerium als „ausländischer Agent“zu registrieren, wenn sie ganz oder teilweise aus dem Ausland finanziert werden bzw. politisch aktiv sind. Die NGOs müssen diesen Status im Namen und in all ihren Veröffentlichungen erwähnen und werden strenger kontrolliert.
Nach der mutmaßlichen Beeinflussung der US-Präsidentenwahl durch Russland hat Washington ein strengeres Vorgehen gegen staatliche russische Medien auf US-Territorium angekündigt. Derzeit widmet sich der Geheimdienstausschuss des US-Kongresses unter anderem russischen Anzeigen auf Facebook und Twitter während der Wahlkampagne. Bei der geplanten Beschränkung russischer Medienunternehmen könnte man indes ein Gesetz aus dem Kalten Krieg zu Hilfe ziehen. Es verlangt ebenso die Registrierung als „Agent“. Ursprünglich war es zur Eindämmung von Nazi-Propaganda gedacht und zwang später sowjetische Organe wie die „Prawda“oder die Nachrichtenagentur „Tass“zur Registrierung. (som)