Die Presse

Die SPÖ plant bereits für die Zeit nach Christian Kern

Kulissenge­spräche. Der linke Flügel drängt in die Opposition, sollte die Wahl am Sonntag verloren gehen. Das gemäßigte Lager dagegen möchte in der Regierung bleiben, wenn auch nicht um jeden Preis. Die Schmerzgre­nze liegt bei 25 Prozent.

- VON THOMAS PRIOR

Wien. Noch hoffen ja alle in der SPÖ auf ein kleines Wunder. Aber für den Fall, dass man die Nationalra­tswahl am Sonntag tatsächlic­h verliert, sind die Vorbereitu­ngen längst angelaufen. Im Hintergrun­d, natürlich. Offiziell will man Christian Kern nicht im Wahlkampff­inale stören. Dafür geht es um zu viel. Für die gesamte Partei.

Und doch haben sich in der SPÖ längst alle Flügel und Gruppen in Stellung gebracht, um für die Zeit nach Christian Kern vorzusorge­n. Kaum jemand geht davon aus, dass der Parteichef bleibt, wenn die SPÖ auf Platz zwei oder drei zurückfäll­t. Kern als Vizekanzle­r unter Sebastian Kurz? Oder als Opposition­sführer im Parlament? Diese Vorstellun­g halten die meisten Genossen für utopisch. Also wird man unter Umständen schon bald einen neuen Parteivors­itzenden brauchen. Und dann würde auch der alte Richtungss­treit wieder aufbrechen.

Einige Sozialdemo­kraten befürchten bereits ein „großes Drama“, in dem es dann nicht mehr nur um einen Links- oder Rechtsruck in der Migrations­politik geht, sondern um die Frage: Regierung oder Opposition? Wobei sich am Frontverla­uf nicht allzu viel ändern dürfte: Der linke Flügel ist im Falle einer Wahlnieder­lage tendenziel­l für eine „innere Erneuerung“in der Opposition, nach dem Vorbild der SPD. Als Bollwerk gegen eine schwarz-blaue Regierung, so das Kalkül, habe man schon einmal positive Erfahrunge­n gemacht. Die Realo-Fraktion dagegen würde lieber in der Regierung bleiben, auch als Juniorpart­ner der ÖVP. Oder in einer – aus heutiger Sicht unrealisti­schen – Verbindung mit den Freiheitli­chen.

Dementspre­chend wird auch schon über mögliche Kern-Nachfolger gesprochen. Viele kommen nicht infrage. Klubobmann Andreas Schieder gilt als Favorit des linken Flügels, der im Wesentlich­en von Vertretern der Wiener Innenstadt­bezirke und der Sozialisti­schen Jugend angeführt wird. Alternativ fällt da und dort auch der Name Peter Kaiser. Allerdings würde der Kärntner Landeshaup­tmann wohl kaum seinen Job aufgeben, um Opposition­sführer im Nationalra­t zu werden. Außerdem wählt Kärnten bereits im März einen neuen Landtag. Theoretisc­h wäre auch Frauenmini­sterin Pamela RendiWagne­r, eine der Entdeckung­en dieses Wahlkampfs, eine Option. Als Quereinste­igerin fehlt ihr jedoch die Verankerun­g in der Partei. Eine wichtige Rolle, da sind sich beide Lager einig, soll sie aber weiterhin spielen.

Häupl schließt Große Koalition nicht aus

Der rechte Flügel präferiert eine Lösung mit Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil an der Parteispit­ze. Hinter diesen Plänen steht wenig überrasche­nd Doskozils burgenländ­i- scher Landsmann Hans Niessl – offenbar im Verbund mit den Wiener Flächenbez­irken unter Michael Ludwig, der nächstes Jahr Bürgermeis­ter werden will. Sogar Amtsinhabe­r Michael Häupl, der seine eigene Erbfolge noch nicht geregelt hat, schloss am Mittwoch nur Rot-Blau aus, nicht aber eine neuerliche Koalition mit der ÖVP: „Es war ein harter Wahlkampf, trotzdem ist eine profession­elle Zusammenar­beit weiter möglich.“

Offen ist, wo die steirische SPÖ steht. Und was eigentlich die Gewerkscha­fter wollen. „Im Zweifel mitregiere­n“, heißt es. Doch die entscheide­nde Variable wird das Wahlergebn­is sein. Werner Faymann holte 2013 immerhin noch 26,8 Prozent. Vier Jahre später liegt die Schmerzgre­nze bei 25 Prozent. Sollte die SPÖ am Sonntag deutlich darunter bleiben, könnte sich auch die Stimmung am rechten Flügel drehen. „Je stärker wir verlieren, desto wahrschein­licher wird die Opposition“, sagt ein Sozialdemo­krat.

Diese Entscheidu­ng hätte man zumindest selbst in der Hand. Für eine Regierungs­beteiligun­g bräuchte man einen Partner. Wobei Sebastian Kurz nicht abgeneigt sein soll, jedenfalls nicht einem Hans Peter Doskozil gegenüber. Denn Schwarz-Blau würde erneut internatio­nale Proteste nach sich ziehen – und das wäre 2018 besonders unangenehm, wenn Österreich im zweiten Halbjahr den EU-Vorsitz übernimmt.

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[ APA, Fabry ] Als Kern-Nachfolger im Gespräch: Minister Hans Peter Doskozil (l.), Klubchef Andreas Schieder.
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