Die SPÖ plant bereits für die Zeit nach Christian Kern
Kulissengespräche. Der linke Flügel drängt in die Opposition, sollte die Wahl am Sonntag verloren gehen. Das gemäßigte Lager dagegen möchte in der Regierung bleiben, wenn auch nicht um jeden Preis. Die Schmerzgrenze liegt bei 25 Prozent.
Wien. Noch hoffen ja alle in der SPÖ auf ein kleines Wunder. Aber für den Fall, dass man die Nationalratswahl am Sonntag tatsächlich verliert, sind die Vorbereitungen längst angelaufen. Im Hintergrund, natürlich. Offiziell will man Christian Kern nicht im Wahlkampffinale stören. Dafür geht es um zu viel. Für die gesamte Partei.
Und doch haben sich in der SPÖ längst alle Flügel und Gruppen in Stellung gebracht, um für die Zeit nach Christian Kern vorzusorgen. Kaum jemand geht davon aus, dass der Parteichef bleibt, wenn die SPÖ auf Platz zwei oder drei zurückfällt. Kern als Vizekanzler unter Sebastian Kurz? Oder als Oppositionsführer im Parlament? Diese Vorstellung halten die meisten Genossen für utopisch. Also wird man unter Umständen schon bald einen neuen Parteivorsitzenden brauchen. Und dann würde auch der alte Richtungsstreit wieder aufbrechen.
Einige Sozialdemokraten befürchten bereits ein „großes Drama“, in dem es dann nicht mehr nur um einen Links- oder Rechtsruck in der Migrationspolitik geht, sondern um die Frage: Regierung oder Opposition? Wobei sich am Frontverlauf nicht allzu viel ändern dürfte: Der linke Flügel ist im Falle einer Wahlniederlage tendenziell für eine „innere Erneuerung“in der Opposition, nach dem Vorbild der SPD. Als Bollwerk gegen eine schwarz-blaue Regierung, so das Kalkül, habe man schon einmal positive Erfahrungen gemacht. Die Realo-Fraktion dagegen würde lieber in der Regierung bleiben, auch als Juniorpartner der ÖVP. Oder in einer – aus heutiger Sicht unrealistischen – Verbindung mit den Freiheitlichen.
Dementsprechend wird auch schon über mögliche Kern-Nachfolger gesprochen. Viele kommen nicht infrage. Klubobmann Andreas Schieder gilt als Favorit des linken Flügels, der im Wesentlichen von Vertretern der Wiener Innenstadtbezirke und der Sozialistischen Jugend angeführt wird. Alternativ fällt da und dort auch der Name Peter Kaiser. Allerdings würde der Kärntner Landeshauptmann wohl kaum seinen Job aufgeben, um Oppositionsführer im Nationalrat zu werden. Außerdem wählt Kärnten bereits im März einen neuen Landtag. Theoretisch wäre auch Frauenministerin Pamela RendiWagner, eine der Entdeckungen dieses Wahlkampfs, eine Option. Als Quereinsteigerin fehlt ihr jedoch die Verankerung in der Partei. Eine wichtige Rolle, da sind sich beide Lager einig, soll sie aber weiterhin spielen.
Häupl schließt Große Koalition nicht aus
Der rechte Flügel präferiert eine Lösung mit Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil an der Parteispitze. Hinter diesen Plänen steht wenig überraschend Doskozils burgenländi- scher Landsmann Hans Niessl – offenbar im Verbund mit den Wiener Flächenbezirken unter Michael Ludwig, der nächstes Jahr Bürgermeister werden will. Sogar Amtsinhaber Michael Häupl, der seine eigene Erbfolge noch nicht geregelt hat, schloss am Mittwoch nur Rot-Blau aus, nicht aber eine neuerliche Koalition mit der ÖVP: „Es war ein harter Wahlkampf, trotzdem ist eine professionelle Zusammenarbeit weiter möglich.“
Offen ist, wo die steirische SPÖ steht. Und was eigentlich die Gewerkschafter wollen. „Im Zweifel mitregieren“, heißt es. Doch die entscheidende Variable wird das Wahlergebnis sein. Werner Faymann holte 2013 immerhin noch 26,8 Prozent. Vier Jahre später liegt die Schmerzgrenze bei 25 Prozent. Sollte die SPÖ am Sonntag deutlich darunter bleiben, könnte sich auch die Stimmung am rechten Flügel drehen. „Je stärker wir verlieren, desto wahrscheinlicher wird die Opposition“, sagt ein Sozialdemokrat.
Diese Entscheidung hätte man zumindest selbst in der Hand. Für eine Regierungsbeteiligung bräuchte man einen Partner. Wobei Sebastian Kurz nicht abgeneigt sein soll, jedenfalls nicht einem Hans Peter Doskozil gegenüber. Denn Schwarz-Blau würde erneut internationale Proteste nach sich ziehen – und das wäre 2018 besonders unangenehm, wenn Österreich im zweiten Halbjahr den EU-Vorsitz übernimmt.