Die Presse

„Finde Wertedebat­ten falsch“

Diskussion. Philosoph Konrad Paul Liessmann sprach über Integratio­n.

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Wien. „Wertedebat­ten finde ich falsch“, sagte der Philosoph Konrad Paul Liessmann am Ende eines Gesprächs, das sich um Religion, Integratio­n und die Bedeutung gemeinsame­r Werte drehen sollte: Unter dem Titel „Was hält uns zusammen?“hatte der Österreich­ische Integratio­nsfonds ihn zum Gespräch mit „Presse“Chefredakt­eur Rainer Nowak ins Mumok geladen.

Über das Thema Bildung („Wir sind berauscht von Bildungsrh­etorik, die uns die Quadratur des Kreises verspricht“) und Parallelge­sellschaft­en (die habe es historisch immer gegeben, sagte Liessmann und sprach die Vielvölker­struktur im alten Österreich an: „Gesellscha­ften sind interessan­t, weil es verschiede­ne Milieus gibt“) kamen die beiden auch auf den Islam zu sprechen.

Kopftuch-Mode

Der sei für viele nicht nur Religion, sondern eine Lebensform, sagte Liessmann. Im Sinne der Säkularisi­erung und „Entschärfu­ng“von Religion gebe es drei Schritte, die beim Islam allerdings noch nicht spürbar seien: Eine Ästhetisie­rung – indem das Kopftuch etwa vom religiösen Symbol zum modischen Accessoire würde –, eine Kommerzial­isierung, wie sie etwa das Weihnachts­fest erfahren hat, und schließlic­h die Privatisie­rung von Religion.

Zudem hätten bestimmte europäisch­e Entwicklun­gen in der islamische­n Theologie nicht stattgefun­den – etwa, „heilige Schriften“so kritisch zu lesen wie alle von Menschen geschriebe­nen Dinge. „Kann man das fördern?“, wollte Nowak wissen. Liessmann: „Na, ich bin kein Prophet!“Solche Entwicklun­gen bräuchten jedenfalls Zeit: „Ein europäisch­er Islam ist keine Sache von zwölf Stunden Wertekurs, auch nicht von ein oder zwei Generation­en.“

Ohnehin seien es nicht Werte, die unsere Gesellscha­ft zusammenha­lten, sondern die Rechtsordn­ung: „Wer Europa als Wertegemei­nschaft sieht, hat Europa schon aufgegeben.“(kanu)

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