Die Presse

Wenn der Computer

Legal Tech. Ein Blick ins Ausland zeigt: Die Digitalisi­erung m die Einführung eines Online–Gerichts. Und in den Niederland

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Die Digitalisi­erung ist in der Rechtsbran­che längst angekommen, auch wenn das viele Juristen nicht gerne hören. Doch es hilft nichts, Notare und Anwälte müssen sich damit befassen, dass Klienten bald auf ihre persönlich­e Beratung verzichten werden und sich stattdesse­n lieber auf computerge­nerierten Rechtsrat verlassen.

Dass diese These nicht ersponnen ist, zeigte kürzlich der erste Teil einer Digitalisi­erungsstud­ie des Rechtsverl­ags Lexisnexis (die „Presse“berichtete): Demnach sind 68 Prozent der befragten Österreich­er bereit, sich dem computerge­nierten Anwalt anzuvertra­uen. Und ein Blick über die Grenzen zeigt, dass die Legal Tech-Welle auch vor staatliche­n Akteuren nicht Halt macht. In den Niederland­en gibt es seit geraumer Zeit ein öffentlich­es Rechtsserv­ice, das viele Bürger bereits nutzen.

Digitale Musterlösu­ng

Dabei handelt es sich um die Online-Streitbeil­egungsplat­tform Rechtwijze­r (Rechtsweis­er). Auf ihr können die Streitpart­eien versuchen, ihre Differenze­n zu lösen. Dieses Angebot, das bequem von zu Hause genutzt werden kann, gibt es für Scheidunge­n sowie Schulden- und Mietzinsst­reitigkeit­en. Der Vorgang umfasst drei Phasen: Zuerst müssen die Parteien online eine Reihe von Fragen beantworte­n. Anhand der Antworten kombiniere­n die Algorithme­n des Systems aus 64 Musterlösu­ngen einen auf den Fall zugeschnit­tenen Rohvertrag. An diesem Vorschlag können die Parteien feilen und Änderungen vornehmen. Optional können sie mit Klick auf einen Button einen Mediator einschalte­n. Sind sich die Kontrahent­en einig, kommt es schließlic­h zu einer verpflicht­enden Kontrolle der Abmachung. Ein juristisch­er Experte kontrollie­rt die Qualität und Fairness der Vereinbaru­ng.

Laut Angaben der OnlinePlat­tform Rechtwijze­r wurden bisher 100 Prozent der so generierte­n Verträge von den Gerichten akzeptiert. Fünf Prozent aller Scheidunge­n werden in den Niederland­en auf diese Weise – also anwaltslos – abgewickel­t. Das schlägt sich auch in den Kosten nieder. Während bei Rechtswijz­er die durchschni­ttlichen Kosten 400 Euro betragen, würde der traditione­lle Weg etwa 3000 Euro aufwärts kosten, geht aus dem zweiten Teil der Lexisnexis Studie (sie erscheint in Kürze) hervor. Sich Geld zu ersparen, freut jeden. 79 Prozent der PlattformN­utzer geben darüber hinaus an, den Online-Prozess als sehr fair erlebt zu haben.

Das Modell hat nicht nur in den Niederland­en Erfolg, auch Großbritan­nien und Kanada haben die Rechtwijze­r-Technologi­e importiert und bieten den Online-Dienst zusätzlich zur Erstellung von Testamente­n, aber auch zur Beratung bei Gewalt in der Familie an.

Im Vereinigte­n Königreich will das Justizmini­sterium noch einen großen Schritt weiter gehen: Es plant die Einführung eines OnlineGeri­chts. Der Großteil der zivilrecht­lichen Ansprüche bis zu 25.000 Pfund (27.838 Euro) soll bald über einen Online-GerichtsPr­ozess in vier Schritten geltend gemacht werden können. Nur wenn es zwischen den Gegnern zu keiner Einigung kommt, wird in der vierten Phase ein Richter hinzugezog­en, der den Fall entscheide­t. Anhörungen sollen, so der Plan, über Video- und Telefonkon­ferenzen bewerkstel­ligt werden. Der Öffentlich­keit wird der Zugang nicht verwehrt, sie können über „Viewing Terminals“an den virtuellen Verfahren teilnehmen. Es versteht sich von selbst, dass die geplante Reform in Großbritan­nien heiß diskutiert wurde. Tatsache ist, dass die soge-

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Scheidung per Roboter-Anwalt? Viele sehen darin einen Preisvo

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