Manager können aufatmen: VwGH änderte seine Judikatur
Arbeitskräfteüberlassung. Eine EuGH- Entscheidung brachte den VwGH dazu, seine bisherige Rechtsprechung zu korrigieren.
Über den Vorstand des börsenotierten Unternehmens Andritz wurde kürzlich eine Verwaltungsstrafe wegen Arbeitsrechtsvergehen in der Höhe von 22 Mio. Euro verhängt. Den Bescheid hat das Management bekämpft. Und seine Chancen auf Erfolg sind seit kurzem deutlich besser. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) ist nämlich in einer aktuellen Entscheidung Ra 2017/11/0068 von seiner ständigen – strengen – Rechtssprechung zur grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung abgegangen. Das könnte nicht nur Auswirkungen für Andritz, sondern auch für viele andere Unternehmen haben.
EuGH-Urteil wies den Weg
„Ob eine Dienstleistung als Werkvertrag oder doch als Arbeitskräfteüberlassung zu beurteilen ist, hat für Unternehmen wirtschaftlich große Bedeutung. Konzerngesellschaften gestalten etwa ihre Zusammenarbeit häufig über Dienstleistungsverträge – und die werden nach der zitierten VwGHEntscheidung nicht mehr so schnell als Arbeitsüberlassung zu qualifizieren sein“, sagt Arbeitsrechtsexperte Christoph Wolf.
Ausschlaggebend für die Judikaturwende war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (C-586/13) in der Rechtssache Martin Meat. Anlässlich dieses Falls hatte sich der EuGH mit der Entsende-Richtlinie der EU zu befassen und damit, welche Kriterien für die Abgrenzung von grenzüberschreitender Arbeitskräfteüberlassung und der Entsendung auf Grund eines Werkvertrages maßgeblich sind.
Der EuGH kam zu dem Schluss, dass der VwGH die Entsende-Richtlinie bisher unrichtig vollzogen hat. „Für die Abgrenzung zwischen Werkvertrag und Arbeitskräfteüberlassung zog der VwGH bisher § 4 Abs. 2 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) heran. Erfüllte der Sachverhalt nur eine der dort aufgezählten Kriterien, qualifizierte der VwGH das Arbeitsverhältnis sofort als Arbeitskräfteüberlassung. Und zwar selbst dann, wenn die zugrunde liegende Vereinbarung zivilrechtlich als Werkvertrag zu qualifizieren war“, so Christoph Wolf. Aufgrund der EuGH–Entscheidung hatte der VwGH nun seine Judikatur zu korrigieren. „Nach neuer Ansicht ist bei der Beurteilung, ob ein Sachverhalt als grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung anzusehen ist, nicht nur auf das Vorliegen eines einzigen der in § 4 AÜG genannten Kriterien abzustellen. Vielmehr ist künftig eine ’wertende Gesamtbetrachtung’ vorzunehmen.“
Was meint der VwGH damit? Für die Qualifikation ist etwa ausschlaggebend wer bestimmt, wie viele Arbeitnehmer für die Herstellung des Werkes herangezogen werden oder von wem die Arbeitnehmer die Weisungen für die Ausführungen ihrer Tätigkeiten erhalten. „Auch kommt es darauf an, ob die Vergütung der Arbeit von der Qualität der Leistung abhängt oder wer die Verantwortung für eine nicht vertragsgemäße Ausführung trägt“, erklärt Wolf.
Was gilt für Fälle im Inland?
Die aktuelle VwGH-Entscheidung bezieht sich allerdings nur auf grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassungen. Ob der VwGH bei einem rein inländischen Sachverhalt genauso entscheiden wird, bleibt derweil noch offen.
Der Experte glaubt allerdings, ein rein innerstaatlicher Fall wäre nicht anders zu beurteilen. Und weshalb? „Neben der EntsendeRichtlinie, gibt es noch jene über Leiharbeit. Sie ist auch auf innerstaatliche Fälle anwendbar. Man wird davon ausgehen müssen, dass der Begriff der Leiharbeit in beiden Richtlinien gleich zu verstehen ist und die Abgrenzung nach den gleichen Regeln vorzunehmen ist. Damit ist aber klar, dass die neue Judikatur auch für nicht grenzüberschreitende Sachverhalte gilt.“