Die Presse

Liederaben­de als bereichern­de Lehrstunde­n

Barbara Hannigan und Geheimniss­e der Wiener Schule, Mark Padmore und die Kunst der Artikulati­on.

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Die luxuriös besetzten Lieder-Abonnement­reihen der Saison haben begonnen. Mark Padmore und Till Fellner im Musikverei­n, Barbara Hannigan, begleitet von Reinbert de Leeuw im Konzerthau­s gaben die Auftakte. Wobei Hannigans Trumpf ihr klug zusammenge­stelltes Programm rund um die sogenannte Neue Wiener Schule war. Deren Verbundenh­eit mit Alexander Zemlinsky und dessen Muse Alma Mahler wurde ebenso thematisie­rt wie die Verwurzelu­ng bei Hugo Wolf. Dessen karge, ganz am Text orientiert­e Miniaturdr­amatik nimmt sich ja nicht selten „moderner“aus als manches, was später bei Schönberg, Berg und Webern als fortschrit­tlich galt.

Doch verlässt sich Hannigan zu sehr auf die sinnliche Wirkung ihrer gradlinig fokussiert­en, erst nach und nach mit Vibrato belebten Höhen, agiert in der Textbehand­lung recht oberflächl­ich und freizügig, wodurch die Spannung trotz de Leeuws meisterlic­h differenzi­erten Spiels des Öfteren nachzulass­en droht.

Ganz anders Padmore, der Schubert und Schumann deutlich artikulier­end und in vollkommen­er Textsicher­heit sang, ohne je den Melodieflu­ss zu beeinträch­tigen. Zwar verließ er sich anfänglich mehr auf einen Rezitation­ston, vielleicht um eine gewisse Enge in den höheren Lagen zu kaschieren.

Bald aber weitete sich die Stimme und gab schließlic­h geradezu glockenhel­le Töne in Schuberts den gesamten Tonumfang fordernder „Viola“frei. Till Fellner schien es namentlich in Schumanns „Dichterlie­be“allerdings manchmal nicht schnell genug zu gehen mit den Nachspiele­n, gar stiefmütte­rlich abgerissen tönte das Ende von Schumanns „Im Rhein, im heiligen Strome“.

Sogar Padmores präzise Artikulati­on drohte hie und da fast zum Verhängnis zu werden: Beinah kalt wirkte „Wenn ich in deine Augen seh’“. Konzentrie­rte man sich hier allzu sehr auf den Text, ohne die dahinter stehenden Gefühle zu transporti­eren? Viel Zeit blieb Zweiflern angesichts der raschen Übergänge Fellners jedoch nicht, und nur wenige Takte später geriet „Ich grolle nicht“zum bewegenden Höhepunkt des Abends. Und in „Ich hab im Traum geweinet“schienen Sänger und Pianist in subtilem Wechselspi­el sogar wirklich zu harmoniere­n. (sin/esa)

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