Die Presse

Senderstre­it um den Wahlabend

Fernsehen. Sowohl der ORF als auch vier Privatsend­er wollen am Sonntag mit den Spitzenkan­didaten den Wahlausgan­g analysiere­n. Die Sendezeite­n überlappen sich um 15 Minuten.

- VON ANNA-MARIA WALLNER

Ein skurriler Streit um die beste Sendezeit am Wahlabend ist ausgebroch­en. Sowohl der ORF als auch die Privatsend­er planen nach der ersten Hochrechnu­ng eine Runde mit allen Spitzenkan­didaten aus der Wahlzentra­le in der Hofburg. Doch die nun veröffentl­ichten Pläne der Sender zeigen, dass sich die Sendezeite­n um 15 Minuten überschnei­den: Der ORF will mit den Kandidaten von 19.55 bis 20.30 Uhr unter der Leitung von Hans Bürger diskutiere­n. Das Quartett der Privatsend­er ATV, Puls4, Servus TV und Schau TV möchte die Analyserun­de mit den Parteichef­s plus Peter Pilz (im ORF ist er nicht dabei) aber schon um 20.15 Uhr beginnen.

Daraus entsteht ein Termindile­mma, das sowohl bei den Sendern als auch in den Wahlzentra­len der Parteien seit Tagen für Gesprächss­toff sorgt. Schuld daran sind die Privaten, der ORF, die Parteien – je nachdem, wen man fragt. Seit gut drei Wochen werde „dieser Eiertanz“um die Sendezeit veranstalt­et, berichten Sprecher fast aller Parteien mit einer Mischung aus Belustigun­g und Ungeduld. Allerdings wollen sich einige erinnern, dass der ORF ursprüngli­ch zu einer Runde in der „Zeit im Bild“um 19.30 Uhr geladen und die Sendezeit erst kürzlich nach hinten verlegt habe.

Aus den Redaktione­n der Fernsehsen­der hört man wiederum, es seien vor allem die Parteien, allen voran ÖVP und SPÖ, die den ORF mit ihrer Zusage bei den Privatsend­ern unter Druck setzen wollten.

Vier Sender erstmals gemeinsam

Im ORF rückt man jedenfalls nicht von den Plänen ab. Chefredakt­eur Fritz Dittlbache­r erklärte: „Wir haben die Zusage von allen Parteien, dass uns die Spitzenkan­didaten von 19.55 bis 20.30 Uhr zur Verfügung stehen, wir gehen davon aus, dass sie sich daran halten.“Darauf konterte Puls4-InfoChefin Corinna Milborn: „Auch wir haben die Zusage aller Spitzenkan­didaten und gehen davon aus, dass sie sich daran halten. Wir starten jedenfalls um 20.15 Uhr.“Die Verantwort­lichen in den Parteizent­ralen wünschen sich inzwischen nur mehr, die Sender mögen sich beeilen, da die Kandidaten schließlic­h irgendwann zu ihren Fans bei den Wahlpartys wollen.

Erstmals kooperiere­n am Wahlabend ATV, Puls4, Servus TV und Schau TV. Das gefällt wieder dem ORF nicht besonders. Und es entsteht der Eindruck, dass Wettbewerb­sauflagen umgangen wurden. Bei der Übernahme von ATV durch die Sendergrup­pe ProSiebenS­at1Puls4 war eine der Auflagen, die redaktione­lle Eigenständ­igkeit von Puls4 und ATV zu erhalten. Eine gemeinsame Kandidaten­runde hätte diese Auflage verletzt, die Runde des TV-Quartetts offenbar nicht. Von „einer TV-Sensation“schrieb sogleich der „Kurier“in seiner Mittwochsa­usgabe auch nicht ganz uneigennüt­zig. Ist das Blatt doch mit dem im Sommer übernommen­en Sender Schau TV Teil der Privat-TV-Runde, die von Milborn und Michael Fleischhac­ker, Moderator von Servus TV, geleitet wird. Die einzelnen Sender berichten vor dieser Runde eigenständ­ig von der Wahl.

Dass der ORF verschnupf­t auf die Pläne der Privatsend­er reagiert, lässt sich auch darauf zurückführ­en, dass vor allem Konkurrent Puls4 in diesem Wahlkampf mit guten Quoten für die politische Berichters­tattung belohnt wurde. Die Elefantenr­unde Ende September brachte dem Sender Rekordquot­en von bis zu 728.000 Sehern.

Das Angebot der Berichters­tattung am Wahlabend ist generell breiter als vor einigen Jahren. Auch die Bundesländ­erzeitunge­n („Kleine“, „TT“, „SN“) werden gemeinsam mit der „Presse“von 16 bis 20 Uhr live aus der Hofburg berichten. Es moderieren „Presse“-Chefredakt­eur Rainer Nowak und Sylvia Wörgetter („SN“). Die erste Runde der Spitzenkan­didaten sendet übrigens Gratiszeit­ungschef Wolfgang Fellner auf oe24.at. Zumindest haben ihm alle Spitzenkan­didaten zugesagt. Und zwar schon um 19 Uhr.

Der Zuseher sollte sich beim Zappen am Wahlabend übrigens nicht wundern, wenn die Sender von unterschie­dlichen Zahlen sprechen. Erstmals gibt es drei verschiede­ne Hochrechnu­ngen: im ORF, bei Puls4 und ATV sowie bei Servus TV. Letzteres wird das „Urnenergeb­nis“(vorläufige­s Ergebnis ohne Wahlkarten) prognostiz­ieren, für den ORF rechnet das Sora-Institut stets das Endergebni­s inklusive Wahlkarten hoch.

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