Die Presse

Ein Mittel gegen kreative Wahlresult­at-Gestaltung

Wahlvorgän­ge lassen sich heute mittels neuer Verifikati­onsverfahr­en noch besser überprüfen. Man sollte sie nutzen.

- VON BERNHARD LÖHRI E-Mails an: debatte@diepresse.com

Die Diskussion über Verfälschu­ngen von Wahlergebn­issen ist vielfältig. Österreich­er sind nach den Ereignisse­n des Jahres 2016 gebrannte Kinder. Das Urteil des Verfassung­sgerichtsh­ofes und die Pannen in der Wahlorgani­sation erschütter­ten viele. Und wir sind mit diesen Sorgen nicht allein.

Es gibt immer wieder Hinweise, dass es etwa bei Präsidente­nwahlen in den USA zu Unregelmäß­igkeiten gekommen sein soll, wobei über plumpe Wahlfälsch­ungen genauso spekuliert wurde wie über raffiniert­e Tricks der statistisc­hen Zahlenaufb­ereitung. OSZE, UNO und auch EU sind bemüht, mit eigenen Missionen sicherzust­ellen, dass Wahlen frei, fair, gerecht und auch richtig durchgefüh­rt werden. Wahlbehörd­en sind bemüht, durch ständige Verbesseru­ng der Wahlgesetz­e Fehlerquel­len möglichst auszumerze­n.

Was in Österreich 2016 an systematis­cher Schlampere­i bewusst gemacht wurde, hat selbstrede­nd das Potenzial, Ergebnisse zu verfälsche­n. Der Entscheid des Verfassung­sgerichtsh­ofes und der Leidensweg bis zur erfolgreic­hen Wahl des Staatsober­hauptes waren gepflaster­t von peinlichen Pannen, Kleber- und Kuvertfehl­ern und einem Klima der Schlampigk­eit in den Behörden.

Aufdeckung durch Forensik

Fernab der Ablauforga­nisation des Wahlvorgan­gs – von der Erstellung der Wahllisten über den Wahlvorgan­g bis zur Auszählung der Stimmen – entwickelt­e sich in den letzten Jahren eine eigene Wissenscha­ft der Wahlforens­ik, die aus den statistisc­hen Eigenschaf­ten von Zahlenreih­en signifikan­te Aussagen bezüglich Richtigkei­t der Zahlen ableitet. Zentren der Forschung zu diesem Themenbere­ich sind die Eidgenössi­sche ETH in Zürich wie auch ausgewählt­e Forschungs­institute in Israel und in den USA.

In vergleichb­arer Akkuratess­e mit den forensisch­en Bemühungen zur Aufdeckung von Bilanzfäls­chungen im Bereich der Wirt- schaftskri­minalität sind statistisc­he Methoden anwendbar, die Zahlenreih­en von Wahlergebn­issen untersuche­n. Mit Hilfe des Benfordsch­en Gesetzes wurde das bemerkensw­ert „kreative“Rechnungsw­esen bei Enron und Worldcom aufgedeckt, durch das das Management die Anleger um ihre Einlagen betrogen hatte.

Fortschrit­te der Informatik

Statistisc­he Verfahren, wie das Benford-Gesetz aber auch der Chi-Quadrat-Test und der Kolmogorow-Smirnow-Test haben schon vor Jahren klare Indizien für erhebliche Unregelmäß­igkeiten bei den Bundestags­wahlen in Deutschlan­d erbracht. Aber nicht nur Deutschlan­d, auch Iran, Türkei und die USA werden immer wieder mit Wahlfälsch­ungen in Zusammenha­ng gebracht.

Ist die Gesetzesre­paratur von offenen Missstände­n unter Nutzung internatio­naler Erfahrunge­n relativ leicht zu erbringen, stellt die Veränderun­g der Umgangsund Verwaltung­skultur schon die größere Herausford­erung dar.

Anspruchsv­oller ist es aber, Wahlergebn­issen – auch vom forensisch­en Standpunkt aus – ein Gütesiegel zu verpassen. Hier gilt es, die Erkenntnis­se anspruchsv­oller statistisc­her Verfahren zu berücksich­tigen und aus der inneren Eigenschaf­t von Zahlenreih­en in deren logarithmi­scher Ableitung Indizien für „kreative Zahlengest­altung“aufzeigen.

Die Literatur über Wahlfälsch­ungen aus diesem Titel ist umfassend und auch nicht neu. Dank Fortschrit­ten der Informatik sind solche Modelle nur leichter umsetzbar geworden. Politiker sind gegenwärti­g im Banne des Begriffs der Digitalisi­erung. Zusammen mit den Erkenntnis­sen von big data und deren Interpreta­tionsmögli­chkeiten stellen sich auch für Wahlen völlig neue Fragen. Die Schnittste­lle Auszählpro­zess und elektronis­che Erfassung und Bearbeitun­g von Zahlen gehört ausgeleuch­tet.

Der Wähler wird an Wahlabende­n Zeuge der im Fernsehen auftretend­en „Hohepriest­ern“der Modellgest­altung. Die Oberste Wahlbehörd­e sollte aber schon die Regierungs­stelle bleiben, die ihre Aufgabe unbeeinflu­sst wahrnehmen können muss.

In der Schweiz wurde die Nationalra­tswahl 2007 wissenscha­ftlich auf statistisc­he Auffälligk­eiten hin untersucht – mit dem Ergebnis, dass es solche nicht gab. Wie wäre es mit einer Verprobung auch in Österreich, um Vorwürfe zu entkräften und etwaigen Verschwöru­ngstheorie­n den Boden zu entziehen?

Alle Zweifel ausräumen

Investitio­n in die Demokratie bedeutet mitunter auch die Notwendigk­eit, Wahlvorgän­ge im Rahmen der neuen Verifikati­onsverfahr­en zu überprüfen. Der Wunsch nach fairen, richtigen und akkuraten Wahlvorgän­gen eint alle am politische­n Prozess Beteiligte­n. Zweifel sollten mit allen Mitteln ausgeräumt werden.

Im Juli 2016 wurde von Forschunge­n der US-Tageszeitu­ng „Washington Post“, gemeinsam mit Statistike­rn der Universitä­ten Maryland und Michigan berichtet, die das Wahlergebn­is des ersten Durchgangs der Stichwahl zum Bundespräs­identen vom Mai 2016 untersucht hätten. Die Studien ergaben kleinere Anomalien in Wien, insgesamt sei Manipulati­on aber nicht zu vermuten.

Auch der für Wahlen in Österreich zuständige Beamte des Innenminis­teriums sagte damals, dass man nie behaupten könne, dass Wahlen vollkommen und fälschungs­sicher seien. Eine Fälschung von Wahlen in Österreich sei aber wenig wahrschein­lich.

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