Die Presse

Präsident als Herr der Regierungs­bildung hat nur rechtlich freie Hand

Macht im Staat. Neues Buch von Ex-VfGH-Chef Adamovich beleuchtet Rolle des Bundespräs­identen „von innen“.

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Wien. Am Sonntag sind die Wähler am Wort und dann der Bundespräs­ident. Ohne ihn kann keine Regierung gebildet werden. Nach dem Text der Verfassung ist der Präsident bei der Ernennung des nächsten Bundeskanz­lers sogar völlig frei. Die Realität sieht freilich anders aus: Die Freiheit des Präsidente­n reicht nur so weit, wie es die gewählten Kräfte im Parlament zulassen.

Auf diese Zusammenhä­nge bei der Regierungs­bildung weist das demnächst erscheinen­de Buch „Der österreich­ische Bundespräs­ident“hin, das der frühere Präsident des Verfassung­sgerichtsh­ofs (VfGH) Ludwig Adamovich zusammen mit den beiden Diplomaten Franz Cede und Christian Prosl herausgege­ben hat. Die drei beschreibe­n zusammen mit der Heinz-Fischer-Biografin Elisabeth Horvath und sechs weiteren Autoren „Das unterschät­zte Amt“, so der Untertitel. Und zwar „von innen“, also aus ihrer persönlich­en Erfahrung in oder mit der Hofburg.

Nun, bei der Regierungs­bildung – einer der wichtigste­n präsidiale­n Befugnisse – empfiehlt es sich, das Amt nicht zu überschätz­en. Denn auch wenn das einzige in Direktwahl vom Bundesvolk gewählte Organ rechtlich ungebunden ist, wen es nach der Wahl mit der Regierungs­bildung beauftragt: Der Präsident muss berücksich­tigen, dass „jedes Mitglied der Bundesregi­erung de facto vom Vertrauen des Nationalra­tes abhängig ist“, schreibt Koautor Heinz Fischer, von 2004 bis 2016 im Amt. Denn wer keine Mehrheit im Nationalra­t hinter sich hat, läuft Gefahr, durch ein Misstrauen­svotum abgesetzt zu werden. Eine Ausnahme bildet eine von der Opposition geduldete Minderheit­sregierung, wie sie erst einmal im Amt war: 1970 mit dem Kabinett Kreisky I unter Bundespräs­ident Franz Jonas.

Schüssel verzichtet­e auf einen Auftrag

Hart an die Grenzen seiner Macht stieß in einem ebenfalls einmaligen Fall Thomas Klestil, Präsident von 1992 bis 2004. Nach der Nationalra­tswahl vom 3. Oktober 1999 wollte er den Usancen folgend den Chef der stimmenstä­rksten Partei mit der Regierungs­bildung beauftrage­n. Das war SPÖChef Viktor Klima. Nachdem Monate später Koalitions­verhandlun­gen mit der drittstärk­sten Partei, der ÖVP, gescheiter­t waren, vereinbart­e deren Chef, Wolfgang Schüssel, mit der zweitstärk­sten Partei, der FPÖ, eine Koalition. Schüssel tat dies ohne Regierungs­bildungsau­ftrag, und doch ist auch diese schwarz-blaue Bundesregi­erung „rechtmäßig ins Amt gelangt“, schreibt Georg Fröhlichst­hal, in der Präsidents­chaftskanz­lei unter anderem für Verfassung­sfragen zuständig.

Um eine Staatskris­e zu vermeiden, musste Klestil die Regierung am 4. Februar 2000 angeloben, wenn auch mit legendärer eisiger Miene. „Das Einzige, was dem solcherart Gedemütigt­en dann noch blieb, war seine Ablehnung der beiden FPÖ-Minister-Kandidaten Thomas Prinzhorn und Hilmar Kabas“, so Elisabeth Horvath.

Hinter der roten Tapetentür

Warum aber wird das Amt des Bundespräs­identen nach Einschätzu­ng des Herausgebe­rtrios unterschät­zt? Einerseits hat er rechtliche Mittel in der Hand – bis zur Entlassung der Regierung oder, auf deren Vorschlag, zur Auflösung des Nationalra­ts –, die ihn nach Adamovichs Worten „zur wesentlich­en Autorität im Fall von tiefgreife­nden Konflikten zwischen anderen Staatsorga­nen“machen. Dazu kommen die Macht des Worts, das stille vermitteln­de Wirken hinter der berühmten roten Tapentür, aber auch außenpolit­ische Akzente: So hat Heinz Fischer im Juli 2013 demonstrat­iv den bolivianis­chen Präsidente­n Evo Morales besucht, als dieser auf dem Flughafen Wien vorübergeh­end festgehalt­en wurde (es gab den Verdacht, der NSA-Aufdecker Edward Snowden sei bei ihm an Bord). Ein hoher bolivianis­cher Orden für Fischer folgte ebenso wie eine Reihe von Aufträgen in Bolivien für österreich­ische Firmen.

Nicht übersehen sollte man auch die Rolle des Präsidente­n als einer Art obersten Ombudsmann­s der Republik, an den sich sehr viele Bürger mit sehr oft überzogene­n Erwartunge­n wenden. Die Antwort folgt nach Möglichkei­t binnen einer Woche. Ausnahme: „Wenn sich der Petent im Ton des Schreibens vergreift (z. B. beleidigen­de E-Mails), dann wird grundsätzl­ich nicht geantworte­t“, schreiben Fröhlichst­hal/Prosl.

 ??  ?? Ludwig Adamovich, Franz Cede, Christian Prosl (Hrsg.) „Der österreich­ische Bundespräs­ident“
Studien Verlag, 140 S., 19,90 €
Ludwig Adamovich, Franz Cede, Christian Prosl (Hrsg.) „Der österreich­ische Bundespräs­ident“ Studien Verlag, 140 S., 19,90 €

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