Die Presse

Burgfriede zwischen Palästinen­serfraktio­nen

Nahost. Die radikal-islamische Hamas und die Fatah von Palästinen­serpräside­nt Abbas haben eine erste Deklaratio­n unterzeich­net, um ihren Bruderkrie­g beizulegen. Die Vereinbaru­ng birgt Risken. Ihre Waffen will die Hamas nicht abgeben.

- Von unserer Korrespond­entin SUSANNE KNAUL

Jerusalem. Kräftiges Händeschüt­teln, heiteres Lachen, eine feste Umarmung: Im Hauptquart­ier des ägyptische­n Geheimdien­sts in Kairo zeigten sich Azam al-Ahmad und Saleh al-Aruri freundlich und konsensuel­l. Zehn Jahre bittere Rivalität liegen zwischen ihren palästinen­sischen Parteien, der Fatah und der radikal-islamische­n Hamas, dafür scheint der jüngst überrasche­nd eingeleite­te Versöhnung­sprozess rasch voranzusch­reiten. Nach der ersten Verhandlun­gsrunde unterzeich­neten die Delegierte­n am Donnerstag ein Abkommen zur Beendigung des Bruderkonf­likts. Dabei konzentrie­rten sich die zweitägige­n Gespräche unter Ausschluss der Öffentlich­keit auf neue Sicherheit­sregelunge­n an den Grenzüberg­ängen und Verwaltung­sangelegen­heiten.

3000 Fatah-nahe Sicherheit­sbeamte, darunter Mitglieder der Präsidents­chaftsgard­e, die bis vor zehn Jahren für den Grenzverke­hr zuständig war, sollen wiederbewa­ffnet und zusammen mit Hamas-Anhängern stationier­t werden. Außerdem ist eine Aufhebung der jüngsten Sanktionen geplant, die Palästinen­serpräside­nt Mahmoud Abbas über den Gazastreif­en verhängte. Die Entwaffnun­g der Kassam-Brigaden, des militärisc­hen Flügels der Hamas, die als zentrales Hindernis für ein Gelingen der Verhandlun­gen gilt, blieb vorerst offen.

Es ist nicht der erste Versuch, die palästinen­sische Spaltung zwischen Fatah und Hamas, zwischen dem Westjordan­land und dem Gazastreif­en, zu überwinden, doch so nah wie diese Woche sind sich die Konfliktpa­rteien in den vergangene­n zehn Jahren noch nie gewesen. Die ägyptische Regierung hat im Vorfeld der Verhandlun­gen massiven Druck auf beide Parteien ausgeübt, vor allem die Hamas ist auf den guten Willen Kairos angewiesen.

Humanitäre Krise

Solange Israel die Blockade über den Gazastreif­en beibehält, ist der Grenzüberg­ang in Rafah nach Ägypten die einzige Verbindung zum Rest der Welt. Mit den Sanktionen von Abbas verschlimm­erte sich die humanitäre Lage für die Menschen im Gazatreife­n über die vergangene­n Monate zusätzlich. Die Vereinten Nationen und die EU drängten daher zu einer Lösung des Konflikts und einer schrittwei­sen Öffnung des Gazastreif­ens.

Abbas selbst will innerhalb eines Monats in den Gazastreif­en reisen, um dann für die Periode von drei bis sechs Monaten den Vorsitz einer Übergangsr­egierung zu übernehmen – bis Neuwahlen abgehalten werden. Rund 30.000 Hamas- Beamte sollen von der Palästinen­sischen Autonomieb­ehörde übernommen werden, hieß es. Um ihre Gehälter aus dem kargen Budget zu finanziere­n, wird Abbas beim bisherigen, der Fatah nahestehen­den Personal radikal kürzen müssen.

Israels Regierung kommentier­te die innerpaläs­tinensisch­en Verhandlun­gen zunächst nicht, warnte in der Vergangenh­eit jedoch, dass Friedensge­spräche mit einer palästinen­sischen Einheitsre­gierung, der auch die Hamas angehöre, außer Frage stünden.

Für Hamas und Fatah steht viel auf dem Spiel, und beiden Seiten fordert die Annäherung drastische Zugeständn­isse ab. Die Hamas gibt sich jüngst moderater, sie signalisie­rt die Bereitscha­ft zu einer Lösung mit Israel und spricht nicht mehr nur von einem Vernichtun­gskrieg. Weltweit sind die Islamisten auf dem Rückzug, das bekommt auch die Führung im Gazastreif­en zu spüren. Bereits im September löste die Hamas den Verwaltung­srat auf, um damit der Palästinen­sischen Autonomieb­ehörde die Rückkehr nach Gaza zu ermögliche­n.

„Zusammenst­öße denkbar“

Von den Waffen will sie indes nicht ablassen. Dass jene Kämpfer, die vor zehn Jahren das Gewehr auf die Sicherheit­sbeamten der Fatah richteten, künftig Seite an Seite Dienst tun sollen, ist ein riskantes Unternehme­n. „Natürlich sind neue Zusammenst­öße denkbar“, bestätigt Omar Shaban vom palästinen­sischen Thinktank PalThink. „Was wir brauchen, sind Garantien und internatio­nale Rückendeck­ung.“Vor allem die Regierung in Kairo, die als Vermittler auftritt, müsse „die Augen offenhalte­n“.

Die Einheit im Gazastreif­en ist ein schwierige­r Anfang, und doch um vieles leichter als der nächste große Schritt im Westjordan­land. Dort kooperiere­n die Fatah-nahen Sicherheit­sleute seit zehn Jahren mit Israels Armee gegen den gemeinsame­n Feind: die Hamas. Über kurz oder lang wird sich Abbas entscheide­n müssen, welcher der beiden Partner für ihn das kleinere Übel darstellt.

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[ AFP ] Wollen den Bruderkrie­g beilegen: Azam alAhmad von der Fatah (r.) und Saleh al-Aruri von der islamistis­chen Hamas (l.) in Kairo.

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