Burgfriede zwischen Palästinenserfraktionen
Nahost. Die radikal-islamische Hamas und die Fatah von Palästinenserpräsident Abbas haben eine erste Deklaration unterzeichnet, um ihren Bruderkrieg beizulegen. Die Vereinbarung birgt Risken. Ihre Waffen will die Hamas nicht abgeben.
Jerusalem. Kräftiges Händeschütteln, heiteres Lachen, eine feste Umarmung: Im Hauptquartier des ägyptischen Geheimdiensts in Kairo zeigten sich Azam al-Ahmad und Saleh al-Aruri freundlich und konsensuell. Zehn Jahre bittere Rivalität liegen zwischen ihren palästinensischen Parteien, der Fatah und der radikal-islamischen Hamas, dafür scheint der jüngst überraschend eingeleitete Versöhnungsprozess rasch voranzuschreiten. Nach der ersten Verhandlungsrunde unterzeichneten die Delegierten am Donnerstag ein Abkommen zur Beendigung des Bruderkonflikts. Dabei konzentrierten sich die zweitägigen Gespräche unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf neue Sicherheitsregelungen an den Grenzübergängen und Verwaltungsangelegenheiten.
3000 Fatah-nahe Sicherheitsbeamte, darunter Mitglieder der Präsidentschaftsgarde, die bis vor zehn Jahren für den Grenzverkehr zuständig war, sollen wiederbewaffnet und zusammen mit Hamas-Anhängern stationiert werden. Außerdem ist eine Aufhebung der jüngsten Sanktionen geplant, die Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas über den Gazastreifen verhängte. Die Entwaffnung der Kassam-Brigaden, des militärischen Flügels der Hamas, die als zentrales Hindernis für ein Gelingen der Verhandlungen gilt, blieb vorerst offen.
Es ist nicht der erste Versuch, die palästinensische Spaltung zwischen Fatah und Hamas, zwischen dem Westjordanland und dem Gazastreifen, zu überwinden, doch so nah wie diese Woche sind sich die Konfliktparteien in den vergangenen zehn Jahren noch nie gewesen. Die ägyptische Regierung hat im Vorfeld der Verhandlungen massiven Druck auf beide Parteien ausgeübt, vor allem die Hamas ist auf den guten Willen Kairos angewiesen.
Humanitäre Krise
Solange Israel die Blockade über den Gazastreifen beibehält, ist der Grenzübergang in Rafah nach Ägypten die einzige Verbindung zum Rest der Welt. Mit den Sanktionen von Abbas verschlimmerte sich die humanitäre Lage für die Menschen im Gazatreifen über die vergangenen Monate zusätzlich. Die Vereinten Nationen und die EU drängten daher zu einer Lösung des Konflikts und einer schrittweisen Öffnung des Gazastreifens.
Abbas selbst will innerhalb eines Monats in den Gazastreifen reisen, um dann für die Periode von drei bis sechs Monaten den Vorsitz einer Übergangsregierung zu übernehmen – bis Neuwahlen abgehalten werden. Rund 30.000 Hamas- Beamte sollen von der Palästinensischen Autonomiebehörde übernommen werden, hieß es. Um ihre Gehälter aus dem kargen Budget zu finanzieren, wird Abbas beim bisherigen, der Fatah nahestehenden Personal radikal kürzen müssen.
Israels Regierung kommentierte die innerpalästinensischen Verhandlungen zunächst nicht, warnte in der Vergangenheit jedoch, dass Friedensgespräche mit einer palästinensischen Einheitsregierung, der auch die Hamas angehöre, außer Frage stünden.
Für Hamas und Fatah steht viel auf dem Spiel, und beiden Seiten fordert die Annäherung drastische Zugeständnisse ab. Die Hamas gibt sich jüngst moderater, sie signalisiert die Bereitschaft zu einer Lösung mit Israel und spricht nicht mehr nur von einem Vernichtungskrieg. Weltweit sind die Islamisten auf dem Rückzug, das bekommt auch die Führung im Gazastreifen zu spüren. Bereits im September löste die Hamas den Verwaltungsrat auf, um damit der Palästinensischen Autonomiebehörde die Rückkehr nach Gaza zu ermöglichen.
„Zusammenstöße denkbar“
Von den Waffen will sie indes nicht ablassen. Dass jene Kämpfer, die vor zehn Jahren das Gewehr auf die Sicherheitsbeamten der Fatah richteten, künftig Seite an Seite Dienst tun sollen, ist ein riskantes Unternehmen. „Natürlich sind neue Zusammenstöße denkbar“, bestätigt Omar Shaban vom palästinensischen Thinktank PalThink. „Was wir brauchen, sind Garantien und internationale Rückendeckung.“Vor allem die Regierung in Kairo, die als Vermittler auftritt, müsse „die Augen offenhalten“.
Die Einheit im Gazastreifen ist ein schwieriger Anfang, und doch um vieles leichter als der nächste große Schritt im Westjordanland. Dort kooperieren die Fatah-nahen Sicherheitsleute seit zehn Jahren mit Israels Armee gegen den gemeinsamen Feind: die Hamas. Über kurz oder lang wird sich Abbas entscheiden müssen, welcher der beiden Partner für ihn das kleinere Übel darstellt.