Die Presse

Leopold-Museum: Der große Einheits-Hodler

Kunst. Die bisher größte Ausstellun­g des Schweizer Starmalers seiner Zeit, Ferdinand Hodler, in Österreich ist eine würdige Rückkehr: in die Stadt, in der Hodler 1904 seinen internatio­nalen Durchbruch hatte. Auf Einladung von Gustav Klimt.

- VON ALMUTH SPIEGLER Bis 22. Jänner. Tägl. außer Di: 10–18 Uhr, Do. bis 21 Uhr.

Beginnen wir am Ende. Es ist der intensivst­e Moment der großen Ferdinand-Hodler-Ausstellun­g im Leopold-Museum, die heute eröffnet. Vielleicht der emotional intensivst­e Moment, den man zur Zeit überhaupt in einer Wiener Ausstellun­g erleben kann. Hodler, dieser aus einer armen Berner Familie stammende erste Malerstar der Schweiz (1852–1918), traf den Tod schon früh: Seine ganze Familie starb an Tuberkulos­e im Lauf seiner Jugend. Seine Mutter brach neben ihm auf dem Feld tot zusammen, als er 14 war. Als alter Mann, mit 62, musste er dann zusehen, wie seine große Liebe stirbt, nicht seine ihm ergebene Frau Berthe, die ihn weit überleben wird, sondern die Tänzerin Valentine Gode-´Darel, die ihm gerade Tochter Paulette geboren hatte.

Ihr Dahinschei­den, sie hatte Krebs, muss eine Obsession für ihn gewesen sein, die er mit Kunst zu bewältigen suchte: 1914/1915 schuf er 200 Skizzen, 130 Zeichnunge­n, 50 Ölbilder und seine einzige Büste von der sterbenden Valentine. Diese Bilder füllen das „Sterbezimm­er“, den letzten kleinen Raum der größten Hodler-Ausstellun­g, die Österreich bisher sah. Aber der Raum ist eine Sackgasse. Hier hätte man die Besucher auch nicht entlassen wollen, sagt Hans-Peter Wipplinger, Direktor und Kurator. Also tritt man wieder hinaus, in den Saal der letzten Landschaft­en, die Hodler gemalt hat: immer wieder den Genfersee, eben das, was er aus der Wohnung sah, die der Lungenkran­ke nicht mehr verlassen konnte. Mit dicken Strichen legte er Schichten aus Wasser und Licht übereinand­er, blau, gelb, blau, gelb. Der gezackte Gebirgsstr­eifen dazwischen wirkt wie der Umriss des aufgebahrt­en Körpers Valentines in seinen letzten Zeichnunge­n von ihr.

„Je mehr ich selbst der großen Einheit mich nähere, desto größer und einfacher soll meine Kunst werden“, hielt er dazu fest. Am 19. Mai 1918 ging er dann ein in diese Einheit mit der Natur, die er in Harmonie mit dem Menschen sehen wollte. Nur wenige Wochen davor war Gustav Klimt gegangen, der Hodler durch seine Einladung zur 14. Secessions­Ausstellun­g 1904 zu dessen internatio­nalem (und finanziell­em) Durchbruch verhalf („Wien hat mich aus dem Dreck geholt“). Wenige Monate später ging Egon Schiele, der Hodler verehrte und sich von ihm inspiriere­n ließ, wie ein Kapitel der Ausstellun­g zeigt, zum Beispiel in der Psychologi­sierung der Natur. Und noch ein enger Wiener Freund folgte Hodler nach, Koloman Moser, der zwar mit der Theorie des „Parallelis­mus“des Schweizers, nach der man die Raster, die Linien, die Ordnungen der Natur betonte, wenig anfangen konnte. Aber u. a. die HodlerAuss­tellung 1904 in der Secession kuratierte.

Nur wenige dieser damals hier so gefeierten Gemälde konnte man jetzt wieder nach Wien bringen. Dafür das damalige Hauptwerk, den an der zentralen Wand prangenden großen „Wilhelm Tell“, frisch restaurier­t, der in seiner hollywoode­sken Brachialit­ät heute fast unfreiwill­ig komisch wirkt; er war ursprüngli­ch für die Fassade des Schweizer Landesmuse­ums gedacht, das erklärt einiges. Fasst das Hodler-Klischee, das man im Allgemeine­n so hat, aber natürlich bestens zusammen: monumental, national, hart.

Dirty Campaignin­g gegen Hodler

Das gibt es in der Ausstellun­g natürlich auch, der Vergleich mit den dunklen, schweren Sensenschw­ingern Egger-Lienz’ lässt einen aber verstehen: Hodler war heller, ornamental­er, im Spirituali­smus seiner Zeit verhaftete­r. Daher auch schwer angesagt bei den Kritikern, was Egger-Lienz dermaßen ärgerte, dass er einen Lohnschrei­ber beauftragt­e, boshafte Texte über Hodler zu veröffentl­ichen. Hätte er nicht nötig gehabt. Und kam bei der Wiener Gesellscha­ft, in der Hodler bestens vernetzt war, gar nicht gut an.

Hodler malte einfach weiter, seine (vielen) Frauen, alte (arme) Männer, Berge und Seen, symbolisti­sche Visionen voll tanzender, eurythmisi­erter Leiber. Oft ließ er Gemälde fotografie­ren, um an den Fotos Änderungen auszuprobi­eren, bevor er sie auf die Leinwand übertrug. Einige dieser Fotos sind hier zu sehen. Diese wissenscha­ftliche Vorbereitu­ng zeichnet diese Ausstellun­g aus, die doch eine von vielen Hodler-Ausstellun­gen in jüngerer Zeit ist (zur Zeit läuft eine in der Bundeskuns­thalle Bonn): Eineinhalb Jahre hat man gemeinsam mit dem Archiv des verstorben­en Hodler-Forschers Jura Brüschweil­er gearbeitet, um speziell die Beziehunge­n zu Wien aufzuarbei­ten. Basisforsc­hung, der man potente Leihgaben verdankt, u. a. konnten Teile der Wohnung rekonstrui­ert werden, die Josef Hoffmann für Hodler ausstattet­e.

Es ist jedenfalls eine würdige, bedenkensw­erte, sehr empfindsam­e Rückkehr dieses Vielgelieb­ten nach Wien – am Vorabend der 100-jährigen Wiederkehr des großen Schicksals­jahrs der Wiener Kunst, 1918.

 ?? [ Musee´ d’Art et d’Histoire Geneva] ?? Er liebte auch sich selbst: Rund 150 Selbstport­räts fertigte Hodler an, hier eines von 1891.
[ Musee´ d’Art et d’Histoire Geneva] Er liebte auch sich selbst: Rund 150 Selbstport­räts fertigte Hodler an, hier eines von 1891.

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