Die Presse

Wir brauchen ein paar neue Spielregel­n

Leitartike­l. Lehren aus dem Wahlkampf: Vier Jahre Legislatur­periode reichen. Vor Wahlen sollten Meinungsfo­rscher und Parlament pausieren. Die Rückzahlun­g von Parteienfö­rderungen wäre eine Idee.

- VON RAINER NOWAK E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

Stellen Sie sich vor, Fremde überweisen Ihnen ein paar Millionen und stellen naiv völlig frei, ob Sie die nach Belieben ausgeben oder nicht. Und keine Sorge, wenn die weg sind, fließen automatisc­h weitere Millionen. Würden Sie das Geld zur Realisieru­ng ein paar Ihrer Ideen ausgeben? Vielleicht im Freundes- und Bekanntenk­reis verschenke­n? Dort freuen sich sicher viele, in letzter Zeit hatten Sie ohnehin so wenig Zeit, soziale Kontakte und Freundscha­ften zu pflegen. Sich Sympathien mit Geld zu kaufen ist zwar nicht elegant, aber wenn es funktionie­rt . . . Die Familie freut sich auch, wenn wieder alle freundlich grüßen und ihrerseits auch Geschenke bringen. Würden Sie das tun? Ja? Dann sollten Sie in spätestens fünf Jahren für den Nationalra­t kandidiere­n, dort können Sie mit dem Geld der Steuerzahl­er nämlich machen, was Sie wollen. Zum Geldausgeb­en findet sich dort verlässlic­h immer eine Mehrheit.

Das ist leider weder Fiktion noch Zynismus, sondern die Wahrheit. Denn sie haben es schon wieder getan.

In nur wenigen Stunden und nur vier Tage vor der österreich­ischen Nationalra­tswahl haben Abgeordnet­e mit wechselnde­n Mehrheiten im österreich­ischen Nationalra­t Ausgaben von insgesamt 470 Millionen Euro beschlosse­n. Dieser fahrlässig­e Umgang mit Steuergeld hat Tradition: In der Marathonsi­tzung vor der Wahl 2008 verprasste­n Mehrheiten im Nationalra­t überhaupt 2,7 Milliarden, unter anderem dank der Abschaffun­g der Studiengeb­ühren. So gesehen sind Republik und Steuerpfli­chtige diesmal geradezu günstig davongekom­men. Das ist jetzt zynisch.

In dieser und anderen Zeitungen, in lichten Momenten der Opposition und beim für die Schulden zuständige­n Finanzmini­ster war immer wieder die Warnung zu hören und zu lesen, nicht in letzter Minute der alten Legislatur­periode teure Wahlgesche­nke zu verteilen. Umsonst. Vor allem SPÖ, FPÖ und Grüne erwiesen sich großzügig mit dem Geld anderer. Rot und Blau haben schon einmal ihre mögliche Partnersch­aft geübt.

160 Millionen Euro kostete die Ausweitung der Notstandsh­ilfe. Mit 50 Millionen Euro schlägt die Übernahme der Internatsk­osten von Lehrlingen durch den Insolvenza­usgleichfo­nds zu Buche. 45 Millionen gibt es für die Verdoppelu­ng der Arbeitsmar­ktmittel für Behinderte.

Folgen für Finanzen und Betroffene interessie­rten bei dieser Nacht-und-Nebel-Bescherung kaum jemanden: Dass die Gleichstel­lung von Arbeitern und Angestellt­en für manche Unternehme­r existenzie­lle Probleme bringen dürfte, störte die Bankomat-Koalition (Blau, Grüne und SPÖ) nicht wirklich. Die betreffend­e Regelung ist übrigens von besonderer Schlichthe­it: Gebühren, die Bankomaten­betreiber einheben, sollen ab sofort die Banken der jeweiligen Karten zahlen. Das dürfte die Dichte der Bankomaten erhöhen, da dies ein sicheres Geschäft für Betreiber bedeutet. Die Banken werden sich das Geld später beim Kunden zurückhole­n. Dann ist der Architekt dieser neuen Bankensteu­er, Alois Stöger, wohl nicht mehr im Amt.

Um das Land vor solchen Aktionen zu schützen, sollte man in den vier Wochen vor der Wahl den Nationalra­t nur noch in Notfällen wie Naturkatas­trophen einberufen. Und: Das Gleiche gilt für die Veröffentl­ichung von Meinungsum­fragen. Man kann sich dann auf die eigene Vernunft konzentrie­ren – und nicht darauf, wie andere wählen.

Und noch zwei Vorschläge: Die Legislatur­periode muss schleunigs­t wieder auf das europäisch­e Maß von vier Jahren reduziert werden. Länger hält ohnehin keine Regierung durch. Nach zweieinhal­b Jahren geriet die vergangene in Wahlkampfd­auermodus. Um Dirty Campaignin­g und das Beraterunw­esen zu beschränke­n, sollte die Möglichkei­t geschaffen werden, die Parteienfö­rderung – etwa durch den Verwaltung­sgerichtsh­of – bei offensicht­lichem Missbrauch oder Verwendung für fremde Zwecke zurückzufo­rdern. Die Angst vor dem Exekutor ist vielleicht größer als die vor dem Wähler. Dem trauen so manche Parteien offenbar nicht viel Verstand zu. Siehe oben.

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