Die Presse

Der Steirer, das unbekannte Wesen

Analyse. Die grüne Mark ist besonders umkämpft. Auf dem Wählermark­t liegen nicht nur die Stimmen der Stronach-Fans. Gerade in Graz gibt es auch besonders viele Wechselwäh­ler.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien/Graz. „Steirerblu­t ist kein Himbeersaf­t“, wie man in der grünen Mark gern sagt. Der Steirer kann widerspens­tig sein und lässt sich ungern von Wien sagen, was er tun oder gar wählen soll. Vielleicht ist er auch deswegen politisch so unberechen­bar. Allein schon wegen der so diversen Wahlergebn­isse kommt dem Bundesland mit rund 970.000 Wahlberech­tigten bei der Nationalra­tswahl am Sonntag auch eine besondere Bedeutung zu

Während alle anderen Länder mehrheitli­ch entweder Rot oder Schwarz wählten, war in der Steiermark die FPÖ bei der Nationalra­tswahl 2013 an der Spitze. In der Landeshaup­tstadt, Graz, waren hingegen die Grünen die stärkste Partei vor der FPÖ, während SPÖ und ÖVP nur auf Platz drei und vier landeten. Das Ergebnis der ÖVP war so schlecht, dass die Partei bei dieser Wahl nun gar keinen Wahlbeisit­zer mehr in Graz stellen darf.

Dabei ist es nicht so, dass die Grazer die Volksparte­i ablehnen würden, im Gegenteil: Sie haben seit 14 Jahren mit Siegfried Nagl einen schwarzen Bürgermeis­ter, den sie erst heuer wieder im Amt bestätigt haben. Hingegen bekam die SPÖ bei der Gemeindera­tswahl nur noch zehn Prozent in Graz, während die KPÖ doppelt so stark wurde. Dafür gingen die Sozialdemo­kraten bei der Landtagswa­hl 2015 als stärkste Partei durchs Ziel.

Frank und frei: Neue Partei gesucht

Verwirrend? Ja, aber es zeigt, wie viel Stimmenpot­enzial für alle Parteien in der Steiermark liegt. 14 Prozent der Steirer müssen diesmal schon allein deswegen eine andere Partei ankreuzen, weil ihre 2013 gewählte nun gar nicht mehr antritt. Zehn Prozent schenkten damals Landsmann Frank Stronach das Vertrauen, auch das ebenfalls nicht mehr antretende BZÖ schnitt zuletzt mit 3,9 Prozent überpropor­tional stark ab.

Wobei es falsch wäre, die Steiermark in einem zu analysiere­n, besteht sie doch aus so unterschie­dlichen Teilen. Da gibt es die Arbeitereg­ionen der roten Obersteier­mark, die bäuerlich geprägte schwarze Oststeierm­ark oder das urbane, wankelmüti­ge Graz. Bei der Bundespräs­identenwah­l 2016 kam dort Irmgard Griss auf beachtlich­e 26,4 Prozent, während die Neos in Graz bei Wahlen trotz studentisc­hen Umfelds bisher eher schwach abschnitte­n. Die freiheitli­chen Hochburgen liegen rund um die Landeshaup­tstadt.

Graz und Graz-Umgebung bilden bei der Nationalra­tswahl einen gemeinsame­n Wahlkreis, es ist der größte in ganz Österreich. Hier ist es auch am einfachste­n, ein Grundmanda­t zu erlangen, zuletzt reichten bereits 11, 9 Prozent der Stimmen aus.

Das weiß auch der Steirer Peter Pilz, der nicht zufällig in diesem Regionalwa­hlkreis antritt. Denn in der Steiermark und insbesonde­re in Graz ist immer alles möglich.

Newspapers in German

Newspapers from Austria