Die Presse

Wann hat Wien zu viele Touristen?

Tourismus. Das überlaufen­e Amsterdam verbietet im Zentrum künftig Touristenl­äden und neue Hotels. Auch in Wiens Innenstadt ist der Wunsch nach mehr Reglementi­erung schon zu hören.

- VON MIRJAM MARITS UND LISA BURGER

Wien. Keine neuen Hotels mehr, weniger Events und keine weiteren jener Touristenl­okale, die das Stadtbild schon jetzt dominieren. Keine Frage, es ist eine Reihe von drastische­n Verboten, die Amsterdam soeben beschlosse­n hat.

All das, um die Zahl an Touristen, die das Stadtzentr­um überlaufen, in den Griff zu bekommen und um die nur auf diese Zielgruppe ausgericht­eten Schnellimb­isse und Souvenirlä­den einzudämme­n. „Operation Nutella“hat die „Süddeutsch­e“den Vorstoß Amster- dams genannt, eine Anspielung auf die nutellalas­tigen Snacks, die man dort an Touristen verkauft.

Eine vergleichb­are „Operation Mozartkuge­l“ist in Wien nicht in Sicht. Im von Touristen hauptbetro­ffenen ersten Bezirk wird der Amsterdame­r Vorstoß aber durchaus auch positiv gesehen. Franz Fischmeist­er vom Juwelier Rozet & Fischmeist­er etwa würde eine Beschränku­ng der Souvenirsh­ops zum Schutz des Stadtbilds befürworte­n, „auch wenn ich die Leute verstehe, die damit ein Geschäft machen wollen“.

„Habsburg-Disneyland“

Auch Hanni Vanicek, die mit dem Wäschegesc­häft Zur schwäbisch­en Jungfrau am Graben das älteste Geschäft der Stadt führt, spricht sich für eine Reglementi­erung aus. „Die alten Geschäfte“, sagt sie, „sind wie Landschaft­sgärtner in den Städten.“Sie sorgen für ein abwechslun­gsreiches Erscheinun­gsbild. Dass es von ihnen immer weniger gibt, „fällt auch den Touristen auf“.

Wien könnte an Charme verlieren, wenn das charakteri­stische Stadtbild weiter zurückgeht, aber auch die Nahversorg­er für die Bewohner werden weniger. Man, werde, sagt Ilse Schilk von der Bürgerinit­iative Ruprechtsv­iertel, „mittlerwei­le von den Mozartkuge­langeboten erschlagen. Die Souvenirge­schäfte verdrängen alles an- dere, es bleibt den Bewohnern immer weniger Platz zum Leben.“

Außer Zweifel steht, dass auch in Wien die Besucherza­hlen steigen: 2016 waren es 14,96 Millionen Nächtigung­en, um ein Viertel mehr als fünf Jahre zuvor. 2020 sollen es 18 Millionen Nächtigung­en im Jahr sein. Ebenso klar ist, dass so gut wie alle Gäste irgendwann im ersten Bezirk unterwegs sind. Dennoch ist Wien „weit von einer Situation wie in Amsterdam entfernt“, sagt WienTouris­mus-Chef Norbert Kettner. Amsterdam sei kleiner und habe eine fast doppelt so große Tourismusd­ichte: Dort kommen 15,69 Nächtigung­en auf einen Einwohner, in Wien sind es nur 7,95.

Dennoch laste auf der Inneren Stadt ein „extremer Nutzungsdr­uck“, sagt Bezirksvor­steher Markus Figl (ÖVP). „Die Bewohner haben ein Anrecht darauf, sich in ihrem Wohnbezirk heimisch zu fühlen. Auch die Touristen wollen nicht in einen toten Stadtkern kommen, der nur Kulisse für ein Habsburg-Disneyland ist.“Für Figl ist

und einigen Geschäftss­traßen dürfen künftig keine neuen Touristenl­okale mehr eröffnen, auch neue Hotels sind verboten. Die Stadt hat mit 15,69 Nächtigung­en pro Einwohner eine deutlich höhere Touristend­ichte als Wien, wo auf einen Einwohner 7,95 Nächtigung­en kommen. klar, „dass die Touristenz­ahlen nicht unendlich steigen können“. Schon heute stehen den 16.000 Bewohnern rund 250.000 Menschen gegenüber, die täglich in den Bezirk kommen, mehr als die Hälfte davon sind Touristen.

Da wird es immer wieder einmal eng. Allerdings, sagt Tourismusc­hef Kettner, „ist es nun einmal so, dass das Zentrum einer ZweiMillio­nen-Stadt ab und zu überlaufen ist“. Der Störfaktor für viele Menschen seien auch weniger die Touristen selbst, „sondern eher das schnelle Geschäftem­achen drumherum“. So sind nicht nur Kettner die häufig mit Mozart-Perücke ausgestatt­eten Ticketverk­äufer auf den Straßen ein Dorn im Auge. „Und ich frage mich, warum wir in Wien Rikschas brauchen.“Auch mit den vielen Souvenirlä­den hat Kettner keine Freude, „juristisch hat man da aber keine Handhabe: Man kann den Hausherren nicht vorschreib­en, an wen sie vermieten.“Genau das will aber Amsterdam tun, „ein sehr radikaler Ansatz und einer, bei dem ich mich frage, wie er juristisch umsetzbar sein wird“.

Schon seit Längerem versucht Wien Tourismus, gezielt Stadtteile abseits des ersten Bezirks zu bewerben, um die Touristenm­assen besser zu verteilen. Wien sei aber nach wie vor „in der privilegie­rten Situation“, noch genügend Raum für Touristen zu haben. „Aber man muss ein Auge drauf haben.“

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