Ulli Sima schafft sich Autorität
Rotes Wien. Die Wiener Stadtwerke werden von einer Aktiengesellschaft in eine GmbH umgewandelt. Weil dann vieles einfacher wird – auch machtpolitisch.
So ein Wahlkampf-Gezerre hat schon auch sein Gutes. Für die staatliche Wirtschaft, nämlich. Es gibt wohl keine bessere Gelegenheit, heikle Pläne still und leise auf den Weg zu bringen. Aktivitäten also, die in gewöhnlichen Zeiten von allerlei politischen Wortspenden und entsprechender medialer Berichterstattung begleitet würden. Die Wiener SPÖ-Stadträtin Ulli Sima weiß das natürlich. Ihr Vorhaben hat sie daher minutiös und diskret geplant. In den vergangenen Wochen wurden Parteigenossen und Aufsichtsratsmitglieder informiert und gleichsam schachmatt gesetzt. Und somit wird es nach den Wahlen – jedenfalls ziemlich schnell – fix: Die Wiener Stadtwerke Holding AG, der wirtschaftliche Nukleus des Roten Wien, soll einer gesellschaftsrechtlichen Veränderung unterzogen werden. Die Wiener Stadtwerke werden in eine GmbH umgewandelt.
Im Gespräch mit der „Presse“begründet Sima die Umwandlung in erster Linie mit vergaberechtlichen Aspekten – durch das GmbH-Modell sei eine unbürokratische, direkte Beauftragung von stadteigenen Unternehmen durch die Stadtwerke möglich. Ohne Ausschreibung, versteht sich. Aber Hand aufs Herz: Es geht natürlich auch (wenn nicht vor allem) um Macht und Einfluss.
Muss man auch verstehen: Ulli Sima hat die Zuständigkeit für die Wiener Stadtwerke 2015 von SPÖ-Finanzstadträtin Renate Brauner übernommen – und hat sich von Anbeginn an als höchst aktive Stadträtin gezeigt. Heißt: Sie hat kräftig umgerührt. Besser: Sie will kräftig umrühren. Aber so einfach ist das angesichts einzementierter Strukturen wirklich nicht.
Sima hat jedenfalls von Anfang an Dinge infrage gestellt, was so manch Wiener SPÖUrgestein als ungehörig empfand: Zunächst musste der vierköpfige Stadtwerke-Vorstand abspecken – Robert Grüneis musste gehen, und wenn Gabriele Domschitz Ende 2018 in Pension geht, wird ihr Posten nicht nachbesetzt. Aus vier wird also zwei.
Dann, Anfang 2017, legte Sima nach. Und ließ ein Konzept erstellen, wonach im Konglomerat der Wiener Stadtwerke von den insgesamt 160 Geschäftsführerposten bis Ende nächsten Jahres fast die Hälfte eingespart werden soll.
Klingt gut, ist aber ein wenig problembehaftet. Denn Sima ist als Eigentümervertreterin zwar die Hauptversammlung in Person. Aber mehr als Wünsche an den Aufsichtsrat herantragen kann sie nicht. Der wiederum kann – muss aber nicht – die Wünsche an den Vorstand weiterleiten. Dass Aufsichtsratspräsident Erich Hechtner dies in der Vergangenheit mit Inbrunst getan hat, ist eher nicht anzunehmen. Als Wiener Magistratsdirektor ist sein Faible für böse, „neoliberale“Rationalisierungen vermutlich eher enden wollend.
Aber gesetzt den Fall, dass Hechtner sich vom Eigentümer überzeugen ließe: Die Vorstände der Stadtwerke agieren als Chefs einer Aktiengesellschaft weisungsfrei. Sie müssen sich von der Eigentümervertreterin genau gar nichts sagen lassen.
Also eine GmbH. Und volles Durchgriffsrecht für Ulli Sima.
Vor wenigen Tagen präsentierte sie ihren Plan auch in einer Aufsichtsratssitzung. Und dort verlief alles ganz ruhig: Verfassungsrichter Michael Holoubek, der dort Sitz und Stimme hat, meldete zwar Bedenken wegen einer Umwandlung in eine GmbH an. Von den üblichen Sima-Kontrahenten kamen aber keine Einwände. Der Coup ist also geglückt.
Was sollten sie auch argumentativ vorbringen? Schon von Anfang an – also per Ende 1998, als die Stadtwerke zur Holding wurden – agierte der Infrastrukturkonzern zwar als Aktiengesellschaft. Wieso, weiß heute aber eigentlich niemand mehr. Und auch unter der Holding gibt es im Konglomerat ein gesellschaftsrechtliches Tohuwabohu: Sämtliche Tochtergesellschaften – allen voran die Wien Energie, die Wiener Netze, die Wiener Linien sowie die Bestattung und Friedhöfe – sind GmbH. Die Lokalbahnen wiederum firmieren als Aktiengesellschaft.
Da war die Argumentation von Ulli Sima vor den Aufsichtsräten ein Leichtes: Aufmunitioniert mit allerlei Gutachten – vom Vergaberechtsexperten Claus Casati bis hin zum Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts – schwor sie Stein und Bein, dass es keine Auswirkungen auf die Kollektivvertragsfähigkeit der Holding mit rund 16.100 Mitarbeitern geben werde. Und dass es letztlich um die einfachere Handhabung bei Aufträgen an stadteigene Unternehmen (etwa zur Abfallverwertung) gehe.
Simas Mantra: Es gehe um die Daseinsvorsorge. Also die grundlegende Versorgung der Bevölkerung mit wesentlichen Gütern und Dienstleistungen durch die öffentliche Hand. Diese müsse „an die Stadt Wien gebracht werden“. Auf dass man beim Geschäftemachen unter sich bleibe.
Dagegen war natürlich nichts einzuwenden. Also Augen zu und durch.