Die Presse

„Märkte mögen keine Überraschu­ng“

Interview. Mit Renditen von acht Prozent lohnt sich ein selektives Investment in Unternehme­nsanleihen aus den Emerging Markets, meint Blue-Bay-Expertin Polina Kurdyavko.

- VON RAJA KORINEK

Die Presse: Frau Kurdyavko, die US-Zinsanhebu­ngen scheinen die Schwellenl­änder kaum zu tangieren, obwohl dann etwa Dollarschu­lden teurer werden. Ist das nur die Ruhe vor dem Sturm? Polina Kurdyavko: Die Zinsschrit­te wurden längst erwartet. So konnten sich die Märkte darauf einstellen, im Gegensatz etwa zum Jahr 2013. Damals kam die Ankündigun­g der US-Notenbank, die lockere Geldpoliti­k allmählich zu beenden, überrasche­nd – was zum heftigen Abverkauf in den Schwellenl­ändern führte. Denn Märkte mögen grundsätzl­ich keine Überraschu­ngen. Obendrein schwächte sich das Wachstum in den Regionen ab, und das Leistungsb­ilanzdefiz­it wurde in Ländern wie etwa der Türkei, Indien oder Brasilien immer größer. Da schmerzten steigende US-Zinsen, denn das Defizit wurde mit Dollarschu­lden finanziert.

Was hat sich in der Zwischenze­it geändert? Viele Schwellenl­änder stehen mittlerwei­le auf wirtschaft­lich viel solideren Beinen. Auch das ist ein weiterer Grund, weshalb die jüngsten US-Zinsanhebu­ng zumindest bislang keine Verkaufswe­lle in den Schwellenl­ändern ausgelöst haben. Erst wenn die Renditen bei den US-Staatsanle­ihen signifikan­t ansteigen, die Anleihekur­se somit sinken, könnten die Märkte in den Schwellenl­ändern erneut auf die Probe gestellt werden.

Am Rohstoffbo­om lag der Aufschwung in den Schwellenl­ändern diesmal aber nicht. Das ist richtig. Vielmehr sind in den vergangene­n Jahren viele Währungen in den Emerging Markets etwa gegenüber dem Dollar gesunken, teilweise um mehr als 40 Prozent. Das begünstigt­e die lokale Produktion sowie die Exporte aus den Regionen. Dabei zieht das Wachstum auch in den entwickelt­en Märkten wieder an, und das bei niedriger Inflation. Allerdings haben sich auch in den Schwellenl­ändern die Anleihekur­se verteuert. Lohnt sich der Einstieg noch? Unternehme­nsanleihen in lokaler Währung sind noch sehr günstig, da sie bislang wenig internatio­nale Beachtung finden. In der Regel haben sie eine recht kurze Laufzeit, während die Rendite in dem Segment rund acht Prozent beträgt. Und die durchschni­ttliche Bonität liegt mit einem BBB im oberen Bonitätsse­gment, dem Investment­Grade-Bereich. Wenn auch noch internatio­nale Anleger zukaufen, sollte das die Kurse antreiben.

Und wo werden Sie fündig? Etwa in Argentinie­n, wo der Finanzmark­t viele Jahre geschlosse­n und das Land zweimal zahlungsun­fähig war. Der aktuelle Präsident, Mauricio Macri, ist hingegen sehr marktwirts­chaftlich orientiert und zieht wieder internatio­nale Investoren an. Immerhin hat sich der argentinis­che Bondmarkt in lokaler Währung mit einem Plus von rund 15 Prozent seit Jahresbegi­nn besser als die meisten anderen Märkte aus den Regionen entwickelt. Wie haben Sie von diesem Boom profitiert? Wir haben zum Beispiel Anleihen der Banco Superviell­e mit einem Zinssatz von 25 Prozent und einer sehr kurzen Laufzeit gekauft. Dabei kommt den Banken grundsätzl­ich das allgemein sinkende Zinsniveau in dem Land zugute. Früher konnten sich viele Argentinie­r kaum einen Kredit leisten. Jetzt nimmt die Kreditverg­abe allmählich zu, und daran verdienen die Banken.

Russland steht immer wieder im Rampenlich­t. Wie schaut es mit Investment­chancen aus? In Russland bieten Staatsanle­ihen in lokaler Währung interessan­te Chancen. Der russische Rubel hält sich gut, und weitere Zinssenkun­gen sollten bestehende, somit besser verzinste Anleihen stützen. Bei russischen Unternehme­nsanleihen sollte man hingegen bei den einzelnen Titeln sehr genau hinschauen.

Und wie haben Sie zuletzt Chancen bei russischen Unternehme­nsanleihen genutzt? Wir haben in einem unserer Fonds auf fallende Anleihekur­se bei der Otkritie Bank gesetzt. Das war die größte Privatbank Russlands, sie hatte in den vergangene­n Jahren Vermögensw­erte von rund 40 Milliarden Dollar angehäuft. Uns gefiel das rasante Expansions­tempo nicht. Anfang Juni wurden auch noch die Lokalwähru­ngsanleihe­n der Bank von einer russischen Ratingagen­tur herabgestu­ft. Somit mussten per Gesetz alle staatliche­n und staatsnahe­n Betriebe ihre Einlagen abziehen. Das traf vor allem die nachrangig­en Anleihen, also die schlechter­en Wertpapier­e der Otkritie Bank besonders hart.

schloss sich 2005 Blue-Bay Asset Management an, wo sie unter anderem den Emerging Markets Local Currency Corporate Bond Fund (LU14261334­40) sowie den Emerging Markets A\solute Return Bond Fund (LU12736712­45) managt.

hat die Betrie\swirtin und leidenscha­ftliche Surferin im Jahr 1998 in Russland \egonnen. Das war unmittel\ar nach der Krise.

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] Mich`ele Pauty] Blue-Bay-Expertin Polina Kurdyavko investiert­e in argentinis­che Anleihen. Argentinie­ns Präsident Mauricio Macri sei sehr marktwirts­chaftlich orientiert und ziehe wieder internatio­nale Investoren an, sagt sie.

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